München. In Deutschland wurden bis zum 31. Mai 33 Fälle von Affenpocken gemeldet. Das hat das Robert Koch-Institut (RKI) bekannt gegeben. Mit weiteren Fällen sei in den kommenden Tagen zu rechnen.
Weltweit gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 257 bestätigte Fälle und rund 120 Verdachtsfälle aus insgesamt 23 Ländern an (Stand: 26. Mai). Todesfälle gab es demnach bisher nicht, die meisten Infektionen verlaufen mild – was allerdings natürlich auch das Risiko birgt, dass die Infektion nicht erkannt und das Virus weiterverbreitet wird.
Die WHO stuft die gesundheitliche Gefährdung der Weltbevölkerung durch das Affenpocken-Virus aktuell als „moderat“ ein, sieht aber gerade für Europa die Gefahr einer weiteren Verbreitung der Affenpocken bei im Sommer bevorstehenden Festivals und Partys.
Aber wie ist die ungewöhnliche Häufung der Affenpocken außerhalb von Endemiegebieten in West- und Zentralafrika (wo es immer mal wieder Ausbrüche gab) zum jetzigen Zeitpunkt zu erklären?
Affenpocken-Virus genetisch sehr stabil
Erste Untersuchungen weisen nicht darauf hin, dass sich das Affenpocken-Virus genetisch stark verändert hat und dadurch infektiöser geworden ist. Da es sich um ein DNA-Virus handelt, ist das Affenpocken-Virus auch generell genetisch stabiler als ein RNA-Virus (wie beispielsweise SARS-CoV-2), die Mutationsrate ist daher viel geringer.
Die Tatsache, dass Infektionen mit dem Affenpocken-Virus weltweit auftreten, macht es wahrscheinlich, dass das Virus bereits über einen längeren Zeitraum unerkannt in der Bevölkerung zirkuliert. Dazu beigetragen haben könnte die Tatsache, dass viele jüngere Menschen nicht mehr gegen die echten Pocken geimpft sind, was zu einer gewissen Kreuzprotektivität gegen die Affenpocken führt.
„Man kann davon ausgehen, dass über 50-Jährige zu 85 Prozent vor einer Infektion mit dem Affenpocken-Virus geschützt sind. Aber dadurch, dass immer weniger Jüngere geimpft sind, könnte sich der R-Wert erhöht haben und sich mehr Menschen mit dem Affenpocken-Virus infizieren“, berichtete Professorin Mirjam Kretzschmar, Universitätsmedizin Utrecht, kürzlich bei einer Veranstaltung des „Science Media Centers“. Derzeit schätzt sie den R-Wert des Affenpocken-Virus bei 1 ein. „Ich gehe nicht davon aus, dass es in der Allgemeinbevölkerung lange Infektionsketten gibt.“
Sexuelle Übertragung fraglich
Das Virus wird offenbar nur bei sehr engem Körperkontakt übertragen. Ob das Virus auch sexuell übertragbar ist, ist fraglich. Am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr München hat man zwar in der Samenprobe eines Infizierten das Virus nachweisen können.
„Aber ob das Sperma wirklich infektiös ist, wissen wir nicht, ich halte es eher für unwahrscheinlich“, erklärte Professor Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr. Meist komme es ja beim Geschlechtsverkehr zu engem Körperkontakt. „Ich glaube, das ist der hauptsächliche Infektionsweg: über den Kontakt mit infektiösen Hauteffloreszenzen. Man kann derzeit nicht sagen, dass die Affenpocken eine sexuell übertragbare Infektionskrankheit sind.“
“Virus von Risikogruppen fernhalten!”
Es sei nun wichtig, das Virus von Risikogruppen fernzuhalten, betonte Professor Clemens Wendtner, München Klinik Schwabing. „Das sind vor allem Menschen mit Immunschwäche, etwa bei einer nicht-therapierten HIV-Infektion oder Krebserkrankung. Hier sind auch schwerere Verläufe möglich.“ Mit konsequenten Quarantäne- und Isolationsmaßnahmen sowie Aufklärung der Bevölkerung habe man gute Chancen, das Virus unter Kontrolle zu bekommen.
Als Therapie könne bei schweren Verläufen das Medikament Tecovirimat eingesetzt werden. „Tecovirimat ist über das Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (STAKOB) verfügbar, aber nur in Einzelfällen und nur für besonders schwere Verläufe“, berichtete Wendtner.
Möglicherweise mache auch eine Impfung mit der in der EU zugelassenen Pocken-Vakzine Imvanex bei Risikopersonen Sinn, ebenso Ringimpfungen von Kontaktpersonen. „Das werden allerdings immer nur Einzelfallentscheidungen in einem ganz bestimmten Setting sein!“ betonte Professor Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Die ersten Impfdosen könnten laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach schon Anfang Juni verfügbar sein.