Konkurrenz mit Krankenkassen und Kliniken, der bevorstehende Ruhestand vieler bei gleichzeitig ausbleibendem Nachwuchs, mangelnde Wertschätzung seitens der Politik: Bei der Gewinnung von medizinischem Fachpersonal stehen Hausarztpraxen vor großen Herausforderungen. Das wurde beim berufspolitischen Forum des 29. Sächsischen Hausärztetags einmal mehr deutlich.
Gemeinsam überlegten dort Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Landesärztekammer und Kassen mit dem Landeshausärzteverband, wie Medizinische Fachangestellte (MFA) für Hausarztpraxen gewonnen, gehalten und weiterqualifiziert werden können.
“Dafür Lösungen zu finden, ist eine Aufgabe, die wir uns als Verband gestellt haben”, sagt Verbandsvorsitzender Dr. Torben Ostendorf. Doch es brauche Anstrengungen und Vernetzung auf den verschiedensten Ebenen.
Zufriedenheit in der Ausbildung erhöhen
Erik Bodendieck, Facharzt für Allgemeinmedizin und Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, sieht ein Problem in der hohen Abbruchquote während der Ausbildung. Sie liege zwischen 10 bis 20 Prozent. Hier brauche es veränderte Rahmenbedingungen.
Die Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) kennt das Problem ebenfalls und führte unter rund 500 MFA im Jahr 2021 eine Umfrage durch, um mehr über die Gründe zu erfahren. 54 Prozent der Befragten, die sich gegen eine Weiterführung ihrer Ausbildung entschieden hatten, gaben unter anderem “Unstimmigkeiten mit Vorgesetzten” an. 62 Prozent berichteten von einem “schlechten Umgang im Team”.
90 Prozent berichteten von “gereizten Patientinnen und Patienten”. 79 Prozent klagten über “Zeitdruck”. In der Pandemie konnten MFA viele Überstunden nicht abbauen. Außerdem vermissten sie Wertschätzung und Anerkennung.
Bessere Vorbereitung auf die Abschlussprüfung
Seit Jahren beanstandet die Landesärztekammer Sachsen die Häufung schlechter Prüfungsergebnisse. Die meisten fallen, so Bodendieck, bei den praktischen Prüfungen durch. Abhilfe könnten aus seiner Sicht Prüfungsvorbereitungskurse schaffen. Dagmar Neukirch (SPD), Staatssekretärin für Soziales in Sachsen, brachte zudem die Idee ins Spiel, eine Beratungsstelle für MFA in der Ausbildung zu schaffen.
Aktiv auf potenzielle Nachwuchs-MFA zugehen
Die Ärztekammer ist Ausbildungsstelle für die MFA und damit verantwortlich für die Ausbildung. An die Ärzteschaft appelliert Bodendieck jedoch, sich mehr einzubringen, wenn es darum geht, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen: “Wir brauchen Sie als Ausbilder, die uns dabei unterstützen, gemeinsam mit Ihren MFA in die Schulen und auf Berufsmessen zu gehen, um das Berufsbild der MFA vorzustellen.”
Ein Ansatz, den die Linken-Abgeordnete Susanne Schaper teilt: “Die beste Werbung für den Beruf kann die MFA selber machen, die anderen empfehlen kann, diesen Beruf zu ergreifen.”
Auch für Dr. Susann Hennesthal, stellvertretende Vorsitzende im Sächsischen Hausärzteverband, ist das aktive Zugehen auf junge Menschen eine sinnvolle Strategie: “Denn ein Kontakt zwischen Schule und Arbeitswelt findet in diesem Bereich praktisch nicht statt.” Jugendliche hätten kaum eine Vorstellung davon, wie interessant der Beruf der MFA sei und wie stark er sich weiterentwickelt.
Gezielt Männer für den Beruf begeistern
Eine weitere Ressource sieht Hennesthal in der Akquise männlicher Bewerber: “Wir sollten verstärkt auf die Männer zugehen. Denn Digitalisierung oder Hausbesuche machen den Beruf sicher auch für sie attraktiv.”
Interessantes Detail: Zwar ergreifen wesentlich weniger Männer den Beruf zum MFA, finanziell stehen sie aber oft besser da als ihre Kolleginnen. Laut Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit beträgt in der Altersgruppe der 25 bis 54-Jährigen bundesweit der Durchschnittsverdienst der Frauen 2.558 Euro, während Männer im Schnitt 2.879 Euro erhalten.
Mehr MFA für die Vollzeit gewinnen
Eine weitere Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen, sah das Podium in Bemühungen, mehr MFA von der Vollbeschäftigung zu überzeugen. Landtagsabgeordnete Kathleen Kuhfuß (Grüne) warf die Frage in den Raum: “Wie bekommen wir die Leute dazu, 40 Stunden zu arbeiten?”
Nach Angaben des Verbandes medizinischer Fachberufe, der sich auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Juni 2021 bezieht, sind gerade mal 52 Prozent aller MFA in Vollzeit beschäftigt. Viel Potenzial also. Das Thema Kinderbetreuung dürfte in diesem Zusammenhang jedoch von besonderer Bedeutung sein.
Mit politischer Hilfe Gehälter nachbessern
“Von der Politik wünschen wir uns, dass adäquat gegenfinanziert wird, was wir als Teams in der Hausarztpraxis leisten. Wir brauchen Rahmenbedingungen, durch die die Ärzteschaft so bezahlt wird, dass MFA nach einheitlichen Tarifen bezahlt werden können”, so Landesverbandschef Ostendorf.
Nirgendwo sonst in Deutschland werden MFA so schlecht bezahlt wie in Sachsen: Laut Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit bekommen ausgebildete MFA hier 2.123 Euro brutto im Monat, während MFA in Hamburg im Schnitt 2.673 Euro brutto verdienen.
Ein riesiges Problem, findet auch Verbandsvize Hennnesthal: “Es ist wichtig, dass wir unsere MFA so bezahlen können, wie es beispielsweise Krankenkassen können. Die Unterschiede sind gewaltig. Sie verdienen bei den Krankenkassen bis zu 1.500 Euro brutto mehr bei deutlich geringerer Arbeitsbelastung.”
Wertschätzung und Teamgedanken steigern
Um ihre MFA zu halten, hat sich Susann Hennesthal für ihr Praxisteam etwas Besonderes ausgedacht. Denn Wertschätzung und positive, gemeinsame Erlebnisse, so ihre Erfahrung, sind die beste Prävention gegen Burn-out und helfen durch schwierige Zeiten: “Wir machen einmal im Jahr eine Burn-out-Prophylaxe.
Das heißt: Wir fahren dann in ein schönes Hotel und gehen mal zusammen wandern oder auch mal zusammen in die Sauna – obwohl wir uns alle Siezen. Doch das funktioniert super und ich denke, auch das bringt etwas.”