Die Diagnose “Insomnie” stellen wir, wenn Patienten Schwierigkeiten mit dem Ein- oder Durchschlafen haben und sich dies negativ auf ihre Befindlichkeit oder Leistungsfähigkeit am Tag auswirkt.
Unter solchen Schlafstörungen leiden sehr viele Menschen, in Hausarztpraxen bis zu 20 Prozent der Patienten. Frauen erkranken häufiger als Männer, die Prävalenz steigt mit dem Lebensalter an.
Insomnien sind dabei mit einer substanziellen Verminderung der Lebensqualität verbunden und erhöhen das Risiko für Folgeerkrankungen, vor allem für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Depressionen und Angststörungen [1].
Im Rahmen eines Forschungsprojekts arbeite ich gemeinsam mit Hausärztinnen und Hausärzten daran, die Versorgungssituation für Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen zu verbessern. Dabei höre ich von Ihren Kollegen oft folgende zwei Aussagen:
- “Schlafmittel haben ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil und werden in Leitlinien nicht für die Langzeitbehandlung von Schlafstörungen empfohlen. An meinem Standort ist es aber nahezu unmöglich, für meine Patienten eine spezialisierte schlafmedizinische Behandlung zu organisieren.”
- “Das Thema Schlaf spreche ich bei meinen Patienten nicht aktiv an. Das Gespräch kostet erfahrungsgemäß relativ viel Zeit und die Behandlungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt.”
Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen vermitteln, dass Schlafstörungen aus meiner Sicht relativ gut behandelbar sind und dass Sie hierbei eine wichtige Rolle einnehmen können.
Was sagt die Leitlinie?
Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin hat eine S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Insomnie veröffentlicht [2]. Diese empfiehlt, dass alle Patienten als Behandlung der ersten Wahl die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) erhalten sollen.
Dies ist eine spezifisch auf das Thema Schlaf zugeschnittene psychotherapeutische Behandlung, die vor 20 bis 30 Jahren entwickelt wurde und deren hohe Effektivität dementsprechend sehr gut untersucht ist. In Bezug auf Schlafmittel heißt es hingegen in der S3-Leitlinie “Eine medikamentöse Therapie kann angeboten werden, wenn die KVT-I nicht hinreichend effektiv war oder nicht durchführbar ist”.
Konkret ist die Kurzzeitbehandlung mit Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten und sedierenden Antidepressiva über drei bis vier Wochen effektiv, eine Langzeitbehandlung wird aufgrund des Nebenwirkungsprofils aber nicht empfohlen.
Eine medikamentöse Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen ist aber insofern problematisch, als Insomnien in der Mehrzahl der Fälle chronisch verlaufen und mindestens ein Jahr lang anhalten. Eine Behandlung mit Antipsychotika, Melatonin oder Phytotherapeutika wird in der S3-Leitlinie explizit nicht empfohlen.
Wie funktioniert eine KVT-I?
Die KVT-I besteht aus vier Bestandteilen:
- Psychoedukation: Die Psychoedukation beinhaltet die Vermittlung von einfachen Informationen zu Schlaf und Schlafstörungen. Dies umfasst unter anderem direkte Handlungsempfehlungen, etwa die Empfehlung, Alkohol nicht als Schlafmittel zu verwenden oder nachts nicht auf die Uhr zu schauen.
- Entspannungsverfahren: Regelmäßig durchgeführte Entspannungsübungen helfen gegen Ein- und Durchschlafstörungen. Vermutlich ist aber der Anteil derjenigen, die das Erlernen eines Entspannungsverfahrens abbrechen oder die ein erlerntes Verfahren nicht regelmäßig anwenden, sehr hoch.
- Bettzeitrestriktion/ Stimuluskontrolle: Die Bettzeitrestriktion ist ein Verfahren, bei dem Patienten motiviert werden, ihre Bettzeit für einen begrenzten Zeitraum stark zu verkürzen. Dies führt im Regelfall zu so starker Müdigkeit, dass Ein- und Durchschlafprobleme nach einigen Tagen deutlich abnehmen. Im Wochenrhythmus wird die Bettzeit dann langsam wieder ausgedehnt und die meisten Patienten geben nach ein bis zwei Wochen an, dass sie subjektiv tiefer schlafen als vorher und sich durch die Behandlung tagsüber besser fühlen. Bei der Stimuluskontrolle wird Patienten empfohlen, im Bett möglichst nichts anderes zu machen, als zu schlafen. So sollen Patienten aufstehen und einer angenehmen Tätigkeit nachgehen, wenn sie 15 Minuten lang nicht einschlafen können oder nachts 15 Minuten wach liegen. Zurück ins Bett sollen die Patienten dann nur gehen, wenn sie sich so müde fühlen, dass sie erwarten, innerhalb von 15 Minuten einschlafen zu können. Sowohl die Bettzeitrestriktion als auch die Stimuluskontrolle erleben viele Patienten als effektiv, aber auch als sehr mühselig, da es vorübergehend zu sehr starker Tagesmüdigkeit kommen kann.
- Kognitive Methoden: Kognitive Methoden stellen Einstellungen und Überzeugungen von Patienten infrage, die sich ungünstig auf den Schlaf auswirken. Beispielsweise kann die bei Patienten mit Schlafstörungen häufig anzutreffende Überzeugung, dass Leistungsfähigkeit und Tagesbefindlichkeit sehr stark von der Schlafdauer der vorangegangenen Nacht abhängen, mit Hilfe eines Schlaftagebuchs überprüft werden. Häufig ist bei einer solchen Überprüfung der Zusammenhang weit weniger eng, als es Menschen mit Schlafstörungen erwarten. Dadurch kann es gelingen, eine etwas gelassenere Einstellung gegenüber dem Schlaf zu entwickeln.
Was können Sie als Hausärzte tun?
Je nachdem, wie viel Zeit Ihnen mit Ihren Patienten für das Thema Schlafstörungen zur Verfügung steht, können Sie psychoedukativ arbeiten und das Erlernen eines Entspannungsverfahrens empfehlen.
Darüber hinaus vermitteln viele Hausärzte die Grundzüge der Stimuluskontrolle, denkbar wäre auch eine kurze Erläuterung der Bettzeitrestriktion. Allerdings sind Bettzeitrestriktion und Stimuluskontrolle vermutlich bei engmaschiger Betreuung effektiver, sodass hierfür oder für kognitive Methoden eine psychotherapeutische Kurzzeitbehandlung angemessener ist.
Grundsätzlich ist die KVT-I Bestandteil der Ausbildung zum Psychotherapeuten im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie, allerdings sind wenige Kollegen auf diese Behandlung spezialisiert. Um diesem Mangel an spezialisierten Psychotherapeuten Rechnung zu tragen, werden in Deutschland derzeit internet-basierte Therapieangebote entwickelt (bzw. sind bereits im Versorgungssystem etabliert), die auf der KVT-I beruhen.
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Literatur:
- Morin CM, Drake CL, Harvey AG, Krystal AD, Manber R, Riemann D, Spiegelhalder K. Insomnia disorder. Nature Reviews Disease Primers 2015;1:15026.
- Riemann D, Baum E, Cohrs S, Crönlein T, Hajak G, Hertenstein E, Klose P, Langhorst J, Mayer G, Nissen C, Pollmächer T, Rabstein S, Schlarb A, Sitter H, Weeß HG, Wetter T, Spiegelhalder K. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/ Schlafstörungen – Kapitel Insomnie bei Erwachsenen, Update 2016. Somnologie 2017;21:2–44.