Berlin. So mancher Angehöriger musste bislang bei einem Unfall oder einer schweren Erkrankung des nahestehenden Menschen mit Schrecken feststellen, dass er nicht berechtigt ist, in der Notsituation etwas zu entscheiden.
Damit nicht ein Fremder beziehungsweise ein durch ein Gericht bestimmter Betreuer in der Notsituation entscheiden darf, konnte nur eine zuvor schriftlich fixierte Vorsorgevollmacht schützen.
Zumindest für Ehegatten und Partner eingetragener Lebenspartnerschaften ändert sich hier etwas mit dem reformierten Betreuungsrecht zum 1. Januar 2023. Dann dürfen sich Eheleute und eingetragene Lebenspartner in einer Notfallsituation (Unfall oder Erkrankung) gegenseitig vertreten und über Regelungen im Bereich der Gesundheitssorge für den nicht einwilligungsfähigen Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner entscheiden.
Ehegatten dürfen nicht getrennt leben
Das gilt zumindest dann, wenn ansonsten vorab keine Regelungen – wie etwa eine Vorsorgevollmacht oder eine Generalvollmacht – getroffen wurden. Geregelt ist das neue Notvertretungsrecht in Paragraf 1358 BGB.
Allerdings sieht der Gesetzgeber Einschränkungen vor. So gilt die Vertretungsregel maximal für sechs Monate. Außerdem dürfen die Ehepartner nicht getrennt voneinander leben.
Sollte die betreuende Ärztin oder der Arzt wissen, dass der einwilligungsunfähige Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner nicht von seiner Gattin oder seinem Gatten vertreten werden will, tritt das Notvertretungsrecht ebenfalls nicht in Kraft.
Klassisches Beispiel: Schlaganfallpatient
Aber woher sollte eine Ärztin oder ein Arzt wissen, dass der Ehegatte tatsächlich berechtigt ist, seinen Partner zu vertreten?
Am besten, sagt Henriette Marcus, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, lässt sich das an einer Fallkonstellation erklären. Wenn die Ehefrau zum Beispiel die Hausärztin oder den Hausarzt zu einem dringenden Hausbesuch ruft und dort stellt die Ärztin/der Arzt fest: der Ehepartner hat einen schweren Schlaganfall erlitten.
Der Patient kann sich deshalb ad hoc nicht mehr selbst um seine gesundheitliche Versorgung kümmern und Entscheidungen mangels Einwilligungsfähigkeit nicht mehr selbstbestimmt für sich treffen. Dies wäre ein klassischer Fall, in dem das Notvertretungsrecht akut nötig wird und eintreten könnte, sagt Marcus.
Ärztin bzw. Arzt muss Voraussetzungen bestätigen
Sofern der gesunde Ehepartner gegenüber der Ärztin oder dem Arzt im obigen Beispiel bekundet, dass er das Vertretungsrecht ausüben möchte, benötigt er von der Ärztin bzw. dem Arzt, der den Schlaganfall und die Hilfslosigkeit festgestellt hat, eine Bescheinigung. In der bestätigt die Ärztin bzw. der Arzt, dass die Voraussetzungen der Ehegattenvertretung vorliegen.
In der Bescheinigung muss außerdem eingetragen werden, ab wann das Vertretungsrecht greift. Die Ärztin oder der Arzt müssen sich außerdem vom Ehegatten schriftlich bestätigen lassen, dass das Vertretungsrecht bisher noch nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund für das Ehegattenvertretungsrecht vorliegt.
Mit der Bescheinigung ist der vertretende Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner berechtigt, das Vertretungsrecht weiter auszuüben. Er muss es bei allen Vertretungshandlungen im Bereich der Gesundheitssorge vorlegen.
Musterformular für Praxen
Für solche Fälle, sagt Marcus, haben das Bundesministerium der Justiz, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein Musterformular für Ärztinnen und Ärzte bereitgestellt. Anhand dieser Bescheinigung werden behandelnde Ärzte von ihrer Schweigepflicht gegenüber dem Ehegatten entbunden.
Der gesunde Partner ist mit der Bescheinigung auch in der Lage, in die Krankenunterlagen einzusehen, medizinische Entscheidungen zu treffen, wichtige Dinge zum Beispiel mit der Krankenversicherung zu klären oder mit anderen behandelnden Ärzten/Kliniken/Gesundheitseinrichtungen Behandlungsverträge im Namen des erkrankten Ehegatten abzuschließen – eben alle Angelegenheiten, die sonst über eine Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung abgedeckt sind.
Zeit für weitergehende Regelungen
In dem halben Jahr, erklärt Marcus weiter, hat der betreuende Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner auch die Gelegenheit, sich um das weitere Betreuungsrecht zu kümmern bzw. dieses zu beantragen.
Mit der Regelung ist zumindest bei Ehegatten und Partnern eingetragener Lebenspartnerschaften gesichert, dass – sofern keine Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung vorliegt – kein fremder Betreuer vom Gericht bestellt wird und die Person, die dem Verunfallten bzw. Erkrankten nahesteht, für diesen Entscheidungen treffen kann.
BÄK, DKG und Bundesjustizministerium
Das Formular und weitere Erläuterungen zum Notvertretungsrecht hat die Bundesärztekammer (BÄK) und auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) auf ihren Websites eingestellt. Bei der DKG ist das Formular zu finden unter: Musterformular eingestellt (herunterscrollen bis 2022 Ehegattennotvertretungsrecht).