In der Praxis an der Bergstraße ist es jeden Tag im Einsatz: Das Polygrafie-Gerät von Hausärztin Dr. Sylvia Zayer. “Dabei ist das Schlafapnoe-Syndrom bei den meisten Patienten und auch bei vielen Kollegen noch wenig präsent”, sagt Zayer. “Aber ich bemühe mich, auf die Relevanz aufmerksam zu machen.”
Ihr Interesse am obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom entstand bei Zayer während ihrer Weiterbildung zur Anästhesistin. Nach ihrem Wechsel in die Allgemeinmedizin entschied sie sich bereits als angestellte Ärztin für den Kauf eines Polygrafie-Geräts.
Praxis-Steckbrief
Praxisform: Gemeinschaftspraxis, 2 Sitze
Anzahl Mitarbeitende: 8 MFA, 1 Auszubildende
Standort: Everswinkel, Nordrhein-Westfalen
Homepage: www.praxis-bergstrasse.de
Seit Anfang 2023 ist sie nun gemeinsam mit Praxispartner Dr. Phillip Mikah in einer eigenen Praxis niedergelassen und bietet das Schlafapnoe-Screening als einen ihrer Schwerpunkte an.
Unterschätzte Erkrankung
Aus Sicht von Zayer wird das Schlafapnoe-Syndrom noch nicht ernst genug genommen. Zwar informiere mittlerweile auch die Laienpresse häufiger zum Thema Atemaussetzer im Schlaf; viele Patienten würden ihre Ärzte aus Furcht vor der CPAP-Therapie aber nicht auf das Thema ansprechen.
Auch andere Hausärztinnen und Hausärzte überweisen ihre Patienten bisher nur zurückhaltend zum Screening. “Ich glaube, dass vielen Kollegen die breite Relevanz nicht klar ist”, meint Zayer.
“Meist schicken sie nur Non-Dipper zu uns. Dabei gibt es ganz viele andere Symptome, die auch auf ein Schlafapnoe-Syndrom hindeuten können” (s. Tab. 1 unten).
© Der Hausarzt An ein Schlafapnoe-Syndrom denke ich vor allem...
Die vielen Berührungspunkte der Schlafapnoe mit anderen Fachbereichen und Erkrankungen seien noch relativ unbekannt. “Eine Schlafapnoe bedeutet Stress für das Herz-Kreislauf-System und ist somit eigenständiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Daher macht es zum Beispiel bei Patienten mit weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren Sinn zu schauen, ob zusätzlich ein Schlafapnoe-Syndrom vorliegt.
Auch zwischen Adipositas und Schlafapnoe besteht ein wechselseitiger Zusammenhang: Übergewicht erhöht das Risiko für Schlafapnoe, weil das Fett an der Trachea den Atemraum einengt; ein vorhandenes Schlafapnoe-Syndrom erschwert durch die nächtliche Adrenalinaktivierung und den daraus resultierenden Heißhunger wiederum das Abnehmen.”
Meine Tipps für Kolleginnen und Kollegen
Denken Sie nicht nur bei der klassischen Indikation “Non-Dipper” an ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom: Ziehen Sie es differenzialdiagnostisch in Betracht, wenn assoziierte Erkrankungen vorliegen oder es sich um den “klassischen Patiententyp” handelt (s. Tab. 1). Die Tagesschläfrigkeit lässt sich mithilfe von Tests abschätzen (z.B. Epworth Sleepiness Scale, s. Tab.2).
Sensibilisieren Sie Ihre Patienten für das Thema und informieren Sie sie darüber, dass ein Screening möglich ist. Wir machen zum Beispiel über unser Wartezimmer-TV darauf aufmerksam: “Sie schnarchen oder haben nächtliche Atemaussetzer? Sprechen Sie uns an der Anmeldung an!”.
Bieten Sie selbst ein Schlafapnoe-Screening an? Dann rate ich zu einer guten Vernetzung mit Ihren Kollegen vor Ort. Informieren Sie andere Ärztinnen und Ärzte darüber, dass Sie das Screening durchführen, und arbeiten Sie mit Zahnärzten sowie einem Schlaflabor zusammen.
Testung zu Hause
Wenn Zayer ein Schlafapnoe-Syndrom vermutet, schätzt sie zunächst die Vortestwahrscheinlichkeit anhand der Epworth Sleepiness Scale ab (s. Tab. 2 unten) – das Ergebnis fließt auch in die Beurteilung des Befunds mit ein.
© Der Hausarzt Epworth Sleepiness Scale
Anschließend nehmen die Patienten das Gerät nach einer Einweisung durch die MFA mit nach Hause. “Die meisten Patienten kommen gut mit dem Gerät zurecht und legen es sich zuverlässig an”, berichtet Zayer. “Das System ist glücklicherweise nicht sehr anfällig für Fehlmessungen; die für eine valide Auswertung erforderliche Mindestzeit von sechs Stunden lässt sich bei fast jedem erreichen.”
