Schlafstörungen sind ein überaus häufiges Thema in der Hausarztpraxis. Oft erschweren Zeitmangel, Komorbiditäten und ein wechselnder Leidensdruck die Diagnostik, Differentialdiagnose und Behandlung. Ein- und Durchschlafstörungen nehmen in allen Gesellschaftsschichten zu, genauso wie schlafbezogene Atmungsstörungen (Schnarchen, Upper-Airway-Resistance-Syndrom und Obstruktive Schlafapnoe). Die häufigsten Schlafstörungen lassen sich relativ einfach erkennen und eingrenzen und somit zunächst selber angehen oder einer gezielten Diagnostik und -therapie zuführen.
Die Schlafmedizin ist eine relativ junge Disziplin, die sich seit Anfang der 1980er Jahre in Deutschland zunehmend professionalisiert. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) zählt aktuell etwa 2.300 Mitglieder, es gibt derzeit etwa 350 von der DGSM akkreditierte und in etwa noch einmal so viele nicht-akkreditierte Schlaflabore in Deutschland. Als Qualifikationen bestehen die Zusatzbezeichnung „Schlafmedizin“ der Ärztekammern und der Titel „Somnologe/Somnologin“ der DGSM. Schlafmedizin ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, das so gut wie sämtliche andere Facharztdisziplinen und besonders auch die hausärztliche Tätigkeit betrifft.
Erholsamer Nachtschlaf ist die einzige nachhaltige Regenerationsphase des Organismus und ist – etwas vereinfacht gesprochen – mit der Akku-Aufladung des Smartphones vergleichbar: Hängt das Handy (der Organismus) zu wenig Stunden am Ladegerät (Schlaf ), entspricht dies einer Ein- und Durchschlafstörung (quantitative Schlafstörung). Ist aber das Ladekabel defekt, entspricht dies einer qualitativen Schlafstörung (zum Beispiel Obstruktive Schlafapnoe), bei der es trotz ausreichender Schlafdauer nicht zu Erholung und Entmüdung kommt. Patienten berichten teils über ausgeprägte Tagesmüdigkeit, Sekundenschlaf und Leistungsverlust. Insomnien und schlafbezogene Atmungsstörungen machen den Großteil der in der hausärztlichen Praxis relevanten Schlafstörungen aus und treten nicht selten komorbid auf. Männer leiden häufiger unter Schnarchen und Schlafapnoe, Frauen öfter unter Insomnien.
Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien)
Temporäre Ein- und Durchschlafstörungen kommen in vielen beruflichen, privaten und krankheitsbedingten Stressphasen vor und sind häufig selbstlimitierend, wenn der Stressor abebbt. Für mildere Formen eignen sich pflanzliche Schlafhilfen wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Lavendel oder die abendliche Gabe von 500mg L-Tryptophan. Kombinationspräparate wirken oft besser als die Einzelsubstanzen. Spezielle Mikronährstoffpräparate können ebenfalls gute Dienste leisten. Ab einer kontinuierlichen Dauer von drei bis vier Wochen sollte ärztlich behandelt werden, da sich sonst die Gefahr einer Mal-Adaptation des Schlafverhaltens und einer Chronifizierung erhöht. Dabei kann man sich als Faustformel an der „Dreierregel“ orientieren: länger als drei Wochen, häufiger als dreimal pro Woche und länger als drei Stunden pro Nacht.
Ein Restless-Legs-Syndrom (RLS) sollte immer ausgeschlossen werden, Schilddrüsenstörungen oder ein unzureichend eingestellter Hypertonus und Diabetes auch. Primäre Insomnien (psychophysiologisch, nichtorganisch) sprechen in der Regel gut auf die kurzzeitige Gabe von Z-Substanzen (Zolpidem 10mg, Zopiclon 7,5mg) an. Die Behandlungsdauer sollte zunächst 14 Tage am Stück nicht überschreiten, bei hohem Leidensdruck sind vier Wochen möglich. Schlafhygienische Beratung gehört immer dazu.
