Auf Bund und Länder kommt – unabhängig von der bisherigen politischen Agenda – viel Arbeit zu. Denn das Bundesverfassungsgericht hat ihnen als Hausaufgabe aufgetragen, die Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin in großen Teilen neu zu regeln. So soll der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2019 sicherstellen, dass Hochschulen Eignungstests "in standardisierter und strukturierter Weise" durchführen. Bei der Auswahl Studierender müssen Hochschulen künftig zusätzlich mindestens ein "eignungsrelevantes Kriteri- um" anwenden, das nichts mit der Abiturnote zu tun hat – etwa eine medizinnahe berufliche Qualifikation.
Das "Hausaufgabenheft", in dem die Richter diesen Auftrag notiert haben, trägt zwei Aktenzeichen: 1 BvL 3/14 und 1 BvL 4/14. Zwei Studienbewerber, die mit ihrer Abiturnote von 2,0 beziehungsweise 2,6 auch nach Wartezeit keine Zulassung zum Medizinstudium erhielten.
Das Urteil, das der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 19. Dezember verkündet hat, gibt ihnen Recht. Das Vergabeverfahren für Studienplätze im Fach Humanmedizin ist demnach in Teilen verfassungswidrig. Die Richter sehen in dem Prozedere einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. "Aus der Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ergibt sich ein Recht auf Teilhabe an den (…) Studienangeboten, die der Staat mit öffentlichen Mitteln geschaffen hat", begründet der Senat seine Entscheidung.
An Eignung ausrichten
Prinzipiell sei die Vergabe nach Abiturnote, Wartezeit und Auswahl durch die Universitäten (siehe links) mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. Darüber hinaus müsse sich die Studienplatzvergabe jedoch "grundsätzlich am Kriterium der Eignung" orientieren, heißt es in dem Urteil aus Karlsruhe. Dies soll durch folgende Schritte gestärkt werden:
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Die Auswahlverfahren der Hochschulen – aktuell legen die Unis eigene, teils stark differierende Maßstäbe an – müssen über Ländergrenzen hinweg vergleichbar sein. Sie dürfen sich nicht länger allein auf die Abiturnote stützen.
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Die Zahl der Wartesemester soll begrenzt werden.
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Die Festlegung auf höchstens sechs gewünschte Studienorte darf nicht dazu führen, dass ein eigentlich erfolgreicher Bewerber am Ende leer ausgeht.
Positive Reaktionen
Der Deutsche Hausärzteverband begrüßt das. "Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass die Abiturnote allein nicht dafür ausschlaggebend ist, ob jemand ein guter Arzt wird", erklärt Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt. "Gerade für Hausärztinnen und Hausärzte sind soziale Kompetenzen im Zweifel wichtiger als ein 1,0 Abitur."
Auch andere Ärztevertreter lobten das Urteil. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen plädierte darüber hinaus, dass die Länder den Hochschulen aufgrund des aufwendigeren Auswahlverfahrens auch die notwendigen Ressourcen einräumen müssten. Die Frist für die Abgabe der Hausaufgaben – also das Anpassen der Landesgesetze bis Ende 2019 – ist laut Medizinischem Fakultätentag "sehr knapp gesetzt".