© doctopia Transthorakales Echo eines beispielhaften Patienten mit gut öffnender bikuspider Aortenklappe. Lebenslange regelmäßige Echokardiografien sind indiziert, um das in dieser Kohorte sehr häufige Auftreten eines OP-pflichtigen Aortenklappenvitiums und/ oder eines Aortenaneurysmas rechtzeitig zu erkennen.
Die bikuspide Aortenklappe ist mit 1 bis 2 Prozent Inzidenz in der Gesamtbevölkerung der häufigste angeborene Herzfehler – sie kommt damit öfter vor als alle anderen kongenitalen kardiovaskulären Fehlbildungen zusammen.
Eine familiäre Häufung wird beobachtet. Etwa 60 Prozent der Patienten mit bikuspider Aortenklappe entwickeln im Laufe ihres Lebens ein bedeutsames Vitium und circa 30 bis 50 Prozent eine relevante Dilatation der Aorta ascendens.
Eine Aortendissektion ist insgesamt selten (3 Prozent pro 10.000 Patientenjahre), jedoch achtmal häufiger als in der Normalbevölkerung. Die bikuspide Aortenklappe ist außerdem assoziiert mit der Aortenisthmusstenose und einem persistierenden Ductus arteriosus Botalli.
Der Verdacht auf eine Aortenklappenstenose wird üblicherweise zunächst durch die Auskultation gestellt. Typisches Herzgeräusch ist das spindelförmige Systolikum über dem Aortenklappenareal (zweiter Interkostalraum rechts sowie über Erb, jeweils mit Fortleitung in die Karotiden).
Die weitere Evaluation bei Verdacht auf Aortenklappenstenose erfolgt wie in diesem Fall per Echokardiografie. Wichtig ist ein holistischer Blick sowohl auf die Morphologie als auch auf die Funktion der Klappe.
Der Verdacht auf eine Aortenklappenstenose besteht direkt nach Beginn der Untersuchung, wenn sich die Klappe verkalkt und schlecht öffnend darstellt.
Nun muss mit verschiedenen Messwerten überprüft werden, ob es sich um eine leicht-, mittel- oder hochgradige Stenose handelt. Zunächst erfolgt die Messung der maximalen Geschwindigkeit sowie des mittleren Druckgradienten über der Aortenklappe.
Bei eingeschränkten Schallbedingungen oder ungeübten Untersuchern kann es hier zu einer deutlichen Unterschätzung des Schweregrads kommen. Zusätzlich wird per Kontinuitätsgleichung die Klappenöffnungsfläche berechnet.
Auch hier sind anlotungs-/schall- sowie messbedingt ausgeprägte Unter- und Überschätzungen des Vitiums möglich. Die gemeinsame Betrachtung der Morphologie sowie der Messwerte ist essenziell.
Eine hochgradige Aortenklappenstenose liegt vor bei:
einer eingeschränkt öffnenden Aortenklappe,
einem mittleren Druckgradienten über 40 mmHg,
einer Flussbeschleunigung über 4 Meter pro Sekunde
und einer Öffnungsfläche unter 1,0 Quadratzentimeter.
Wie behandeln?
Beim therapeutischen Vorgehen wird zwischen einer symptomatischen und einer asymptomatischen Aortenklappenstenose unterschieden. Eine symptomatische hochgradige Aortenklappenstenose hat eine 3-Jahres-Mortalität von 50 Prozent.
Vor allem eine neu aufgetretene Herzinsuffizienz, Synkopen und Angina pectoris sind mit einer schlechten Prognose assoziiert. Prinzipiell ist eine Aortenklappenstenose nicht mit Medikamenten therapierbar. Sie kann auch nicht repariert, sondern muss mit einer Prothese ersetzt werden.
Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Arten von Klappen-Prothesen:
Die biologische Aortenklappenprothese, bestehend aus Schweine- oder Rinderperikard, wird auf einem Stützgerüst, das heißt einem Stent, befestigt. Biologische Klappen werden bevorzugt bei älteren Patienten eingesetzt, da die Haltbarkeit auf etwa 8 bis 15 Jahre begrenzt ist. Ein großer Vorteil ist, dass keine orale Antikoagulation eingenommen werden muss. Die Implantation kann offen-chirurgisch oder transarteriell (TAVI) erfolgen.
Die mechanische Klappe, die im Inneren der zwei Flügel aus Kohlenstoffverbindungen (das heißt quasi aus bleistiftminen-artigem Material) besteht, kann für immer halten und degeneriert nicht. Der im Alltag einschränkende Nachteil ist jedoch die konsequente Einnahme einer oralen Antikoagulation, da sonst die Thrombosierung der Klappe und Embolisierung in alle arteriellen Stromgebiete drohen.
Unsere Patientin wird aufgrund ihres noch jungen Alters und der erwähnten möglichen Assoziationen anderer angeborener Herzfehler zur Vorbereitung auf eine Operation in ein Herzzentrum überwiesen.
Mittels CT wird festgestellt, dass die Aorta ascendens nicht erweitert ist. Sie erhält eine mechanische Prothese und wird mit Phenprocoumon antikoaguliert. Direkte orale Antikoagulanzien sind für mechanische Aortenklappen nicht zugelassen, in einer Studie mit Dabigatran war es vermehrt zur Thrombenbildung gekommen.
Die Patientin möchte sich zunächst in der Hausarztpraxis regelmäßig den INR-Wert messen lassen. Nach einigen Wochen beginnt sie nach entsprechender Einweisung mit der Selbstmessung zu Hause.
*Die Fälle der Serie werden teilweise aus akademischen Gründen etwas abgewandelt.
Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.
Literatur beim Verfasser.
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