Warum steigt die Infektanfälligkeit im Alter?
Der menschliche Organismus ist durch und durch mit Mikroorganismen besiedelt. Das Verhältnis dieser Mikroorganismen zu körpereigenen Zellen beträgt ungefähr 10:1. Für die Entwicklung unseres Immunsystems ist die physiologische Bakterienflora, insbesondere die Darmflora, essenziell. Zudem schützt uns diese vor der Besiedlung durch pathogene Mikroorganismen. Einige unserer physiologischen Bewohner können jedoch bei einem geschwächtem Immunsystem pathogen werden. Mit fortschreitendem Alter verändert sich das Immunsystem des Menschen (Immunseneszenz), es verliert an Effizienz.
Das ist bedeutsam einerseits im Hinblick auf die Kontrolle eindringender pathogener Keime, andererseits in Bezug auf die Fähigkeit, maligne transformierte körpereigene Zellen eliminieren zu können. Weiterhin verliert das Immunsystem zunehmend die Fähigkeit, zwischen "selbst" und "fremd" zu unterscheiden. Zeitgleich mit dieser Entwicklung schreitet die Involution des Thymus fort, die Zytokinkonzentration erhöht sich und die Antikörpersynthese nimmt ab. Mit dieser gegenläufigen Entwicklung geht die Abnahme der körpereigenen Abwehr und die häufig zugrunde- liegende Multimorbidität einher.
All das sind Gründe dafür, dass die Prävalenz von Infektionen, Malignomen und Autoimmunerkrankungen im Alter zunimmt. Weiterhin tragen die Abnahme verschiedener Körperfunktionen, Begleiterkrankungen wie auch Arzneimittelnebenwirkungen und Interaktionen zur erhöhten Infektanfälligkeit bei. Die Infektanfälligkeit im Alter wird zusätzlich noch gesteigert durch die oft zu beobachtende Mangelernährung sowie durch Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie oder auch die Zunahme der gastralen Säureproduktion.
Verlaufen Infektionen im Alter anders als bei jüngeren Menschen?
Im Alter verlaufen Infektionen oft atypisch und zeigen auch ein komplett verändertes Erscheinungsbild. So kann sich eine Infektion in einer unspezifischen Funktionsstörung äußern. Ein Harnwegsinfekt tritt beispielsweise als Inkontinenz auf und eine Pneumonie kann sich durch Verwirrtheit als Hauptsymptom zeigen. Oft fehlt als typisches Kriterium Fieber. Zudem kann die normalerweise auftretende Erhöhung der Leukozytenzahl weniger stark ausfallen oder gänzlich fehlen. Zudem zeigen Infektionen im Alter oftmals einen stillen Verlauf, indem diese lange Zeit asymptomatisch bzw. auch symptomarm verlaufen. Das wiederum führt dazu, dass Infektionen einerseits spät diagnostiziert werden und andererseits häufiger ein schwerer und komplikationsreicher Verlauf zu beobachten ist.
Was bedeutet das in der Praxis?
Das Kriterium für Fieber ist bei Infektionen im höheren Alter nicht zwingend ein Ansteigen der Körpertemperatur auf über 38,3 Grad Celsius, sondern bereits eine Erhöhung um ein Grad Celsius gegenüber der normalen Ausgangstemperatur. Denken Sie an den Merksatz: "The older, the colder". Bei alten Patienten mit einem ungeklärten raschen kognitiven wie auch motorischen Funktionsverlust muss an das Vorliegen einer schweren Infektion gedacht werden.
Welche Rolle spielt Mangelernährung im Alter?
Die Ursachen für die Mangelernährung im Alter sind vielfältig und reichen von den normalen altersphysiologischen Veränderungen über das individuelle Ernährungsverhalten bis hin zu psychischen und krankheitsbedingten Auslösern. Weiterhin wird gerade im höheren Alter die ausbalancierte und angemessen zubereitete Kost zunehmend unterschätzt bzw. vernachlässigt. Eine chronische Mangelernährung ist damit im Alter vorprogrammiert und hat teils schwerwiegende Folgen. Eine chronische Mangelernährung betrifft mittlerweile fast jeden 12. über 60-Jährigen in Deutschland.
Welches sind die häufigsten Infektionen bei älteren Menschen?
Zu den häufig vorkommenden, typischen Infektionen im Alter gehören Infektionen der Atemwege, Harnwegsinfektionen sowie Haut- und Weichteilinfektionen. Hinzu kommen Fremdkörperinfektionen durch Prothesen und Implantate, die keine Seltenheit sind.
Was ist bei der antibiotischen Therapie im fortgeschrittenen Alter zu beachten?
Grundsätzlich unterscheidet sich die antibiotische Therapie älterer Menschen nicht von jener jüngerer Patienten. Allerdings ist bei der empirischen Initialtherapie in der Regel ein breiteres Keimspektrum und die Schwere der Erkrankung zu berücksichtigen. Weiterhin müssen bei der Wahl eines geeigneten Antibiotikums Applikationsart, Pharmakokinetik, Pharmakodynamik, Toxizität, Arzneimittelinteraktionen, Compliance und zugrundeliegende Begleiterkrankungen (z. B. Niereninsuffizienz) mitberücksichtigt werden.
Darüber hinaus sind bei älteren Patienten engmaschigere Kontrollen vonnöten. Die Adsorption der Medikamente aus dem Gastrointestinaltrakt bleibt unverändert, aber eine abnehmende Lebergröße und -durchblutung schränken den Metabolismus ein. Bedingt durch ein erniedrigtes Serumalbumin kann es bei eiweißgebundenen Medikamenten zu einer höheren Serumkonzentration kommen. Oftmals ist außerdem eine verminderte Nierenfunktion bedeutsam. Das gilt auch dann, wenn der Serum-Kreatinin-Wert normal ist. Deshalb ist die Bestimmung der Kreatinin-Clearance sinnvoll. Danach ist die Dosierung von Antibiotika an die tatsächliche Nierenfunktion anzupassen.