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Umfrage„Praxispersonal bei Gewaltschutz nicht vergessen“

Zwar ist die Mehrheit der Menschen dem Praxispersonal dankbar. Doch gleichzeitig werden Versicherte zunehmend ausfallend, zeigt eine aktuelle Umfrage. Ein Gesetzentwurf soll den Schutz verbessern, noch fehlt darin aus Sicht der Ärzteschaft aber ein wichtiger Aspekt.

Beschäftigte in Praxen berichten häufiger von aggressiven Patientinnen und Patienten.

Berlin. In ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen schlagen Patientinnen und Patienten gegenüber dem Personal immer öfter einen beleidigenden Ton an und werden mitunter auch handgreiflich. Gleichwohl sei die absolute Mehrheit der Patientinnen und Patienten noch höflich und dankbar, wurde bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV-VV) am Freitag (13.9.) in Berlin deutlich.

80 Prozent haben Gewalt erfahren

Dort stellte die KBV eine Befragung von rund 7.580 in den Praxen Tätigen vor. Demnach haben in 2023 vier von fünf Befragten Beschimpfungen bis hin zu Drohungen erlebt. Die meisten (85 Prozent) berichten, dass verbale Gewalt in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. Ein Drittel hat Schutzmaßnahmen wie Notrufsysteme oder Personalschulungen initiiert.

Jedoch meldeten nur 14 Prozent solche Vorkommnisse der Polizei, berichtete KBV-Vorsitzender Dr. Andreas Gassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Polizei oft auch nicht helfen könne, weil zum Beispiel noch kein konkreter Angriff passiert sei, wie Freitextantworten einiger Befragter zeigen. Die KBV will daher mit dem Bundesjustizministerium eine wissenschaftliche Untersuchung beauftragen, wie Praxen mit Gewalterfahrungen umgehen und wie diese strafrechtlich weiterverfolgt werden. “Wir wollen herausfinden, woran genau es hakt: Ob Praxen Vorfälle nicht melden, die Polizei nicht reagiert oder anderes”, erläuterte Gassen vor Journalisten.

Praxispersonal besser schützen

Die VV verabschiedete zudem eine Resolution, die die Initiative des Bundesjustizministers unterstützt, bei Gewalt in medizinischen Einrichtungen künftig härter strafrechtlich vorgehen zu können. Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband befürwortet das Vorhaben, weist aber darauf hin, dass im Gesetzentwurf noch das Praxispersonal fehlt. Diese Änderung fordert nun ebenso die KBV-Resolution ein.

“Bei uns gibt es größere Praxen, die einen privaten Wachschutz organisiert haben”, machte Angelika von Schütz, KV Mecklenburg-Vorpommern, aufmerksam. Vor allem in der Coronazeit hätten viele Praxen Erfahrung mit Gewalt von Seiten der Patienten gemacht. Schlimm wäre, dass es bei Anzeigen keine Konsequenzen gäbe, sondern Verfahren meist eingestellt würden.

Eine “zunehmende Verrohung der Gesellschaft” bestätigte auch Dr. Bernhard Rochell, KV Bremen. Letztes Jahr habe er zwei MFA verloren, da diese den ständigen Druck in der Praxis nicht mehr hätten aushalten können.

Im Gesetzentwurf zudem noch nicht ausreichend berücksichtigt sei die zunehmende Gewalt gegen weibliches Medizinpersonal, sagte Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, vor der VV. Sie verwies auf eine Kriminalstatistik in Baden-Württemberg, nach der sich gewalttätige Straftaten gegenüber Ärztinnen innerhalb weniger Jahre verdoppelt hätten.

“Politiker und Kassen schüren Anspruchsdenken”

Sich auf den Schutz der staatlichen Institutionen verlassen zu können, sei wichtig, um den “Vertrauensort Praxis” zu schützen, unterstrich Hausärztin und KBV-VV-Vorsitzende Dr. Petra Reis-Berkowicz. Darüber hinaus sorgen sich die Ärztinnen und Ärzte, dass die Aggressivität die Praxistätigkeit langfristig unattraktiv machen kann und somit die knappe Personalsituation weiter verschärfe.

Reis-Berkowicz befürchtete auch, dass die aktuellen Gesetzesvorhaben die Aggressivität weiter verstärken könnte. Denn in der Umfrage gaben viele an, dass Patientinnen und Patienten vor allem wütend würden, wenn ihre Ansprüche nicht sofort erfüllt werden. Gesetzgeber und Krankenkassen kommunizieren hier aus Sicht der Ärzteschaft zu intransparent etwa über das Wirtschaftlichkeitsgebot oder für wen ein dringender Termin wirklich nötig ist. Die aktuellen Gesetzesvorhaben könnten das Anspruchsdenken weiter befördern, meinte Reis-Berkowicz.

 

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