Auch die Aussagekraft der Polygrafie sei gut, so Zayer: “Bei einem negativen Ergebnis hat der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Schlafapnoe-Syndrom; auch die positiven Ergebnisse stimmen in der Regel mit dem Befund im Schlaflabor überein”.
Infos zur Abrechnung
von Dr. Heiner Pasch, Hausarzt und Abrechnungsexperte
EBM : Die GOP 30900 ist die entsprechende Position für die ambulante Schlafapnoe-Diagnostik im EBM. Inhaltliche Voraussetzung ist unter anderem die “kontinuierliche simultane Registrierung während einer mindestens sechsstündigen Schlafphase”
der Atmung (Atemfluss, Schnarchgeräusche),
der Oxymetrie (Sättigung des oxygenierbaren Hämoglobins),
der Herzfrequenz,
der Körperlage und
der abdominalen und thorakalen Atembewegungen.
Die GOP 30900 ist mit 640 Punkten bewertet, die GOP 03040, 03220 und 03221 sind im gesamten Behandlungsfall daneben ausgeschlossen.
GOÄ : Da in der GOÄ eine vergleichbare Abrechnungsposition fehlt, empfiehlt der Gebührenordnungsausschuss der BÄK (2004)3 die kombinierte Abrechnung folgender Positionen bei kontinuierlicher Registrierung:
Nr. 653, EKG über mindestens sechs Stunden Dauer,
Nr. 602, Messung der Sauerstoffsättigung über mindestens sechs Stunden Dauer,
Nr. 605 analog, kontinuierliche Atemflussmessung an Mund und Nase über mindestens sechs Stunden Dauer und
Nr. 714 analog, kontinuierliche Registrierung der Körperlage mittels Lagesensoren über mindestens sechs Stunden Dauer.
Quellen:
1. www.kbv.de/html/ebm.php (EBM)
2. www.gesetze-im-internet.de/go__1982/anlage.html (GOÄ)
3. www.aerzteblatt.de/archiv/40692/Bekanntmachungen-Abrechnungsempfehlungen
Mehr Lebensqualität
Muss jeder Patient mit auffälligem Befund ins Schlaflabor? “Wenn die Patienten es ablehnen, jemals eine Maske zu tragen, macht eine Maskenanpassung im Schlaflabor keinen Sinn – dann kommt ohnehin nur die Unterkieferprotrusionsschiene infrage”, erklärt Zayer.
Die Unterkieferprotrusionsschiene ist seit Anfang 2022 Kassenleistung und stellt für gesetzlich Versicherte nun eine Alternative zur CPAP-Therapie dar. Zayer arbeitet hierfür mit einer Zahnarztpraxis zusammen und prüft im Verlauf der Behandlung, ob die Schlafapnoe durch die Schiene verschwindet.
Auch die jährlich oder zweijährlich notwendigen Therapiekontrollen bei CPAP-Therapie führt sie mit dem praxiseigenen Gerät durch. Dabei wird mithilfe eines T-Stücks gemessen, ob die Patienten unter den aktuellen Einstellungen ihres CPAP-Geräts noch Atemaussetzer haben.
“Die Patienten müssen dann für die Kontrolle nicht ins Schlaflabor. Dieses bietet zwar eine Polysomnografie, bei der zusätzlich die Hirnströme überwacht werden – die Schlafatmosphäre ist jedoch künstlich und der Schlaf des Patienten anders als zu Hause.”
Zusätzlich zu Maske oder Schiene seien Allgemeinmaßnahmen wichtig: Dazu zählen eine gute Schlafhygiene (s. Patienteninfo), der Verzicht auf Alkohol und späte Mahlzeiten, eine Gewichtsabnahme und das Vermeiden der Rückenlage. “Es ist immer wieder schön zu sehen, welchen Zugewinn an Lebensqualität betroffene Patienten durch die Behandlung erfahren – mit Medikamenten kann man dies in dem Umfang überhaupt nicht erreichen”, sagt Zayer.
“Das motiviert mich auch, das Thema immer wieder anzusprechen und die Patienten davon zu überzeugen, sich dieser Untersuchung zu unterziehen. Viele Betroffene wollen dann gar nicht mehr auf das CPAP-Gerät verzichten, weil sie so sehr davon profitieren: Einige lassen es zum Beispiel auf USB umrüsten und nehmen es im Urlaub mit in den Camper.”
Übrigens: Dr. Sylvia Zayer und Dr. Phillip Mikah suchen Weiterbildungsassistenten für ihre Praxis. Melden Sie sich bei Interesse gerne unter mail@praxis-bergstrasse.de .
Serie Kollegentipps
Von einer besonderen Praxisorga bis hin zum medizinischen Schwerpunkt: In “Der Hausarzt” öffnen regelmäßig Hausarztpraxen ihre Türen. Alle Serienteile unter www.hausarzt.link/kollegentipps