Berlin. Hausärztinnen und Hausärzte sollen Patienten mit leichten Erkrankungen künftig auch nach einer rein telefonischen Konsultation krankschreiben dürfen – sofern es sich um Patientinnen und Patienten handelt, die in der Praxis bekannt sind.
Hintergrund ist eine Verständigung der Ampel-Koalitionsfraktionen auf Änderungsvorschläge, die an das geplante Gesetz zur Eindämmung von Arzneimittelengpässen angehängt werden sollen. Wie zuletzt in vielen Gesetzesvorhaben beobachtet, rutscht damit nur wenige Tage vor der abschließenden Lesung im Deutschen Bundestag ein Thema mit ins Gesetz, das nicht zum eigentlichen Themenbereich “Lieferengpässe” gehört. Der Bundestag soll Ende der Woche über das Gesetz abstimmen.
Eine der am Dienstag (20. Juni) publik gewordenen Änderungen auf der Zielgeraden beauftragt den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie anzupassen.
Patient muss “persönlich bekannt” sein
Demnach soll die Telefon-AU möglich gemacht werden für „Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen“. Außerdem zwingende Voraussetzung ist, dass die Patientin oder der Patient der jeweiligen Praxis “aufgrund früherer Behandlung unmittelbar persönlich bekannt” ist.
Wichtig in der Praxis: Der Patient muss laut Begründung des Gesetzentwurfs der Ärztin bzw. dem Arzt oder einer Kollegin bzw. einem Kollegen einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) bekannt sein.
Dass die Telefon-AU damit fester Bestandteil der Versorgung wird, begrüßt der Deutsche Hausärzteverband. Er hatte sich dafür wiederholt starkgemacht und war beispielsweise dafür eingetreten, eine Beschränkung auf einzelne Indikationen aufzuheben.
Keine Einschränkung auf Indikationen
Denn bereits in der Corona-Pandemie hatte eine Möglichkeit zur Telefon-AU bestanden. Diese war seit 2020 immer wieder verlängert worden, auch auf Drängen des Deutschen Hausärzteverbandes.
Wichtiger Unterschied in der Praxis: Die Corona-Sonderregel galt explizit für Fälle mit leichten Atemwegserkrankungen. Diese Einschränkung der Indikationen soll nun nicht mehr gelten. Im Gesetzestext ist von „Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen“ die Rede.
„Bereits in der Pandemie haben wir mit entsprechenden Regelungen für akute Atemwegserkrankungen gute Erfahrungen gemacht“, erklärte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen am Dienstag (20. Juni) der Deutschen Presse-Agentur. Mit der nun dauerhaft implementierten Regelung soll die Versorgung der Patienten vereinfacht und Arztpraxen von vermeidbarer Bürokratie entlastet werden.
EBM-Systematik muss angepasst werden
Keine Details enthalten sind in dem geplanten Passus im Lieferengpass-Gesetz zur Länge der Krankschreibung – diese war zuletzt auf sieben Tage begrenzt – sowie zur Vergütung.
Gerade letztere ist auch aus Sicht des Hausärzteverbandes entscheidend. Mit Anpassung der AU-Richtlinie sei wichtig, entsprechend auch die EBM-Systematik anzupassen. Denn eine Telefon-AU löst bislang keinen Arzt-Patienten-Kontakt aus, der aber beispielsweise für Versicherten- und Chronikerpauschalen nötig ist.
Inkrafttreten spätestens Anfang 2024
Für die Beantwortung dieser offenen Fragen und die Umsetzung in der AU-Richtlinie hat der G-BA nach Inkrafttreten des Gesetzes – voraussichtlich im August – sechs Monate Zeit. Bis dahin sollen die Regelungen konkretisiert sein, heißt es.
Im Änderungsantrag zum Lieferengpass-Gesetz findet sich darüber hinaus eine Einschränkung: “Grundsätzlich”, heißt es, “soll bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung einer Videosprechstunde wenn möglich Vorrang vor einer telefonischen Anamnese eingeräumt werden”.