Eine positive Familienanamnese für vorzeitige KHK stach beim Fall eines 60-jährigen Mannes besonders ins Auge. Ansonsten wies er einen BMI von 30,6 und 145/86 mmHg Blutdruck auf, war Nichtraucher und hatte keinen Diabetes. Laut Pusl sollte die Basisdiagnostik bei diesem Mann das Gesamtcholesterin und insbesondere das LDL- und HDL-Cholesterin sowie die Triglyzeride (TG) umfassen.
Zudem sei die Berechnung des Non- HDL-Cholesterins erforderlich, da diese bei übergewichtigen bzw. adipösen Patienten eine bessere Vorhersage ermögliche als der LDL-Cholesterinwert alleine. Aufgrund der Familienkonstellation mit vorzeitiger KHK sei auch die Bestimmung des Lipoprotein(a) (Lp(a)) sinnvoll.
Wie neue Untersuchungen zeigen, ist eine Nüchternbestimmung meist nicht nötig. „Die Nahrungsaufnahme übt nur einen geringen Einfluss auf die Lipidfraktionen aus, die sich zudem klinisch nicht relevant auswirken“, berichtete Pusl. Eine Nüchternbestimmung ist daher nur noch in bestimmten Fällen angezeigt, etwa bei bekannter Hypertriglyzeridämie, Hypertriglyzeridämie- bedingter Pankreatitis oder nichtnüchtern Triglyzeriden von > 5 mmol/l. Im vorliegenden Fall fand sich ein Gesamtcholesterinwert von 195 mg/dl, LDL 125 mg/dl, HDL 55 mg/dl, TG 100 mg/dl, Non-HDL 140 mg/dl und Lp(a) 20 mg/dl. Das anhand des SCORE-Systems bestimmte 10-Jahres-Risiko für Tod und kardiovaskuläre Ereignisse lag bei 3 Prozent und somit im moderaten Bereich. Laut Parhofer sind die vorhandenen Scores insbesondere für den mittleren Lebensbereich von Männern geeignet, weniger gut jedoch für junge Menschen und Frauen. „Gute Scores, die das Lebenszeitrisiko vorhersagen, fehlen bislang“, so Parhofer.
Bei einem moderaten Risiko liegt der LDL-Zielwert bei < 115 mg/dl. Um diesen Wert zu erreichen, empfahlen die Experten, mit einer Lebensstiländerung zu beginnen und falls diese Maßnahme erfolglos bleibt, zusätzlich eine Statintherapie zu initiieren.
Benefit durch Ezetimib-Zugabe
Die Sekundärprävention der Hypercholesterinämie wurde anhand einer 76-jährigen Frau besprochen, die unter Diabetes, positiver Familienanamnese für KHK und einem aktuellen STEMI der Hinterwand mit Stent-PTCA (Perkutane Transluminale Coronare Angioplastie) der rechten Koronararterie litt. Ihre aktuelle Therapie bestand in Simvastatin 20 mg. Diskutiert wurde der Wechsel auf das potentere Atorvastatin oder eine Kombination mit Ezetimib.
Wie Parhofer berichtete, konnte die IMPROVE-ITStudie zeigen, dass die Kombination von Simvastatin plus Ezetimib den LDL-Wert weiter verringerte (69,5 mg/ dl vs. 53,7 mg/dl) und dies mit einer signifikant verminderten Anzahl kardiovaskulärer Ereignisse einherging (RR: -6,4 Prozent). „Von der Absenkung des LDL-Werts profitierten einer aktuellen Auswertung zufolge insbesondere Patienten mit hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse“, erklärte Parhofer. Bemerkenswert: In der Studie wiesen die Patienten mit geringerem LDL (aufgrund der Kombinationsgabe) keine höhere Nebenwirkungsrate auf. Laut Pusl wäre für die 76-jährige Patientin sowohl die Kombination Simvastatin/ Ezetimib als auch Atorvastatin/Ezetimib eine gute Option.
Isolierte Lipoprotein(a)-Erhöhung
Lp(a) ist ein genetisch determinierter unabhängiger Risikofaktor, dessen generelles Screening derzeit nicht empfohlen wird. Bei positiver Familienanamnese kann der Faktor jedoch wichtige Hinweise geben. Da sich der Lp(a)-Wert therapeutisch nicht direkt absenken lässt, versucht man das übrige Risikoprofil – insbesondere den LDL-Wert – zu optimieren. Dies gilt vor allem für Patienten ohne Atherosklerose. Patienten mit Atherosklerose und einer Progression trotz Optimierung der Risikofaktoren stellen laut Parhofer mögliche Kandidaten für eine Lipid- Apherese dar, sofern der Lp(a)-Wert über 60 mg/dl liegt. „Außerdem sollte man die Chance auf Prävention nutzen und den Lp(a)-Wert der engeren Familienmitglieder überprüfen“, riet Parhofer.
Alternative bei
Statin-Unverträglichkeit Für Patienten, die Statine nicht vertragen, steht mit den PCSK9-Hemmern eine alternative Therapieoption zur Verfügung. Der monoklonale Antikörper gegen PCSK9 (Proproteinkonvertase Subtilisin/ Kexin Typ 9) verhindert die Bindung von PCSK9 an die LDL-Rezeptoren, wodurch sich die Zahl der LDLRezeptoren an der Zellmembran erhöht und der Abbau von LDL-Cholesterin steigt. In einer Studie mit Patienten (unter maximal tolerierbarer Statintherapie) verringerte die zusätzliche Gabe von PCSK9-Hemmern den LDLCholesterinwert um etwa 45- 65 Prozent gegenüber Placebo (122,6 mg/dl vs. 57,9 mg/dl). Wie Parhofer hervorhob, profitierten alle Patienten von der PCSK9-Hemmung, unabhängig von der zugrunde liegenden Therapie – also sowohl nur diätetisch Vorbehandelte als auch mit niedrigen und hohen Statindosen behandelte Patienten. „Die Therapie ist ideal für Patienten, welche den LDL-Cholesterinzielwert deutlich verfehlen“, erklärte Parhofer. Zudem konnte die aktuelle FOURIER-Studie belegen, dass die LDL-Reduktion mittels PCSK9-Hemmung auch die kardiovaskulären Ereignisse nochmals deutlich verringert: das relative Risiko sank um 15 Prozent, das absolute Risiko um 1,5 – 2 Prozent. Die Erstverordnung darf nur durch Fachärzte erfolgen.
Vorgehen bei Hypertriglyzeridämie
Häufig ist die Hypertriglyzeridämie durch sekundäre Ursachen wie Alkohol oder Übergewicht bedingt, die sich mittels Lebensstiländerung beeinflussen lassen. Zur Therapie stehen zudem Fibrate und Omega-3-Fettsäuren zur Verfügung. Diese konnten in Monotherapiestudien kardiovaskuläre Ereignisse verhindern, in Kombination mit Statinen wiesen sie jedoch keinen zusätzlichen Nutzen auf. Laut Parhofer sind die Studien allerdings umstritten, so dass derzeit unklar ist, welche Patienten die Kombination erhalten sollten. Bei hohem Atheroskleroserisiko ist eine Statintherapie zu erwägen.
Quelle: 5. Forum: „Die Hausarztpraxis im Fokus“, am 12./13.05.2017 in München