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Aus der Forschung
Unnötige Antibiotika einfach absetzen?
Eine einmal begonnene Antibiose wird oft regulär zu Ende geführt, auch wenn die Verordnung im Verlauf unnötig erscheint. Die Sorge, dass andernfalls Resistenzen entstehen, konnte jedoch durch Studien widerlegt werden. Diese zeigen, dass die Resistenzentwicklung mit der Dauer der antibiotischen Behandlung zunimmt.
Eine von Pharmafirmen unabhängig finanzierte Studie untersuchte nun in Spanien Effektivität und Sicherheit des sofortigen Absetzens einer unnötigen Antibiotikagabe bei einem Atemwegsinfekt. Dazu wurden 31 Ärztinnen und Ärzte mit mindestens 15 Jahren Berufserfahrung rekrutiert und zehn davon danach ausgewählt, ob sie die Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie anhand von Fallvignetten leitliniengerecht beurteilten.
467 erwachsene Patientinnen und Patienten, die seit weniger als drei Tagen ein eigentlich unnötiges Antibiotikum bei einem Atemwegsinfekt einnahmen, wurden zu sofortigem Absetzen oder Fortsetzen der Einnahme randomisiert. Ein Symptomtagebuch und Fragebögen erfassten Beschwerden und Komplikationen sowie Nebenwirkungen und die Zufriedenheit mit der Behandlung.
In der Absetzgruppe nahmen 25 Prozent das Antibiotikum weiter, in der Gruppe, die die Einnahme fortsetzen sollte, setzten elf Prozent das Antibiotikum ab. Die Beschwerden hielten in beiden Gruppen gleich lange an, die Gruppe mit fortgesetzter Antibiose hatte mehr Nebenwirkungen (RR: 1,47) und war etwas zufriedener mit der Behandlung.
Die Absetzgruppe hatte etwas mehr hausärztliche Wiedervorstellungen, aber keine häufigeren Vorstellungen in der Notaufnahme. Durch die Vorauswahl der teilnehmenden Ärzte lässt sich schlecht abschätzen, ob eine solche Absetzstrategie breit umsetzbar ist.
Fazit
Bei Patientinnen und Patienten mit Atemwegsinfekten konnten unnötig begonnene Antibiotika sofort abgesetzt werden, ohne dass sich die Dauer der Beschwerden veränderte oder vermehrt Komplikationen auftraten.
Quelle: DOI 10.1016/j.cmi.2021.07.035
Schulterschmerzen: Auf die Wortwahl achten!
Schulterschmerzen sind häufig unspezifisch und oft nicht klar einer spezifischen Läsion oder Pathogenese zuordenbar. Im Gespräch mit Patientinnen und Patienten nutzen Ärzte viele unterschiedliche Begriffe, die dabei unterschiedliche Erwartungen auslösen – dies wurde bereits zum Beispiel für unspezifische Kreuzschmerzen untersucht.
Mit einem Online-Experiment, in dem nach einer Fallbeschreibung sechs unterschiedliche Bezeichnungen für Schulterschmerzen verwendet wurden (subacromial impingement syndrome, rotator cuff tear, bursitis, rotator-cuff-related shoulder pain, shoulder sprain, episode of shoulder pain), befragte ein Marktforschungsunternehmen in Australien, den USA, Großbritannien, Kanada und Neuseeland 1.626 Menschen mit und ohne Schulterschmerzen nach ihren Gefühlen und Erwartungen.
Wurden die Schulterschmerzen als „subakromiales Impingement-Syndrom“ bezeichnet, gaben die Teilnehmenden am häufigsten eine psychische Belastung und Sorge vor einer ernsten Erkrankung an (circa 20 bzw. 15 Prozent), eine gute Prognose vermuteten sie am ehesten bei dem Begriff „Schulterschmerzepisode“. Die Bezeichnung „Rotatorenmanschettenruptur“ war am häufigsten mit dem Wunsch nach weiterer Diagnostik und operativer Therapie verbunden.
Die Autoren diskutieren, dass es vermutlich wenig Akzeptanz dafür geben wird, bestimmte Begriffe zu verwenden, um Sorgen oder den Wunsch nach nicht indizierter Diagnostik zu vermeiden. Sie regen aber an, mögliche Befürchtungen und Erwartungen an die Therapie im Gespräch zu thematisieren.
Fazit
Unterschiedliche Bezeichnungen für Schulterschmerzen lösen in dieser Studie unterschiedliche Wahrnehmungen und Erwartungen aus. Inwieweit sich die Ergebnisse aus dem englischen Sprachraum auch direkt auf die deutschen Begriffe übertragen lassen, ist unklar.
Quelle: DOI 10.1136/bmjopen-2021-052092
Koordinierungsstelle für die Initiative Deutscher Forschungspraxennetze (DESAM-ForNet)
Nach den sechs vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungspraxennetzen (www.desam-fornet.de/Forschungspraxennetze) stellen wir Ihnen nun die bundesweite Koordinierungsstelle vor.
Forschung in der Hausarztpraxis steht und fällt mit den regionalen Strukturen vor Ort – die gute Zusammenarbeit zwischen Praxis und regionalem Universitätsinstitut für Allgemeinmedizin ist hier essenziell. Kurze Wege und lebendiger Austausch, aktive Einbeziehung der Perspektive der Praxis und die Etablierung möglichst unkomplizierter Forschungsprozesse sind die Basis dafür, dass wir Forschungsprojekte mit hoher Relevanz für den hausärztlichen Versorgungsalltag zum Erfolg bringen können.
Parallel ist die überregionale Zusammenarbeit der in Deutschland existierenden hausärztlichen Forschungspraxennetze für die nachhaltige Etablierung einer allgemeinmedizinischen Forschungsinfrastruktur entscheidend – das unterstützt und fördert die Koordinierungsstelle.
Nur im Austausch miteinander ist es möglich, gemeinsame Standards zu harmonisieren und so beispielsweise eine anschlussfähige IT-Infrastruktur sowie vergleichbare Weiterbildungskonzepte für akademische Forschungspraxen auf die Beine zu stellen.
Langfristig ist es gut, wenn verschiedene Forschungspraxennetze die Möglichkeit haben, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam klinische Studien durchzuführen. Denn so ist es möglich, für zukünftige allgemeinmedizinische Forschungsprojekte mehr Patientinnen und Patienten als Teilnehmer zu gewinnen.
Dadurch erhalten Forschungsergebnisse höhere Relevanz und bessere Generalisierbarkeit. Hochwertige Forschung im Fach Allgemeinmedizin macht die hausärztliche Arbeit sichtbar, fördert nützliche Entwicklungen und stärkt so die Hausärzteschaft.