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Aus Wissenschaft und ForschungHA 19/24: Die DEGAM informiert

Auf diesen Seiten stellt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) neueste medizinische Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag der Hausärztinnen und Hausärzte relevant sind.

Aus der Forschung

Mallet-Finger in der hausärztlichen Versorgung

Der Mallet- oder Hammer-Finger entsteht nach einer Ruptur der Strecksehne über dem distalen Interphalangealgelenk (DIP) – eine Beugung des Fingerendglieds ist dann nicht mehr aktiv möglich. Studien zum Krankheitsbild haben bisher nur Patientinnen und Patienten in Notaufnahmen betrachtet.

Da davon auszugehen ist, dass sich glücklicherweise nicht alle Betroffenen mit diesem wenig bedrohlichen Krankheitsbild in Notaufnahmen vorstellen, wurde in den Niederlanden anhand der Daten einer großen regionalen Praxisdatenbank die Inzidenz und das Management im hausärztlichen Praxissetting untersucht.

Die Rijnmond Primary Care Database (RPCD) sammelt die Praxisdaten von über 200.000 Personen, die in der Region Rotterdam leben. Ein Mallet-Finger hatte eine Inzidenzrate von ca. 0,6 pro 1.000 Personenjahre, war bei Männern etwas häufiger und am häufigsten am Mittel- bzw. kleinen Finger. Hausärztinnen und Hausärzte in den Niederlanden versorgen ca. 2.000 Personen und sehen damit ein bis zwei Fälle im Jahr.

Die Inzidenz ist damit höher als in bisherigen Untersuchungen aus Kliniken. 58 Prozent der Fälle wurden geröntgt (davon hatten 23 Prozent eine knöcherne Beteiligung), 45 Prozent wurden in spezialisierte Behandlung, 11 Prozent zur Physiotherapie überwiesen. Operativ versorgt wurden nur 2 Prozent der Fälle, für die überwiegend schwerere Traumata dokumentiert waren (Sturz aus größerer Höhe, Finger zwischen Anhänger und Auto eingeklemmt).

Obwohl eine Röntgenabklärung empfohlen wird, findet diese nicht durchgehend statt. In Anbetracht der geringen Rate an Patientinnen und Patienten, die letztendlich operativ versorgt werden müssen und ggf. schon durch die Schwere des Traumas auffällig werden, ist nach Ansicht der Autorinnen und Autoren der Verzicht auf eine Röntgenaufnahme gerechtfertigt.

Die relativ hohe Rate an Überweisungen in eine spezialisierte Behandlung überrascht, da eine konservative Therapie, die Verordnung einer Stack-Schiene für sechs bis acht Wochen unproblematisch hausärztlich durchgeführt werden kann. Eine physiotherapeutische Behandlung nach Ende der Ruhigstellung kann sinnvoll sein und wird vergleichsweise selten durchgeführt. Da in den Niederlanden Patientinnen und Patienten auch ohne Verordnung oder Überweisung eine Physiotherapie nutzen können, wird die Nutzung aber möglicherweise unterschätzt.

Die Autorinnen und Autoren fordern, dass die Leitlinie entsprechend der hausärztlichen Realität verändert wird und eine Röntgenaufnahme nicht mehr regelhaft empfohlen wird.

Fazit: Ein Mallet-Finger tritt in der hausärztlichen Versorgung in den Niederlanden etwa einmal jährlich auf. Der Verzicht auf eine Röntgenaufnahme war zum Zeitpunkt der Datenerhebung zwar nicht leitliniengerecht, aber in Anbetracht der seltenen Notwendigkeit einer operativen Behandlung angemessen und sinnvoll. Die Behandlung kann in der Regel rein hausärztlich ggf. ergänzt durch Physiotherapie erfolgen.

Quelle: Krastman P, de Schepper E, Bindels P, Bierma-Zeinstra S, Kraan G, Runhaar J. Incidence and management of mallet finger in Dutch primary care: a cohort study. BJGP Open. 2024 Apr 25;8(1):BJGPO.2023.0040. doi: 10.3399/BJGPO.2023.0040. PMID: 37669804; PMCID: PMC11169982.

Bessere Stimmung vor Grippeimpfung

Impfungen haben bei älteren Menschen oft eine schlechtere Wirksamkeit – gerade diese Personengruppe braucht aber einen wirksamen Schutz vor manchen Erkrankungen. In Beobachtungsstudien ist die Stimmung mit der Immunantwort bei Impfungen assoziiert ist. Ein Review zeigt, dass verschiedene Interventionen wie lustige Filme oder Hörspiele, Massagen, Musikhören, Singen oder Trommeln in der Gruppe zur Verbesserung von Immunparametern führen kann [1].

Der Erstautor des Reviews entwickelte vor diesem Hintergrund eine erste klinische Studie, um die Effekte einer Intervention zur Verbesserung der Stimmung als nicht-medikamentöses Impf-Adjuvans auf die Impfantwort bei älteren Personen zu untersuchen.

Die Studie wurde randomisiert und drei-armig durchgeführt. In der Grippeimpfsaison im Herbst 2019 wurden 654 Personen zwischen 65 und 85 Jahren in 13 Hausarztpraxen in den East Midlands rekrutiert. Eine Gruppe betrachtete vor der Impfung ein 15-minütiges Video mit klassischen Comedy Clips und erheiternder Musik, eine weitere Gruppe durfte drei je fünf-minütige Videos wählen, die mit einem Patienten-Advisory-Board gemeinsam ausgesucht worden waren, die dritte Gruppe wurde ohne Stimmungshebung geimpft.

