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Serie ArzneimittelcoachAuf einen Blick: Rivaroxaban

In dieser Serie stellen wir die für Hausärzte wichtigsten Arzneimittel vor. Dieses Mal: das DOAK Rivaroxaban.

Arzneimittel im Überblick: Wir stellen die wichtigsten vor.

Wirkung

Rivaroxaban ist ein Oxazolidinon, sehr nahe verwandt mit dem Antibiotikum Linezolid. Es gleicht damit keinem der früher bekannten Antikoagulantien. Seine Wirkung beruht auf einer direkten Hemmung des aktivierten Faktors X (Faktor Xa). Letzterer spielt eine wichtige Rolle in der Gerinnungskaskade, da er über den Prothrombinasekomplex bewirkt, dass Prothrombin zu Thrombin umgewandelt wird.

Pharmakokinetik

Indikationen

Die Wirksamkeit von Rivaroxaban bei den wichtigsten Indikationen einer kurz- oder langfristigen Antikoagulation ist heute gut nachgewiesen. Zuerst wurde gezeigt, dass das Medikament ähnlich gut wie Enoxaparin zur Prophylaxe von Thromboembolien in der Folge von großen orthopädischen Eingriffen an den unteren Extremitäten (Hüft- oder Kniegelenkersatz) geeignet ist.

Wenig später wurde in einer großen Doppelblindstudie dokumentiert, dass Rivaroxaban bei Personen mit einem nicht-valvulären Vorhofflimmern einen Schlaganfall oder eine systemische Embolie ähnlich gut wie ein Vitamin-K-Antagonist (Warfarin) verhindern kann. In einer weiteren großen Studie ließ sich nachweisen, dass dasselbe auch für die Behandlung und Nachbehandlung einer akuten tiefen Venenthrombose zutrifft. Dies konnte dann auch für die Behandlung von Lungenembolien gezeigt werden.

Nach einem akuten Koronarsyndrom reduziert Rivaroxaban (zusätzlich zur Plättchenhemmung) allgemein die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität, führt jedoch zu häufigeren Hirnblutungen. Bei Personen mit einer stabilen koronaren oder peripheren Gefäßkrankheit ergibt eine kleine Rivaroxaban-Dosis (+100 mg Acetylsalicylsäure täglich) eine vorteilhafte Bilanz bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse und Blutungen.

Dosierung (Erwachsene)

Unerwünschte Wirkungen

Rivaroxaban hat wie andere Antikoagulantien ein relevantes Blutungsrisiko. Als gefährlich werden Blutungen intrakraniell oder in kritischen Bereichen (beispielsweise im Perikard) bezeichnet wie auch solche, die zu einer Hospitalisation oder Transfusion führen. Das Blutungsrisiko ist wohl ähnlich hoch oder etwas höher als dasjenige der Vitamin-K-Antagonisten; Hirnblutungen sind möglicherweise etwas seltener, gastrointestinale Blutungen etwas häufiger.

Gemäß indirekten Vergleichen verursacht Rivaroxaban etwas häufiger gefährliche Blutungen als Apixaban; Unterschiede zu anderen neuen Antikoagulantien sind unsicher. Harmlosere Blutungen sind zum Beispiel subkutane Hämatome, Epistaxis, Gingiva- und konjunktivale Blutungen. Es ist nicht klar, ob das Blutungsrisiko dosisabhängig ist.

Relativ häufig sind gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Bauchbeschwerden), ein Transaminasenanstieg sowie Juckreiz, Exantheme und Ödeme. Seltene Nebenwirkungen sind Thrombozytopenie, Hepatotoxizität, Haarausfall, Vaskulitis, Stevens-Johnson-Syndrom.

Kontraindikationen

Schwere Blutungen oder hohe Blutungsgefahr. Fortgeschrittene Leber- oder Niereninsuffizienz. Stark erhöhter Blutdruck. Schwangerschaft, Stillzeit.

Interaktionen

Starke CYP3A4-Hemmer (beispielsweise viele Azol-Antimykotika, Ritonavir) sollten nicht gleichzeitig mit Rivaroxaban gegeben werden. Medikamente, die sowohl CYP3A4 wie auch p-GP hemmen (zum Beispiel Amiodaron, Fentanyl) erfordern erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Blutungsgefahr.

CYP3A4-Induktoren (wie Carbamazepin, Johanniskraut) können zu reduzierter Rivaroxaban-Wirkung führen. Mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern, selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und mit Plättchenhemmern zusammen besteht eine erhöhte Blutungsgefahr.

