© doctopia Das EKG der Patientin
EKG-Befund
Das EKG zeigt einen normofrequenten Sinusrhythmus und einen Linkslagetyp. Die PQ-Zeit ist leicht verlängert, die QRS-Komplexe sind deutlich verbreitert (circa 170 ms). In I, aVL und V6 sind stumpfe, zweigipflige R-Zacken sowie T-Negativierungen zu sehen.
In den Ableitungen V1-V4 finden wir dagegen breite und tiefe S-Zacken, sodass sich insgesamt das Bild eines kompletten Linksschenkelblocks ergibt. Die Beurteilung der Erregungsrückbildung ist in Hinblick auf eine myokardiale Ischämie aufgrund des Linksschenkelblocks nur eingeschränkt möglich.
So ging es weiter
Sie führen noch am selben Tag eine Blutabnahme durch, um die Herzenzyme zu bestimmen. Das hochsensitive Troponin T ist nicht relevant erhöht, der Herzinsuffizienzmarker NT-proBNP liegt allerdings mit circa 4.000 pg/ml deutlich über dem Grenzwert.
Dieser Wert kann zwar bei eingeschränkter Nierenfunktion falsch hoch liegen, wird hier aber bei einem Grenzwert von circa 200 pg/ml so weit überschritten, dass eine Herzinsuffizienz angenommen werden kann.
Sie überweisen die Patientin in eine kardiologische Praxis. Dort zeigt die Echokardiografie einen deutlich dilatierten linken Ventrikel mit hochgradig reduzierter systolischer linksventrikulärer Funktion. Die Ejektionsfraktion (LVEF) beträgt etwa 25 bis 30 Prozent.
Der Kontraktionsablauf ist infolge des Linksschenkelblocks deutlich asynchron mit typischen Zeichen der mechanischen Dyssynchronie wie “apical rocking” und “septal flash”. Bis auf eine leichte Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz stellen sich keine relevanten Klappenvitien dar.
Wegen der neu diagnostizierten Herzinsuffizienz verzichtet die Kardiologin auf eine Ergometrie, überweist die Patientin aber zum Ausschluss relevanter Koronarstenosen zur Kardio-CT. Prinzipiell könnte auch direkt eine Koronarangiografie durchgeführt werden, Frau K. bietet aber keine kardiovaskulären Risikofaktoren.
Es wird eine medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie mit einem Betablocker, einem Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten, einem SGLT2-Inhibitor sowie Sacubitril/Valsartan initiiert. Der Betablocker und Sacubitril/Valsartan werden zunächst in einer niedrigen Dosis begonnen und im Verlauf aufdosiert.
(Anmerkung der Redaktion: Die behandelnde Kardiologin hat sich bei der Wahl der Therapie an der ESC-Leitlinie orientiert. Laut Nationaler Versorgungsleitlinie “Chronische Herzinsuffizienz” zählen SGLT2-Inhibitoren und Sacubitril/Valsartan bei Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF) nicht zur Basismedikation. Patienten mit HFrEF, die trotz leitliniengerechter Therapie mit einem ACE-Hemmer (oder Angiotensin-Rezeptorblocker), einem Betablocker und einem Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten symptomatisch sind, soll im nächsten Schritt eine Intensivierung der medikamentösen Therapie mit einem SGLT2-Inhibitor oder mit Sacubitril/Valsartan (im Austausch mit dem ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptorblocker) empfohlen werden.)
Zudem bekommt Frau K. das Diuretikum Torasemid. Die Kardiologin bespricht auch eine Beschränkung der täglichen Trinkmenge auf maximal 1,5 Liter Flüssigkeit mit ihr.
Follow-up
Nach drei Monaten stellt sich Frau K. erneut in der kardiologischen Praxis vor. Die Dyspnoe sei seit Therapiebeginn etwas besser geworden, die Beinödeme sind verschwunden und Torasemid konnte abgesetzt werden. Sie berichtet jedoch weiterhin von einer eingeschränkten Belastbarkeit. Die Koronar-CT konnte relevante Stenosen ausschließen.
Sacubitril/Valsartan ließ sich aufgrund symptomatischer Hypotonie-Episoden trotz niedrig dosiertem Betablocker maximal auf die mittlere Dosis (49/51 mg) steigern. Echokardiografisch lässt sich keine wesentliche Besserung der linksventrikulären Funktion nachweisen, die LVEF beträgt circa 30 Prozent. Das NT-proBNP ist auf etwa 2.500 pg/ml gesunken.
