Bund-Länder-RundeKlinikreform mit Folgen

Es war ein mühsames Ringen, nun stehen die Eckpunkte für eine Krankenhausreform. Im Beschluss finden sich ein neues Finanzierungsmodell für Kliniken, ein geplantes Beratungs-Werkzeug für Patienten – und aus Hausärzteverbandssicht ein entscheidender Knackpunkt für die ärztliche Weiterbildung.

Junge Ärztinnen in der Klinik: Auch für die ärztliche Weiterbildung ergeben sich aus der Klinikreform Folgen.

Berlin. Die Finanzierungsgrundlage der Kliniken soll sich grundlegend ändern: Etwa 60 Prozent der Honorare sollen sie in Zukunft dafür bekommen, dass sie bestimmte Leistungen zu überprüfbarer Qualität vorhalten. Die Einnahmen der Krankenhäuser sollen dadurch weniger stark von der Zahl der Patientinnen und Patienten abhängen, der ökonomische Druck sinken.

Das geht aus einem Eckpunktepapier zur Krankenhausreform hervor, auf das sich Bund und Länder am Montagabend (11.7.) nach langwierigen Verhandlungen geeinigt haben. In dem Beschlusspapier, das der Redaktion von “Der Hausarzt” vorliegt, heißt es, der “Anreiz auf eine möglichst hohe Fallzahl” werde dadurch gesenkt.

Über den Sommer soll jetzt ein Gesetzentwurf erarbeitet werden. In Kraft treten könnte die Klinikreform dann schon am 1. Januar 2024.

Unabhängig davon plant Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) bis Oktober ein Gesetz zur Transparenz der Kliniken, um seine alte Idee von “Leveln” unterschiedlicher Klinikgrößen und Gütestufen zu erhalten. Damit würden Veröffentlichungen möglich, mit denen Patientinnen und Patienten sähen, welche Kliniken welche Leistungsgruppen anböten, wie viel ärztliches Personal sie hätten und wie viele Operationen sie durchführten.

Dieses Werkzeug könnten auch Hausärztinnen und Hausärzte, an die solche Fragen einer “Empfehlung” bei geplanten Operationen immer wieder herangetragen werden, nutzen bzw. Versicherte darauf verweisen.

Hausärzte-Chef: “Teils unabsehbare Konsequenzen”

Darüber hinaus ist für die hausärztliche Versorgung vor allem ein – auf den ersten Blick untergeordneter – Passus von Bedeutung: Laut Beschlusspapier sollen die sogenannten Level-Ii-Krankenhäuser als Standorte der sektorenübergreifenden Versorgung “wesentlicher Bestandteil” der ärztlichen Weiterbildung werden. “Im Verbund mit anderen Kliniken sollen sie eine zentrale Rolle in der Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal bekommen”, heißt es im Eckpunktepapier.

Für Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzenden des Deutschen Hausärzteverbandes, ist dies nur eine von vielen Stellen, an denen die Reform “krankt”. Denn: Der Beschluss hätte zur Folge, “dass beispielsweise der stationäre Abschnitt in der Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt für Allgemeinmedizin primär in der stationären Basisversorgung stattfinden würde”, erklärt er. “Junge Ärztinnen und Ärzte würden weder die Notfallversorgung noch sonstige, spezialisierte Medizin wie beispielsweise die Gynäkologie oder Kardiologie kennenlernen. Das wird weder ihrem zukünftigen Aufgabenbereich gerecht, noch wird es die Attraktivität der Weiterbildung steigern.” Die jungen Kolleginnen und Kollegen würden so von einem großen Teil des ärztlichen Leistungsspektrums systematisch abgeschnitten.

Davor hatten der Deutsche Hausärzteverband und weitere ärztliche Vertretungen bereits vor der letzten Bund-Länder-Beratungsrunde am 29. Juni gewarnt. Erneut würden weitreichende Beschlüsse gefasst, “die in keiner Weise mit den Akteuren vor Ort besprochen oder abgestimmt sind – mit Teils unabsehbaren Konsequenzen”, kritisiert Beier scharf.

