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Forum PolitikHausärzte nur noch Erfüllungsgehilfen für Geriater?

Mit neuen EBM-Ziffern zur spezialisierten geriatrischen Diagnostik macht die KBV ein verführerisches Angebot für Hausärzte. Aber Vorsicht! Dies könnte sich als "Lizenz zum Gelddrucken" auf Kosten der Hausärzte entpuppen – und diese zu Erfüllungsgehilfen degradieren.

Am 1. Juli 2016 werden neue Ziffern zur spezialisierten geriatrischen Diagnostik in den EBM aufgenommen. Gleichzeitig tritt eine "Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach Paragraf 135 Abs. 2 SGB V zur spezialisierten geriatrischen Diagnostik" in Kraft. Sie regelt, wer die neuen Leistungen erbringen und abrechnen kann.

Was ist neu?

Künftig gibt es zwei "Abrechnungswege" für geriatrische Leistungen. Der erste tangiert Hausärzte direkt. Neben den weiter berechnungsfähigen Leistungen nach den Nrn. 03360 EBM (Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment, 122 Punkte, 2 x im Krankheitsfall) und 03362 EBM (Hausärztlich-geriatrischer Betreuungskomplex, 159 Punkte, 1 x/Quartal), können Hausärzte die Leistungen nach den

  • Nrn. 30980 EBM (Abklärung, bevor Geriater Nr. 30984 erbringen, 1 x im Krankheitsfall, 194 Punkte) und

  • 30988 EBM (Zuschlag zu Nr. 03362 bei Umsetzung Therapieplan nach Nr. 30984, 1 x im Krankheitsfall, 65 Punkte) erbringen und berechnen.

Die Nr. 30984 EBM, auf die in beiden Fällen verwiesen wird, steht für ein weiterführendes geriatrisches Assessment. Es kann einmal im Krankheitsfall (Jahr/vier Quartale) berechnet werden.

Wer kann welche Leistungen berechnen?

Dieses weiterführende geriatrische Assessment können nur Ärzte berechnen, die einen besonderen Qualifikationsnachweis nach der genannten QS-Vereinbarung besitzen (s. Abb. 2). Alternativ ist eine Abrechnung möglich, wenn eine Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung im Gebiet Innere Medizin, Allgemeinmedizin (Hausarzt) oder Physikalische und Rehabilitative Medi- zin besteht und die Behandlung von 100 Patienten im Jahr vor der Antragstellung nachgewiesen werden kann. Die Patienten müssen folgende Kriterien erfüllen:

  • ein höheres Lebensalter (ab 71 Jahren),

  • das Vorliegen von mindestens zwei der nachfolgenden geriatrischen Syndrome oder mindestens ein nachfolgendes geriatrisches Syndrom und eine Pflegestufe: Multifaktoriell bedingte Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Altersschwindel, komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art, Frailty-Syndrom (Kombinationen von unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität), Dysphagie, Inkontinenz(en), therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom.

Zusätzlich muss eine besondere geriatrische Qualifikation mit einem Umfang von 160 Stunden erworben werden. Ärzte müssen über mindestens fünf Jahre vertragsärztliche Berufserfahrung verfügen. Und: Sie müssen nachweisen, dass sie zwölf Monate in einer medizinisch-geriatrischen Einrichtung tätig waren – unter der Anleitung eines Geriaters oder eines anderen Arztes, der die fachlichen Genehmigungsvoraussetzungen unter abgeschlossener Ableistung der 12-monatigen Tätigkeit erfüllt.

Der Nachweis gilt auch als erbracht, wenn der Arzt eine mindestens sechsmonatige Tätigkeit belegen kann und er sich verpflichtet, in den folgenden vier Jahren nach Genehmigungserhalt die restliche Zeit zu absolvieren. Dieser alternative Qualifikationsnachweis kann auch durch eine Übergangsregelung erworben werden: So können Ärzte die Abrechnungsgenehmigung auch erhalten,

  • wenn sie bereits vor Inkrafttreten der QS-Vereinbarung mindestens ein Jahr an einem regionalen Strukturvertrag oder einem Vertrag zur besonderen Versorgung – der auch spezialisierte geriatrische Diagnostikleistungen zum Inhalt hat – teilgenommen haben,

  • 20 Fortbildungspunkte zu geriatriespezifischen Themen innerhalb von zwei Jahren vor Antragstellung nachweisen können.

Den Antrag müssen sie aber innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der QS-Vereinbarung stellen.

Bei dem zusätzlichen Assessment handelt es sich um eine rein diagnostische Leistung, die einen Zeitaufwand von mindestens 60 Minuten zum Gegenstand haben muss. Wird die Zeitvorgabe überschritten, können Ärzte weitere Zuschlagspositionen abrechnen. Je weitere 30 Minuten sind das die Nrn. 30985 und 30986 EBM (beide bis zu 2 x im Krankheitsfall). Maximal werden also 180 Minuten vergütet und höchstens 2.000 Punkte. Dies entspräche einem Honorar von 208,70 Euro.

Laut KBV sollen alle genannten neuen GOP extrabudgetär vergütet werden. Diese Summe würde also voll ausgezahlt.

Neben den genannten Vertragsärzten (mit Zusatzqualifikation) können geriatrische Institutsambulanzen (GIA) die Leistungen abrechnen. GIA sind teils als stationäre Einrichtungen an Kliniken angesiedelt. Sofern es in einer Region nicht ausreichend Vertragsärzte mit der geforderten Qualifikation gibt, müssen solche Einrichtungen künftig außerhalb der Bedarfsplanung zusätzlich zugelassen werden.

