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ArzthaftungArzthaftungsprozesse: Dokumentation ist das A und O

Seit Jahren ist Prof. Martin Scherer als Gutachter bei Arzthaftungsprozessen tätig, in denen eine vermeintlich fehlerhafte hausärztliche Behandlung Gegenstand einer Gerichtsverhandlung ist. In seinem Vortrag auf der practica klärt er über die wichtigsten Punkte auf.

Solche Fälle von recht eindeutigen ärztlichen Fehlentscheidungen sind selten. Bewegt sich ein Hausarzt im Rahmen des Entscheidungskorridors der Leitlinien, ist er nicht nur diagnostisch und therapeutisch, sondern auch rechtlich auf der sicheren Seite.

Häufig gehe es um Fragen, ob zu wenig überwiesen oder zu spät eingewiesen worden sei wie im eingangs geschilderten Fallbeispiel. Auch eine Medikation, die ohne Überprüfung über Jahre weiterverschrieben werde, sei immer wieder Gegenstand von Arzthaftungsprozessen, erläutert Prof. Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, in seinem Vortrag zu Arzthaftungsprozessen.

Um die 14.000 Begutachtungen von Behandlungsfehlern registriert der Medizinische Dienst der Krankenkassen pro Jahr, um die 10.000 Fälle jährlich erfasst die Bundesärztekammer in ihrer Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen.

Laut Jahresstatistik der MDK- Gemeinschaft geht es in fast einem Drittel der Begutachtungen um orthopädische und unfallchirurgische Behandlungen, gefolgt von Innerer Medizin und Allgemeinmedizin mit elf Prozent. Orthopädie/Unfallchirurgie und hausärztlicher Bereich führen auch die Statistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen an.

Von 1.797 behandelten Fällen in 2019 betrafen hier 409 die Orthopädie, 218 den hausärztlichen Sektor.

Die meisten Fälle werden außergerichtlich erledigt

Ein gerichtliches Verfahren wird im Fall einer möglichen Arzthaftung – nicht nur im hausärztlichen Bereich – in der Regel nur aufgenommen, wenn es unvermeidbar ist. Der weit überwiegende Teil der Fälle wird außergerichtlich erledigt. In 90 Prozent der Fälle werde die Klage abgewiesen bzw. erst gar kein Ermittlungsverfahren aufgenommen, sagt Scherer.

Kommt der Fall vor Gericht, unterstützen Gutachter Gerichte bei der Entscheidung darüber, ob ein Behandlungsfehler vorliegt und welcher Schaden gegebenenfalls daraus entstanden ist.

Gutachter prüfen, ob der/die Beklagte “eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt (Hausarzt/Allgemeinmediziner) schlechterdings nicht unterlaufen darf”, erläuterte Scherer.

Tipp: Eine korrekte und ausreichende Befunderhebung, Anamnesefragen und Diagnostik immer umfassend dokumentieren, ebenso Abweichungen vom medizinischen Standard. So lassen sich Vorgänge im Nachhinein nachvollziehen.

“Für den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden ist entscheidend, dass bei richtiger Behandlung im Regelfall nachteilige Folgen vermieden worden wären”, sagte Scherer. Erforderlich sei ein brauchbarer Grad von Gewissheit und nicht nur von Wahrscheinlichkeit.

Ob ein Behandlungsfehler als grob beziehungsweiseschwer einzustufen ist, sei juristisch zu würdigen, so Scherer. “Der medizinische Sachverständige hat in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob ein eindeutiger Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse vorliegt und falls ja, ob der Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.”

“Hausärzte müssen nach medizinischem Standard behandeln”, stellte Scherer klar. Doch was heißt das konkret? Definiert ist der medizinische Standard als jeweiliger “Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Praxis bewährt hat”.

Wichtig zu wissen: Dieser Standard ist für alle behandelnden Ärzte rechtlich verbindlich, inhaltlich aber je nach Fachrichtung und Versorgungsstufe zu differenzieren.

“Der Arzt schuldet dem Patienten nicht in jedem Fall die objektiv richtige Diagnose, sondern zum Beispiel eine richtige Diagnostik nach den Regeln der “ärztlichen Kunst” und des medizinischen Standards”, so Scherer.

“Es kommt darauf an, was von einem gewissenhaften und sorgfältigen Arzt der betroffenen Fachrichtung nach den von ihm objektiv zu erwartenden medizinischen Kenntnissen und Fähigkeiten zu verlangen war.”

Die Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände könnten dabei – im Gegensatz zu den Richtlinien des G-BA – nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers gebotenen medizinischen Sachverstand gleichgesetzt werden, so Scherer.

“Sie können auch kein Sachverständigengutachten ersetzen und nicht ohne Weiteres als Maßstab für den Standard übernommen werden.” Die Feststellung des Standards obliege letztlich immer der Würdigung der sachverständig beratenen Gerichtsbarkeit.

“Was nicht geht: nichts oder sehr wenig dokumentieren”, riet Scherer. Auch späteres Nach-Dokumentieren sei nicht ratsam.

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