In der Tat sieht das Beschlusspapier vor, “dass die ärztlichen Weiterbildungsordnungen den sektorenübergreifenden Ansatz z. B. bei der Vorgabe der Mindestfallzahlen übernehmen und die Anrechnung der Tätigkeit in dieser sektorübergreifenden Gesundheitsversorgung uneingeschränkt auf die notwendigen Weiterbildungszeiten angerechnet werden”.

Dies würde die Qualität der Weiterbildung “um Jahre zurückwerfen”, warnt Beier – zumal Level-Ii-Krankenhäuser selbst gar nicht ärztlich geleitet sein müssen.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisiert, dass die ärztliche Weiterbildung zu wertvoll sei, “um sie auf einem solch niederschwelligen Altar zu opfern“. Darüber hinaus bemängelt KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister noch offene Fragen, die drastische Folgen für die Versorgung haben könnten: “Level-Ii-Häuser sollen neben der allgemeinmedizinischen Versorgung noch viele weitere Leistungen erbringen können. Wer soll das alles leisten?”, kommentiert Hofmeister. Die spannende Frage werde sein, ob man genügend Personal gewinnen könne – auch unter Hausärzten, die diese Arbeit neben ihrer Praxistätigkeit leisten müssten.

Bayern stimmte dagegen

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) war der einzige, der in der Runde aus Bund und Ländern am Montag gegen das Eckpunktepapier gestimmt hat. Er bemängelte Medienberichten zufolge eine weiterhin fehlende „transparente Folgeabschätzung, was diese Pläne konkret für die Krankenhaus-Versorgung bedeuten.“ Schleswig-Holstein enthielt sich.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) hingegen sprach nach der Einigung von einer „Art Revolution“. Die Reaktionen auf die Eckpunkte innerhalb des Gesundheitswesens fielen sehr unterschiedlich aus.

Kernpunkte im Überblick

Ein Überblick über die enthaltenen Kernpunkte:

  • Vergütung: Die Reformpläne sehen vor, dass seit langem umstrittene Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern. Das soll Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck und einem “Hamsterrad” befreien, wie Lauterbach erläuterte – also von Druck zu immer mehr Fällen und teils auch zu Eingriffen, für die keine große Expertise besteht. Künftig soll es daher einen großen Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten geben.
  • Aufgabenteilung: Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen künftig genauer definierte Leistungsgruppen sein – also zum Beispiel “Kardiologie” statt grober Bezeichnungen wie “Innere Medizin”. Dafür müssen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen erfüllt sein. Das führt zu einer Konzentration vor allem komplexerer Behandlungen wie bei Krebs auf spezialisierte Krankenhäuser. Die kleinen Kliniken könnten sich dabei auf das konzentrieren, was sie besonders gut könnten, nämlich einfache Fälle zu versorgen, erläuterte Lauterbach.
  • Transparenz: Lauterbach plant auch ein “Transparenzgesetz” und will Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken als Information für Patientinnen und Patienten veröffentlichen. Dies will der Bund zum 1. Januar 2024 umsetzen. Transparent gemacht werden soll dafür die Verteilung der Leistungsgruppen auf die Kliniken und eine Einteilung des Netzes in “Level” – von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken. Eine stärker steuernde Funktion dieser Level direkt in der Reform hatten die Länder bereits zuvor abgelehnt.
  • Zeitplan: An der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs sollen für die Länderseite Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen sowie für die Belange Ostdeutschlands Mecklenburg-Vorpommern beteiligt werden. Lauterbach sagte, der Zeitplan stehe, dass die Reform zum 1. Januar 2024 in Kraft treten soll. Die konkrete Umsetzung in den Budgets der Kliniken soll erst in den Jahren danach schrittweise wirksam werden.
  • Finanzen: Gerangel gab es zuletzt noch um Forderungen der Länder nach einer vorgeschalteten Extra-Finanzspritze des Bundes angesichts akuter Finanznöte vieler Kliniken. Lauterbach sagte auch mit Blick auf die Haushaltslage, das werde geprüft, fügte aber gleich hinzu: “Ich kann da keine Hoffnungen machen.” Bis die Reform wirke, würden leider noch Kliniken in die Insolvenz gehen – das liege aber daran, dass die Reform nicht schon früher gemacht worden sei.

Quelle: mit dpa

 

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