DART, die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, hat es möglich gemacht: Ab dem 1. Juli 2018 kann vor der Verordnung eines Antibiotikums der Procalcitonin-Wert (PCT) bestimmt werden – und zwar budgetneutral. Dabei gilt ein Wert ≥ 0,5 ng/ml als sicherer Marker für eine bakterielle Entzündung.
Zur Anschubfinanzierung geben die Krankenkassen sechs Millionen Euro pro Jahr zusätzlich ins System. Unter anderem der PCT-Test wird für drei Jahre extrabudgetär vergütet – mit 9,60 Euro je Bestimmung. Dazu wurde eine neue Laborbudget-Schonziffer, die 32004, aus der Taufe gehoben und neben dem PCT noch diverse kulturelle Untersuchungen budgetfrei gestellt (siehe Spicker), wie bereits Kollege Gerd W. Zimmermann in Der Hausarzt 08/2018 berichtet hat.
So weit, so gut, die Laborindustrie freut sich.
Leider wurde in den Berliner Gremien unserer Selbstverwaltung offenbar aber (wie so oft) vergessen, die Realität der Basisversorger und Hauptbetroffenen dieser Regelungen ausreichend zu berücksichtigen. Auch ist das Tempo der Vorgehensweise einzigartig – Derartiges würde man sich bei der Bürokratieabschaffung wünschen.
PCT deutlich teurer
Aber der Reihe nach. Bei der Antwort auf die Frage “Antibiotika: ja oder nein?” ist das Procalcitonin dem C-reaktiven Protein (CRP) zwar sowohl bei Spezifität als auch bei Sensitivität überlegen. Allerdings ist es auch deutlich teurer. Wenig milde stimmt in diesem Zusammenhang, dass nach Recherchen des Autors weder das Labor den PCT-Test für 9,60 Euro kostendeckend erbringen kann noch wir Hausärzte den CRP-Test für 1,15 Euro (GOP 32128).
Zudem liegt das Ergebnis der nur im (Spezial-)Labor erbringbaren Leistung Procalcitonin (GOP 32459) bestenfalls am Folgetag der Konsultation vor, also wenn die therapeutische Entscheidung längst gefallen sein muss. Selbst wenn man, wie zum Beispiel bei Abstrich-Entnahme, die bereits eingeleitete Therapie nach Vorliegen des Ergebnisses abbricht, sind durch die – dann retrospektiv überflüssige – Verordnung der Antibiotikatherapie bereits Kosten entstanden. Nebenbei: Dürften wir Antibiotika als Sprechstundenbedarf beziehen, könnten wir in solchen Fällen deutlich Kosten sparen.
Allgemeinmedizin als Resistenzschutz
Aber auch sonst geht es einfacher: Allgemeinmedizinisches Arbeiten kommt größtenteils und erfolgreich ohne technische Hilfe aus und kennt auch das “wachsame Zuwarten” als Behandlungsmethode. Diese Art zu arbeiten müssen Klinikabgänger erst einmal lernen. Wenn man dann noch lernt, bei Infekten der oberen Atemwege auf die Antibiotikaverordnung zu verzichten, und wenn man leitliniengerecht die Cephalosporine der 2. und 3. Generation als Reservemittel akzeptiert, sind wir dem Ziel der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie schon sehr nahe.
Vernachlässigt hat der Bewertungsausschuss außerdem die präanalytischen Besonderheiten für den Procalcitonin-Test: das Serum ist “umgehend” einzusenden oder – wenig praxistauglich – zu zentrifugieren, abzupipettieren, einzufrieren und gefroren zu versenden.
Will heißen: Aus allgemeinmedizinischer Sicht ist die extrabudgetäre Procalcitonin-Bestimmung per (Spezial-)Labor reichlich ungeeignet, um dem Problem der Antibiotikaresistenzen Herr zu werden.
Einmal davon abgesehen birgt der Beschluss für uns Hausärzte jedoch ganz andere Gefahren: Wenn man künftig das PCT bestimmen lässt und den Wert falsch interpretiert, könnten Juristen einen Kunstfehler unterstellen. Denn über 10 ng/ml besteht der hochgradige Verdacht auf eine Sepsis und der Patient hätte eingewiesen gehört. Außerdem ist bei einem initial pathologischem Wert eine Kontrolluntersuchung zur Therapieüberwachung erforderlich.
Auf der anderen Seite droht uns ein Regress, wenn wir den PCT-Wert nicht bestimmen und trotzdem Antibiotika verordnen. Man könnte uns schlicht unterstellen, die Antibiotikatherapie sei hier gar nicht indiziert gewesen. Ob es am Ende wirklich zu juristischen Konsequenzen kommt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sollten wir genau beobachten, wie die Kassen mit der neuen Ausnahmeziffer umgehen.
Paragraf 87 Absatz 2a Satz 25 SGB V
“Der Bewertungsausschuss überprüft, in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und zur qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können, und beschließt auf dieser Grundlage erstmals bis spätestens zum 1. Dezember 2017 entsprechende Anpassungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen.”
Jetzt das Spicker-Update holen!
Die neuen Laborziffern zur Antibiotikatherapie finden Sie auf der aktualisierten Version des Labor-Spickzettels der “Rauchenden Köpfe”. In der praktischen Matrix sehen Sie auf einen Blick alle Ausnahmeziffern und Leistungen. Für die leichtere Orientierung haben die Autoren die häufigsten hausärztlichen Laborleistungen farblich markiert. Außerdem werden die Ausnahmeziffern erläutert.
Jetzt gleich kostenlos im A4- oder A3-Format herunterladen: hausarzt.link/laborspicker
Wenn Sie noch kein Passwort besitzen, melden Sie sich schnell und kostenfrei an. Bitte halten Sie dafür Ihre Einheitliche Fortbildungsnummer (EFN) bereit.
Hinter den “Rauchenden Köpfen” stecken vier Praxiserfahrene, die sich unermüdlich dafür einsetzen, Abrechnungsvorschriften praxistauglich zu machen: Dr. Sabine Frohnes,Dr. Christoph Claus, Moritz Eckert und Timo Schumacher. Aus ihrer Feder stammen etwa die bekannten EBM- undGOÄ-Spicker. Künftig wollen sie in Der Hausarzt in loser Folge Tipps zur Abrechnung publizieren.