Zusammenspiel Hausarzt und Geriater

Hintergrund der Neuregelung ist, dass Hausärzte die Möglichkeit haben sollen, zusätzlich zu ihren eigenen geriatrischen Leistungen Zusatzinformationen durch Geriater oder GIA einzuholen. Da diese nur diagnostische Leistungen erbringen dürfen, muss es zu einem Dialog zwischen Hausarzt und Geriater/GIA kommen. Als Honorar dafür sind die neuen Leistungen für Hausärzte (30980, 30985) vorgesehen.

Im Grunde genommen ergeben sich für Hausärzte daher zwei Wege, künftig geriatrische Patienten zu behandeln:

  • Entweder, man erbringt die nötigen Leistungen weiter in der eigenen Praxis (Abrechnung unverändert nach den Nrn. 03360 und 03362). Die Vergütung ist hier aber budgetiert, da die Kassen für diese Leistungen extrabudgetär nur eine begrenzte Geldmenge zur Verfügung stellen. Hinzu kommt, dass einige KVen, zum Beispiel Hessen, diese Leistungen als Qualitätszuschlag (QZV) vergüten und damit zulassen, dass insgesamt unverbrauchte Geldmittel über den Rückfluss ins Regelleistungsvolumen (RLV) auch für andere Leistungen verwendet werden können.

  • Alternativ kann man künftig ein sicheres extrabudgetäres Zusatzhonorar erwirtschaften, wenn man mit einer spezialisierten Praxis oder einer GIA zusammenarbeitet. Wie sich der Unterschied finanziell auswirkt, zeigt Abb. 3.

Bei der Neurung han- delt es sich zweifelsohne um ein finanziell "verführerisches" Angebot. Das für Hausärzte erzielbare Mehrhonorar mit den neuen Leistungen beträgt 27,02 Euro pro Jahr/geriatrischen Patient. Voraussetzung ist, dass man mit einer spezialisierten Praxis oder GIA kooperiert und Patienten in jährlichem Abstand dort zur ergänzenden geriatrischen Diagnostik vorstellt. Die Frage ist dabei aber zunächst, ob es für das Selbstverständnis des Hausarztes zweckmäßig ist, das zu tun? Allein die momentanen Bestrebungen auf KBV-Ebene, die Geriatrie als eigenständiges Fach von der hausärztlichen Kompetenz abzugrenzen, sind gefährlich!

Hier wird ein Markt für Leistungen geschaffen, die eigentlich nicht notwendig sind, weil Geriatrie ein Teil der hausärztlichen Tätigkeit ist, die man überhaupt nicht abspalten kann. Mit der Schaffung dieser neuen spezialisierten geriatrischen Leistungen wird aber ein Sachverhalt etabliert, den wir mit diesen neuen Leistungen gewissermaßen bestätigen sollen. Man braucht uns noch, damit wir diesen Teil unserer urhausärztlichen Leistung per Delegation abgeben. Danach wird man uns das vermutlich ganz abnehmen, wie schon an anderer Stelle bei den sogenannten K.O.-Leistungen.

Vorsicht!

Hausärzte sollten sich daher gut überlegen – so verführe- risch dieses Angebot sein mag – ob man es wirklich annimmt. Dabei sollte man auch beachten, dass man hier erneut versucht, uns zu Erfüllungsgehilfen zu machen. Die geriatrische Praxis oder die GIA machen selbst nur Diagnostik und geben uns Therapieempfehlungen, die wir für ein Honorar von 6,78 Euro (Nr. 30988 EBM) umsetzen sollen. Dieses Geld reicht mit Sicherheit nicht aus, um etwa das Regressrisiko abzudecken, das uns durch diese neue Konstruktion aufgebürdet wird.

Wir kennen das doch aus anderen Bereichen: Der Orthopäde, der Neurologe verord- net keine Krankengymnastik, Logopädie oder Ergotherapie. Das machen wir und das werden wir künftig vermehrt auf "Empfehlung" der Geriatrie-Spezialisten machen müssen. Besonders delikat ist in diesem Zusammenhang, dass die neue QS-Vereinbarung vorsieht, dass die "Speziellen Geriater" mit kooperierenden Berufsgruppen wie Physio-, Ergotherapeuten und Logopäden zusammenarbeiten müssen. So etwas nennt man üblicherweise eine "Lizenz zum Gelddrucken" – allerdings zu unseren Lasten!

Abb. 2: Nötiger Qualifikationsnachweis (für Nrn. 30984-30986 EBM)

Fachliche Befähigung gilt als belegt, wenn folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung im Gebiet "Innere Medizin", "Allgemeinmedizin (Hausarzt)", "Neurologie", "Psychiatrie und Psychotherapie" mit der Schwerpunktbezeichnung "Geriatrie" oder

  • Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung "Innere Medizin und Geriatrie" oder

  • Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Geriatrie" oder

  • Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung im Gebiet "Innere Medizin", "Allgemeinmedizin", "Nervenheilkunde", "Neurologie", "Psychiatrie und Psychotherapie" oder "Physikalische und Rehabilitative Medizin" mit der fakultativen Weiterbildung "Klinische Geriatrie" bei Ärzten, die auf der Grundlage einer früheren (Muster-)Weiterbildungsordnung (vor 2003) ihre Weiterbildung absolviert haben.

Quelle: KBV

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