Risikogruppen

Schwangere: Verträglichkeit in der Schwangerschaft nicht gesichert. Während einer Rivaroxaban-Therapie wird eine wirksame Kontrazeption empfohlen. In der Schwangerschaft vermeiden.

Stillende: Wird mit der Muttermilch ausgeschieden. Nicht sicher verträglich; vermeiden!

Kinder: Bei Kindern und Jugendlichen bisher ungenügend untersucht. Sollte nicht verwendet werden.

Ältere: Keine obligate Dosisanpassung. Nieren und Leberfunktion beachten!

Menschen mit Niereninsuffizienz: Dosierung bei Vorhofflimmern: Kreatinin-Clearance zwischen 30 und 50 ml/min: Maximaldosis = 15 mg/Tag. Clearance unter 30 ml/min: vermeiden.

Menschen mit Leberinsuffizienz: Bei Leberinsuffizienz und bei hepatisch bedingter Gerinnungsstörung kontraindiziert.

Hinweise

Höhere Dosen (15 und 20 mg) sollten mit den Mahlzeiten zusammen eingenommen werden. Besteht sechs Monate nach einem akuten thromboembolischen Ereignis nur noch ein geringes Rezidivrisiko, so kann die Rivaroxaban-Dosis eventuell auf 10 mg täglich reduziert werden. Bei gefährlichen Blutungen kann Andexanet der Anti-Faktor-Xa-Wirkung von Rivaroxaban entgegenwirken.

Alternativen

Je nach Indikation können sich Heparine und Vitamin-K-Antagonisten (besonders Phenprocoumon) auf eine weit umfassendere Dokumentation stützen und sind deshalb auch heute noch valable Alternativen.

Drei weitere neue orale Antikoagulantien sind erhältlich: Apixaban ist für die meisten Indikationen von Rivaroxaban auch zugelassen und hat wahrscheinlich ein geringeres Blutungsrisiko. Auch Dabigatran gleicht Rivaroxaban; Edoxaban dagegen ist noch etwas weniger untersucht.

Erhältlichkeit

Filmtabletten zu 2,5 mg, 10 mg, 15 mg und 20 mg.

Kommentar des Autors

von Dr. med. Etzel Gysling, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin

Rivaroxaban hat sich erstaunlich rasch durchgesetzt und brilliert in diversen Studien. Dass beispielsweise bei einem Vorhofflimmern die “traditionellen” Verfahren – also die Vitamin-K-Antagonisten – dennoch eine gute Option darstellen, beruht nicht zuletzt auf der zuverlässigen Möglichkeit, die Compliance zu überwachen.

Bei jeder Art von Antikoagulation ist die Blutungsgefahr zu bedenken, besonders im Zusammenhang mit anderen Medikamenten. Die verschiedenen neuen Antikoagulantien sind bisher noch kaum direkt miteinander verglichen worden. Das letzte Wort zur “besten Antikoagulation” ist daher noch nicht gesprochen.

Das sagt der Hausarzt

von Ruben Bernau, Facharzt für Allgemeinmedizin

Ich bin Landarzt und kenne eine Zeit ohne DOAKs. Die Vor- und Nachteile sind bekannt. Doch das Besondere an der hausärztlichen Entscheidungsfindung beinhaltet noch so viel mehr! Eine Auswahl an Fragen, die sich Hausärztinnen und Hausärzte stellen sollten: Wer kann Heparin spritzen? Wer kann die Eintragungen im Marcumar-Ausweis lesen und umsetzen? Sind regelhafte INR-Kontrollen in der Praxis möglich oder gar sinnvoll, da die MFA/VERAH nicht nur den INR checkt? Fallen Hausbesuche an? Soll es schnell gehen, vielleicht für eine geplante Rhythmisierung oder Vertretungspatienten?

Außerdem zu beachten: (Berufs-)Risiko für Blutungen vs. Antidot. Bequemlichkeit vs. WANZ (“Wirtschaftlich-Ausreichend-Notwendig-Zweckmäßig”)/Leitsubstanzen/Laborressourcen.

Der Hausarzt und die Hausärztin entscheiden also nicht nur auf Basis der medizinischen Beurteilung, sondern auch auf Basis der Lebenssituation des jeweiligen Patienten.

Originalbeitrag: Gysling E, 100 wichtige Medikamente. Infomed Verlag, 2020.

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