Wir wissen, dass zu oft Antibiotika für obere Atemwegsinfekte verschrieben werden und dass dabei Erwartungen von Arzt und Patient und manchmal die Sputumfarbe oder Vorerkrankungen eine Rolle spielen. Interessanterweise fanden nun zwei Studien in ganz unterschiedlichen Settings einen weiteren sehr pragmatischen Faktor, der zu vermehrten Antibiotikaverschreibungen führt: Beide Studien untersuchten die Antibiotikaverordnung bei oberen Atemwegsinfekten: eine im hausärztlichen Bereitschaftsdienst in Norwegen, die andere bei Patienten über 65 in Hausarztpraxen in Kanada. In Norwegen wurde leitliniengerecht nur selten eine Antibiose verschrieben (14,7 Prozent), zumeist ein Penicillin. In Kanada dagegen – obwohl Patienten in Pflegheimen oder mit schweren Vorerkrankungen ausgeschlossen wurden – erhielten 46 Prozent ein Antibiotikum, meist ein Breitspektrum- Antibiotikum. Trotz aller Unterschiede der Studien, zeigte sich ein gemeinsamer Faktor, der Antibiotikaverordnungen erhöhte: die Zahl der Patienten pro Sprechstunde
- also der Zeitmangel.
Fazit
Höheres Patientenaufkommen
- und damit weniger Zeit pro Konsultation – zeigte sich in ganz unterschiedlichen Behandlungskontexten als ein Faktor, der zu vermehrter Antibiotikaverschreibung führt. Das könnte mit erklären, warum Maßnahmen, die lediglich auf Fortbildung und Wissensvermittlung bei Ärzten gerichtet sind, selten in der Praxis Verschreibungsraten ändern.
Quelle: Bent H. Lindberg, Svein Gjelstad, Mats Foshaug & Sigurd Høye (2017): Antibiotic prescribing for acute respiratory tract infections in Norwegian primary care out-of-hours service, Scandinavian Journal of Primary Health Care, DOI: 10.1080/02813432.2017.1333301 Silverman M et al. Antibiotic prescribing for nonbacterial acute upper respiratory infections in elderly persons. Ann Inter Med 2017; 166: 765-774