In dieser Konstellation besteht die Indikation zur Implantation eines Systems zur kardialen Resynchronisation, kurz: CRT. CRT-Systeme sind kardiale implantierbare elektronische Devices (CIED), die vom Grundprinzip wie ein Herzschrittmacher bzw. ICD aufgebaut sind. Sie haben jedoch zusätzlich zu den beiden Sonden im rechten Atrium und rechten Ventrikel noch eine Sonde, die über den Sinus coronarius in einer posterolateral gelegenen Koronarvene platziert wird.
Diese Sonde stimuliert die posterolateralen Anteile des linken Ventrikels, die bei einem Linksschenkelblock am spätesten erregt werden. Dadurch synchronisiert das System den Kontraktionsablauf. CRT-Systeme gibt es mit (CRT-D) oder ohne Defibrillator bzw. ICD-Funktion (CRT-P).
Sie gehören zur Standardtherapie bei Herzinsuffizienz mit hochgradig eingeschränkter systolischer linksventrikulärer Funktion (HFrEF) und Linksschenkelblock mit einer QRS-Dauer länger als 130 Millisekunden.
Nach drei Monaten ist das NT-proBNP weiter gesunken (auf 1.200 pg/ml). Frau K. ist deutlich besser belastbar, Treppensteigen sei wieder ohne Pause möglich. Die Blutdruckwerte sind im Mittel wieder etwas höher, sodass noch ein Versuch zur Steigerung von Sacubitril/Valsartan erfolgt.
Wie hilft die CRT?
Die kardiale Resynchronisation kann zwei für Patienten spürbare Stufen der Symptombesserung aufweisen. Im ersten Schritt kommt es durch die mechanische Resynchronisation zu einer akuten Steigerung des Herzzeitvolumens. Im Verlauf führt die verbesserte Mechanik zu einem reversen Remodeling, was sich auf zellulärer Ebene abspielt. Zentraler Mechanismus ist eine Rückentwicklung der pathologischen Genexpression der von Herzinsuffizienz betroffenen Myozyten.
Die klinische Ansprechrate auf die kardiale Resynchronisationstherapie liegt bei etwa 70 Prozent. Die möglichen Gründe, warum die Therapie nicht erfolgreich ist (Non-Response) sind vielfältig und umfassen eine fehlerhafte Indikation (zum Beispiel Rechtsschenkelblock im EKG), ausgeprägte Narbengebiete im linken Ventrikel oder beispielsweise eine unzureichende Resychronisationsrate durch Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern mit tachykarder Überleitung und ventrikuläre Extrasystolen.
Um einen sicheren Therapieeffekt erzielen zu können, sollte mindestens zu 98 Prozent der Zeit die Resynchronisation über die linksventrikuläre Sonde aktiv sein. Diese Parameter sind in den regelmäßig empfohlenen Kontrollen der CRT-Systeme ersichtlich. Auf Herzrhythmusstörungen kann entsprechend durch antiarrhythmische Therapien reagiert werden.
* Die Fälle der Serie werden teilweise aus akademischen Gründen etwas abgewandelt.
Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.
Doctopia (www.doctopia.de ) ist eine Online-Lernplattform “von Medizinern für Mediziner”. Auf der Webseite finden Sie nach kostenloser Registrierung eine große Bibliothek (Video-Podcasts, Karteikarten, Multiple-Choice-Fragen) aus der gesamten Breite der Inneren Medizin. Zudem hat das Team von Doctopia einen kostenpflichtigen Online-EKG-Kurs entwickelt. Dieser wurde von der Ärztekammer Berlin mit 12 CME-Punkten zertifiziert und bietet neben kompakten Erklärvideos, Karteikarten und Quizfragen einen großen Fundus an EKG-Fällen mit der Möglichkeit der interaktiven EKG-Befundung. Alle EKG lassen sich mit 50 mm/s und 25 mm/s Papiervorschub anzeigen.
Quellen:
1. Auricchio A and Prinzen FW (2011). Non-responders to cardiac resynchronization therapy: the magnitude of the problem and the issues. Circ J 75 (3):521-527
2. Prinzen FW, Vernooy K and Auricchio A (2013). Cardiac resynchronization therapy: state-of-the-art of current applications, guidelines, ongoing trials, and areas of controversy. Circulation 128 (22):2407-2418. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.112.000112
3. Ypenburg Y et al (2008). Noninvasive imaging in cardiac resynchronization therapy–part 1: selection of patients. Pacing Clin Electrophysiol 31 (11):1475-1499. doi: 10.1111/j.1540-8159.2008.01212.x