Wenn Dr. Matthias Frank "auf Sendung" geht, dann verwandelt sich seine Hausarztpraxis in ein kleines Fernsehstudio: Zwei große Videoleuchten sorgen für das richtige Licht, dem Allgemeinmediziner gegenüber steht die Kamera auf einem professionellen Stativ.
Dr. Matthias Frank ist niedergelassener Hausarzt – und seit November 2016 auch Youtuber. Auf der Online-Videoplattform spricht er regelmäßig über Schulmedizin, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder Homöopathie, und er gibt ganz konkrete Tipps aus dem Praxisalltag, etwa gegen Erkältung in den Wintermonaten. Mit seinem Youtube-Kanal www.naturMedizin2go.de, also seinem eigenen Profil, auf dem alle Videos erscheinen, ist er nicht allein: Immer mehr Ärzte versuchen sich in sozialen Netzwerken – sei es als Aufklärung für die Patienten oder als Marketinginstrument für die eigene Praxis.
Zahlen zu medizinischen Kanälen kann Youtube auf Anfrage zwar keine liefern, durchaus aber Daten für Franks Videos: Knapp 18.000 Klicks hat der Hausarzt seit seinem Start gesammelt, mehr als 190 Abonnenten zählt sein Kanal aktuell. Besonders patientennahe Themen – etwa Haarausfall oder Reizdarm – erhalten rund 4.000 Klicks. Für Frank sind die Erklärvideos eine wichtige Ergänzung seiner Arzt-Patienten-Kommunikation. "Im Praxisalltag kann ich meinen Patienten Informationen oder Handlungsempfehlungen zwar auf die Schnelle erklären, sie können diese jedoch nicht in Gänze verinnerlichen", erklärt er. "Die Videos sorgen dafür, dass sie sich zuhause noch einmal in Ruhe informieren können."
Patienten besser informiert
Früher hat Frank zur Patienteninformation eigens erstellte Formulare, Checklisten oder Broschüren ausgeteilt; heute hat er in seiner Praxis stets kleine Visitenkarten mit Verweis auf die Youtube-Plattform zur Hand. Demografiedaten zu seinem Kanal zeigen, dass er mit dem Angebot zunehmend auch Menschen mittleren Alters erreicht. So ist die Großzahl der Nutzer den Youtube-Zahlen zufolge zwar zwischen 25 und 34 Jahre alt (38 Prozent), fast jeder fünfte Nutzer ist jedoch bereits zwischen 45 und 54 (18 Prozent). Und: Sogar die Altersgruppe 65+ macht mittlerweile sechs Prozent seiner regelmäßigen Zuschauer aus.
Im Patientengespräch wirke sich das deutlich aus, beobachtet der Allgemeinmediziner: Nach den ersten Jahren kommen heute viele seiner Patienten wesentlich informierter in die Praxis. "Viele stellen auch gezielt Fragen, wenn sie Videos zur Vorbereitung geschaut haben." So versteht Frank seine regelmäßigen Videodrehs ausdrücklich nicht als Hobby, sondern als Investition für eine bessere Patientenversorgung.
Es ist ein Punkt, in dem auch Kollege Dr. Christian Schulze zustimmt. Der Landarzt aus dem Hunsrück ist seit September 2016 als "Ihr Sportarzt" auf Youtube vertreten – und gehört heute mit rund 7.400 Abonnenten und Videos, die regelmäßig fünfstellige Klickzahlen erreichen, zu den beliebtesten Allgemeinmedizinern auf der Plattform. "Die Zeitspanne, die uns in der Praxis bleibt, wird immer kürzer. Da kann es helfen, Patienten auf qualitativ hochwertige Informationen außerhalb der Praxis zu verweisen", erklärt er einen Beweggrund. Das Stichwort "qualitativ hochwertig" ist ihm dabei besonders wichtig: "Leider kursieren im Internet zu viele fragwürdige Inhalte", beobachtet er. Gerade im Bereich der Sportmedizin seien viele Fitnesstrainer unterwegs, die zur medizinischen Beratung schlecht oder gar nicht qualifiziert seien – was für den Laien jedoch nicht immer ersichtlich sei. "Um dem entgegenzuwirken, habe ich selbst begonnen, Videos zu produzieren."
Dabei ist sich Schulze seiner besonderen Rolle als Arzt in den sozialen Medien äußerst bewusst. Über hohe Klickzahlen freut er sich zwar – von reißerischen Überschriften oder Aufmachungen distanziert er sich jedoch bewusst. "Ist man als Arzt in den sozialen Medien unterwegs, ist man wie im Praxisalltag auch Berufsordnung und -ethos verpflichtet", gibt er Kollegen zu bedenken.
Der Arzt als Marke
Für Schulze bedeutet sein Youtube-Kanal darüber hinaus die Chance, sein Fachwissen zu teilen. In seinem Kanal spricht er regelmäßig über Sportverletzungen und manuelle Therapie. Über Facebook macht er dann auf die Videos aufmerksam. Der Allgemeinmediziner mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie ist für seine Expertise bei Schulter- und Atlastherapie heute bundesweit bekannt – auch dank seiner eigenen Marke in den sozialen Medien.
"Gerade habe ich einen Patienten behandelt, der zur Atlastherapie extra aus Hamburg angereist ist", erzählt Schulze. Mittlerweile seien rund drei Patienten am Tag in seiner Praxis, die im Netz auf ihn aufmerksam geworden sind. Als Privatpatienten – jeder zweite von ihnen ist privat versichert – machen sie einen nicht unbedeutenden Teil seiner Tätigkeit aus.J. Kötter
Praxis-Tipps für den eigenen Youtube-Kanal
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Planung: Im Vorfeld sollten sich interessierte Ärzte überlegen, ob sie dauerhaft die Zeit haben, Themen und Texte zu entwickeln, Videos zu drehen und zu produzieren. Dr. Matthias Frank setzt den Zeitaufwand aus eigener Erfahrung auf acht bis zehn Stunden pro Woche an.
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Equipment: Die minimalste Ausrüstung umfasst eine (HD-fähige) Kamera, ein Stativ und möglicherweise Licht sowie einen leistungsstarken Rechner mit Schnittprogramm, ggf. Mikrofone. Für eine qualitativ hochwertige Ausstattung hat Dr. Christian Schulze rund 5.000 Euro investiert.
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Produktion: Für das Schneiden des Videos ist eine geeignete Software nötig. Soll im Video auch Musik eingespielt werden, erinnert Dr. Christian Schulze an das Klären der Urheberrechte. Einige Internetseiten stellen Songs zur Verfügung, die man bei Nennung der Urheber kostenfrei verwenden darf – allerdings sollte das genau geprüft werden. "Andernfalls kann es teuer werden."
So kann es aussehen: Drei Ärzte auf Youtube
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"Ihr Sportarzt" – Kanal von Dr. Christian Schulz, 7.407 Abonnenten, 74 Videos
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"naturMedizin2go" – Kanal von Dr. Matthias Frank, 194 Abonnenten, 46 Videos
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"Dr. Johannes" – Kanal und GmbH von Dr. Johannes Wimmer, 8.120 Abonnenten, 184 Videos