Beide Interventionen resultierten in einer vergleichbaren Stimmungsverbesserung gegenüber der Kontrollgruppe. Die IgG und HAI (Hämagglutinin inhibierende) Antikörper-Antwort vier Wochen nach der Impfung unterschieden sich allerdings nicht.

Die Autorinnen und Autoren diskutieren, dass eine Verbesserung der Immunantwort möglicherweise nur klein und daher in dieser Studie nicht nachweisbar war, aber aufgrund der großen Anzahl an Impfungen dennoch relevant sein könnte. Richtigerweise führen sie auch an, dass die Antikörpermessungen nicht den tatsächlichen klinischen Nutzen abbilden. Diskutiert wird auch, ob die Nutzung eines adjuvierten Grippeimpfstoffes, der in der Studie verimpft wurde, dazu führte, dass die Impfantwort nicht weiter verbessert werden konnte.

Fazit: In dieser Studie führte das Betrachten von erheiternden Videos zu einer besseren Stimmung vor der Impfung, nicht allerdings zu einer – gemessen an den Antikörpertitern – besseren Impfantwort.

Quelle: Ayling K, Brown M, Carlisle S, Bennett R, Buchanan H, Dumbleton J, Hawkey C, Hoschler K, Jack RH, Nguyen-Van-Tam J, Royal S, Turner D, Zambon M, Fairclough L, Vedhara K. Optimizing mood prior to influenza vaccination in older adults: A three-arm randomized controlled trial. Health Psychol. 2024 Feb;43(2):77-88. doi: 10.1037/hea0001267. Epub 2023 Dec 7. PMID: 38059932.

Literatur:

  1.  Ayling, Kieran PhD; Sunger, Kanchan MBChB; Vedhara, Kavita PhD. Effects of Brief Mood-Improving Interventions on Immunity: A Systematic Review and Meta-Analysis. Psychosomatic Medicine 82(1):p 10-28, January 2020. DOI: 10.1097/PSY.0000000000000760

Best of Leitlinien

Dr. Günther Egidi arbeitet an der Nationalen Versorgungs-Leitlinie Diabetes mit, ist Vorsitzender der Akademie für hausärztliche Fortbildung, stellvertretender Sprecher der DEGAM – Sektion Fortbildung und war 25 Jahre lang Hausarzt in Bremen-Huchting.

Was ist Ihre Lieblings-Leitlinien-Empfehlung?

Das ist die Empfehlung aus der NVL KHK “Eine invasive Koronarangiographie soll nicht durchgeführt werden bei Patientinnen und Patienten ohne symptomatische Indikation, die nach Beratung zu einer Bypass-OP aus prognostischer Indikation nicht bereit sind” (www.hausarzt.link/X9ZFu).

Warum ist diese Empfehlung so wichtig?

In Deutschland beherrschen die Kardiologinnen und Kardiologen die Szene. Im Jahr 2021 wurden laut Deutschem Herzbericht (www.hausarzt.link/fvpca) 754.004 Herzkatheter geschoben – also bei fast jedem/r 100. Bürger/in. In 301.425 Fällen, also in 40 Prozent, wurde ein Stent gesetzt. Weder Ärztinnen und Ärzten, noch Patientinnen und Patienten ist es aber bewusst: Ein Stent nützt außerhalb akuter Koronarsyndrome allenfalls etwas gegen Angina pectoris – die Patientinnen und Patienten leben davon aber keinen Tag länger [1]. Nur eine Bypass-Operation vermag die Prognose v.a. bei koronarer Mehrgefäßerkrankung oder Hauptstamm-Stenose zu verbessern [2]. In anderen hoch entwickelten Ländern kommen auf einen Bypass drei Stents – in Deutschland sind es zehn. Mit anderen Worten: Wir haben in Deutschland eine gravierende Überversorgung mit Herzkathetern und Stents.

Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?

Ich gebe meinen Patientinnen und Patienten immer, bevor ich sie zur Kardiologie schicke, die Patienten-Blätter der NVL zum Lesen mit: “Brauche ich eine Herzkatheter-Untersuchung?”, “wann hilft eine Bypass-Operation, wann helfen Stents?”, “Katheter bei koronarer Herzkrankheit: Stents einsetzen oder erst mal abwarten?” (www.hausarzt.link/BpiCA).

Seit Oktober haben wir die Möglichkeit, bei relevantem Anhalt für eine KHK die Patientinnen und Patienten “auf Kasse” zum koronaren CT zu schicken – und sie bei Eingefäßerkrankung mit ASS und einem Statin sowie ggfs. einem Blutdruckmittel zu versorgen und sie ins DMP KHK einzuschreiben. Patientinnen und Patienten mit Hauptstammstenose oder Mehrgefäßerkrankung können wir direkt in die Kardiochirurgie schicken. •

Neugierig geworden?

Die Langversion und verschiedene gute Patienten-informationen zum Thema gibt es hier: www.leitlinien.de/themen/khk

Literatur:

  1. 1. Shah R, Nayyar M, Le F et al. A meta-analysis of optimal medical therapy with or without percutaneous coronary intervention in patients with stable coronary artery disease. Coronary Artery Disease 2022, 33:91–97
  2. 2. Doenst T, Haverich A, Serruys P et al. PCI and CABG for Treating Stable Coronary Artery Disease. J Am Coll Cardiol 2019;73:964-976
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