Berlin/Köln. Erst vor kurzem hatte die STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlen, Evusheld® als medikamentöse Präventionsmaßnahme bei bestimmten Personengruppen ab 12 Jahren zu verordnen . Bei medizinischer Notwendigkeit regt die STIKO zudem an, die Gabe nach sechs Monaten zu wiederholen.
Evusheld® ist ein Kombinationspräparat, welches aus den beiden SARS-Cov-2 neutralisierenden monoklonalen Antikörpern Tixagevimab und Cilgavimab besteht.
STIKO-Empfehlung für bestimmte Patienten
Für folgende Patientinnen und Patienten empfiehlt die STIKO die Prophylaxe:
- Personen mit Immundefizienz (Immunschwäche), bei denen das Ausbleiben einer schützenden Immunantwort auch nach mehreren Impfstoffdosen zu erwarten ist.
- Personen mit nachgewiesener fehlender Bildung erregerspezifischer Antikörper im Blut (Serokonversion) nach der Schutzimpfung und einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf.
- Personen, bei denen Impfungen gegen Covid-19 mit keinem der aktuell zugelassenen Impfstoffe aufgrund von Kontraindikationen durchgeführt werden können und gleichzeitig Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von Covid-19 vorliegen.
Trotz der Empfehlung der STIKO warnt die KV Rheinland-Pfalz (KV RLP) auf ihrer Webseite, sich vor der Verordnung von der Krankenkasse ein Ok einzuholen. Denn es könnte ansonsten ein Regress drohen. Bei einem Patienten ab 12 Jahren und einem Gewicht von über 40 Kilogramm betrüge die Dosierung 300 Milligramm Tixagevimab und 300 Milligramm Cilgavimab.
Doppelte Dosierung nur über Off-Label-Use
Das, so schreibt die KV, entspreche der doppelten zugelassenen Dosierung von Evusheld® und einem formellen Off-Label-Use, was sich wiederum auf die Kassenleistung auswirke. Gleiches gelte für eine erneute Gabe nach sechs Monaten, so die KV RLP.
Aber kann es tatsächlich sein, dass gegen eine Ärztin oder einen Arzt, die der wissenschaftlichen Empfehlung der STIKO folgen, ein Regress verhängt wird? Im beschriebenen Fall führen mehrere Gründe zu einer theoretischen Regressfähigkeit der Verordnung, meint Rechtsanwalt Jan Ippach, Medizinrechtskanzlei Prof. Dr. Halbe und Partner, auf Anfrage von „Der Hausarzt“.
Weg für Regressantrag geöffnet
Zum einen soll Evusheld als medikamentöse Präventionsmaßnahme eingesetzt werden, zum anderen müssen Ärztinnen und Ärzte, die der Empfehlung der STIKO folgen, das Kombinationspräparat außerhalb der eigentlichen Zulassung des Arzneimittels verordnen. Damit, erklärt Ippach weiter, wird den Kassen grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, Regressanträge stellen zu können.
Wenn Ärztinnen oder Ärzte ein Arzneimittel außerhalb dessen Zulassung verordnen möchten, müssen sie also stets prüfen:
- Liegt solch eine lebensbedrohliche Erkrankung, die ohne das Medikament zum Tod führen würde, vor?
- Wurden alle zur Verfügung stehenden Methoden ausgeschöpft, gibt es Behandlungsalternativen?
Kann lediglich die Verordnung eines Arzneimittels im Off-Label-Use somit den gewünschten Behandlungserfolg erzielen, so besteht – ultima ratio – die Möglichkeit der Verordnung eines Arzneimittels außerhalb des Zulassungsbereiches, erklärt Ippach. In diesen Ausnahmefällen hätte ein entsprechender Regressantrag der Versicherer voraussichtlich keinen Erfolg.
Empfehlung ändert keinen Zulassungsumfang
Bei Evusheld® hingegen handelt es sich – auch nach der STIKO Empfehlung – ausdrücklich um eine prophylaktische Medikamentengabe, zur Senkung des Risikos eines schweren Krankheitsverlaufes.
Mit den oben geschilderten Ausführungen würde man aus juristischer Sicht deshalb zu dem Ergebnis kommen: Evusheld® sollte – jedenfalls ohne Rücksprache mit der entsprechenden Krankenkasse – nicht im Off-Label-Use verordnet werden. Ein Regressantrag einer Kasse würde dann aller Voraussicht nach erst einmal durchgreifen, so Ippach weiter, da die Voraussetzungen für die „regressfeste“ Verordnung im Off-Label-Use nicht gegeben sind.
Bei der Frage, ob die STIKO-Empfehlung den Regressantrag der Kasse toppt, meint Ippach: Gemessen an den durch die Rechtsprechung festgelegten Voraussetzungen für den Off-Label-Use – eher nein. Die rein wissenschaftliche Empfehlung, unterstreicht der Jurist, ändert ja nichts am Zulassungsumfang eines Arzneimittels.
Mit der Kostenzusage auf der sicheren Seite
Wenn eine KV nun empfiehlt, zunächst bei einer Krankenkasse nachzufragen und sich eine Zusage zur Kostenübernahme einzuholen, sagt Ippach, ist das sicher eine Möglichkeit, einen Regress zu verhindern.
Allerdings bedeute das auch zusätzlichen administrativen Aufwand für Ärztinnen und Ärzte, für den diese keine Zeit hätten. Und bei weiteren Patienten, die für die das Mittel im Off-Label-Use infrage käme, müsste jedes Mal erneut nachgefragt werden, da jeder Fall auch einzeln geprüft werde.
Kommt es zu einem Verfahren, müssen Ärztinnen und Ärzte plausibel darlegen, warum der Off-Label-Use gerechtfertigt war. Dann wird auch geschaut, was abgerechnet und dokumentiert wurde. Bei der Off-Label-Use Verordnung von Evusheld® dürfte es nach aktueller Rechtslage sehr schwierig sein, einen Regress abzuwehren, so Jurist Ippach.