Muss länger als zwei bis vier Wochen behandelt werden, sollte auf niedrig dosierte Trizyklika wie Amitriptylin (5 bis 20 Tropfen oder 25 bis 75mg), Trimipramin (20 bis 40 Tropfen) oder Doxepin (5 bis 20 Tropfen) umgestellt werden, um die Gewöhnungs- und Absetzprobleme der Z-Substanzen nicht zu forcieren. Die Tropfen sollten bei Einschlafstörungen eine Stunde, bei Durchschlafstörungen 30 Minuten vor Zubettgehen in ein Glas Wasser eingeträufelt eingenommen werden. Trizyklika führen zu Beginn der Behandlung oft zu einem morgendlichen Overhang, der aber meist nach ein bis zwei Wochen abflacht. Opipramol (50 bis 100mg), Mirtazapin (3,75-15mg) oder Circadin (2mg retardiertes Melatonin) sind mögliche Alternativen bei Unverträglichkeit von Trizyklika.
Alle Insomnien, die nicht binnen sechs Monaten wieder verschwinden, sollten zum Schlafmediziner überwiesen und polysomnographiert werden. Denn bei bis zu 40 Prozent aller länger bestehenden Insomnien finden sich bei genauem Hinsehen (Polysomnographie) organische Komorbiditäten (meist SBAS oder Restless-Legs), die die Insomnie triggern oder unterhalten. Stellt sich in der Polysomnographie eine nichtorganische Insomnie heraus, sollten psychotherapeutische Maßnahmen in Kombination mit längerfristiger Medikation erfolgen, bis diese nicht mehr nötig ist.
Schlafbezogene Atmungsstörungen
Jeder zweite Mann ab 40 und jede zweite Frau ab Mitte 50 schnarcht. Jeder fünfte unbehandelte starke Schnarcher bekommt im Laufe des Lebens eine Obstruktive Schlafapnoe, die erhebliche Implikationen auf Herz, Gefäße, Stoffwechsel, Kognition und Psyche hat. Die Obstruktive Schlafapnoe (OSAS) ist das führende Krankheitsbild in deutschen Schlaflaboren, Insomnien werden schwerpunktmäßig nur in circa zehn Einrichtungen bundesweit behandelt. 70 Prozent der Schlafapnoiker sind übergewichtig, 30 Prozent nicht. Kommt es zur Akkumulation von Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen, tritt in über 80 Prozent der Fälle ein OSAS zur anatomisch-funktionell-metabolischen Problematik dazu. Sämtliche Faktoren verstärken sich gegenseitig.
Durch viele polysomnographische Daten aus der niedergelassenen Schlafpraxis wissen wir, dass es eine große Menge an unerkannten Upper Airway Resistance Syndromen (UARS) gibt. Sie weisen weder einen pathologischen Apnoe-Hypopnoe-Index auf (AHI = Anzahl der Apnoen und Hypopnoen von mindestens zehn Sekunden Dauer pro Stunde), noch entsättigen sie nennenswert in der Pulsoxymetrie. Die Patienten klagen aber trotzdem über teils ausgeprägte Tagesmüdigkeit und entwickeln fast ebenso häufig eine arterielle Hypertonie.
Sind AHI und SaO2 nicht pathologisch, werden die Patienten nur selten in ein Schlaflabor überwiesen und laufen so teilweise jahrelang unbehandelt von Arzt zu Arzt. Es führen nämlich bereits moderate Atemflussverminderungen, die beim starken Schnarcher aufgrund der pharyngealen Engstelle entstehen, zu ständigen Mikroarousals und Fragmentationen des Schlafprofils, zu erheblichen Schwankungen der nächtlichen Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Erholsamkeit.
Es gibt zwei Möglichkeiten für den Hausarzt, selber Schlaf zu messen: Die 8-Kanal-Polygraphie, die neben GOÄ nach Absolvierung eines BUB-Kurses (z.B. über die DGSM) mit der Ziffer 30900 nach EBM berechenbar ist, oder mittels preisgünstigen Zweikanalscreenern, die neben Atemfluss, Pulsoximetrie und Herzfrequenz teilweise auch Schwankungen der Pulswellenlaufzeitgeschwindigkeit messen. Diese Parameter können als indirekte Arousalmarker herangezogen werden, da sie die bei fast allen Mikroweckreaktionen mit auftretenden vegetativen Arousals anzeigen.
Bislang können die einfach zu handhabenden Geräte nur als GOÄ- und Selbstzahlerleistung abgerechnet werden. Goldstandard zur Stufendiagnostik ist die Polygraphie, nach der GKV-Versicherte auch ins Schlaflabor eingewiesen werden können. Neben automatischen CPAP-Geräten (APAP) setzen sich bei starkem Schnarchen, UARS und leichter bis moderater Schlafapnoe auch immer mehr – von Zahnärzten, HNO’lern oder Schlafmedizinern – selbst angefertigte Unterkieferprotrusionsschienen durch.