Möchten Angestellte auch nach Renteneintritt weiter in der Praxis tätig sein, sollten rechtlich dabei drei Fragen geklärt werden.
1. Fortsetzung eines bestehenden Arbeitsvertrages oder Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages?
Wird der Wunsch nach Fortsetzung im noch laufenden Arbeitsverhältnis und vor Erreichen des Renteneintrittsalters geäußert (Regelaltersgrenze in Abhängigkeit vom Geburtsjahrgang zwischen 65. und 67. Lebensjahr), kann ein bestehender Arbeitsvertrag angepasst werden, der eine automatische Beendigung durch Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze vorsieht. Darin kann schriftlich vereinbart werden, dass die Arbeitnehmerin über die Regelaltersgrenze hinaus weiterbeschäftigt wird.
Wichtig: Die Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über das – auch mehrfache – Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses muss schriftlich und zeitlich vor dem Eintritt der Regelaltersgrenze getroffen werden.
Sieht der bestehende Arbeitsvertrag keine automatische Beendigung durch Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze vor, läuft das Arbeitsverhältnis regulär bis zur ordentlichen Kündigung durch eine der Vertragsparteien dauerhaft und unbefristet weiter, parallel zu dem zwischenzeitlichen Renteneintritt der Angestellten.
Kehrt hingegen eine frühere Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter nach Renteneintritt und zwischenzeitlichem Ruhestand wieder in die Praxis zurück, oder soll zum Beispiel eine qualifizierte Rentnerin neu eingestellt werden, ist ein neuer Arbeitsvertrag schriftlich abzuschließen.
Merke: Prüfen Sie den bestehenden Arbeitsvertrag darauf, ob eine automatische Beendigung mit Eintritt eines Rentenbezugs oder mit Eintritt der gesetzlichen Regelaltersgrenze der Arbeitnehmenden vereinbart ist. Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses muss schriftlich und zeitlich vor dem Eintritt der Regelaltersgrenze zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden.
Soll das Seniorenarbeitsverhältnis neu abgeschlossen werden und (üblicherweise) nach einem bestimmten Zeitraum wieder enden, soll also ein neuer befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu beachten, das auch für Seniorenarbeitsverhältnisse gilt.
Aus Arbeitgebersicht ist die Befristung solcher Arbeitsverhältnisse zu empfehlen, weil eine ordentliche Kündigung im unbefristeten Arbeitsverhältnis stets risikobehafteter ist, als die automatische Beendigung. Ein Arbeitsverhältnis für neue Angestellte, die nie zuvor in der Praxis beschäftigt waren, kann zum Beispiel ohne Sachgrund nur bis zu einer Dauer von maximal zwei Jahren befristet werden (Paragraf 14 Abs.2 TzBfG).
Die Regelung des Paragrafen 14 Abs.3 TzBfG, wonach ein Arbeitsverhältnis ehemaliger Mitarbeiter bis zu einer Dauer von maximal fünf Jahren grundlos befristet werden darf, wenn die Arbeitnehmenden das 52. Lebensjahr überschritten haben und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos waren, ist rechtlich umstritten. Deshalb ist davon abzuraten.
Eine vertragliche Befristung ist bei Bestehen eines geeigneten Sachgrundes deutlich besser und rechtssicherer zu erzielen, etwa bei einer Vertretung für begrenzte Zeiträume wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Elternzeit, oder für den Zeitraum der Einarbeitung von neuen Beschäftigten in der Praxis (BAG, Urteil vom 11.02.2015, Az. 7 AZR 17/13).
Auch dann, wenn es dem Wunsch des Arbeitnehmenden zur zeitlich begrenzten Beschäftigung entspricht, kann die Befristung eines Arbeitsvertrags nach Paragraf 14 Abs.1 S.2 Nr.6 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein – in dem Fall kommt es darauf an, dass der Arbeitgebende beweisen kann, dass der Arbeitnehmende auch bei Vorliegen eines Angebots zum Abschluss eines unbefristeten Vertrags nachweislich trotzdem nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte, so das BAG im genannten Urteil.
Merke: Beim Neuabschluss eines Seniorenarbeitsverhältnisses ist dem Arbeitgebenden die Befristung des Arbeitsvertrages zu empfehlen. Dabei sollten Sie sich grundsätzlich an eine einmalige sachgrundlose Befristung für eine Dauer von maximal zwei Jahren halten.
2. Verschiebung des Renteneintrittszeitpunktes oder Arbeit in/neben der Rente?
Im Seniorenarbeitsverhältnis kann die Rente aufgeschoben werden, wenn das Arbeitsverhältnis nach Punkt 1 zwischen den Vertragsparteien (fort-) besteht und sich die oder der Mitarbeitende entscheidet, die Rente hinauszuschieben und die gesetzliche Altersrente trotz Eintritt der Regelaltersgrenze noch nicht in Anspruch zu nehmen.
Ebenfalls besteht die Möglichkeit, neben dem Rentenbezug parallel weiterzuarbeiten. Der oder die Mitarbeitende kann in dem Fall entscheiden, ob er weiterhin Rentenversicherungsbeiträge bezahlen möchte, um die eigenen Rentenansprüche weiter zu erhöhen, oder nicht.
Wer das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht und daneben weiterarbeiten möchte, kann seit Januar 2023 durch das 8. SGB IV-Änderungsgesetz nun unbegrenzt hinzuverdienen. Eine Anrechnung auf die Rente erfolgt seither nicht mehr. Nur beim Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind von Arbeitnehmenden noch Hinzuverdienstgrenzen zu beachten.
3. Arbeits- und sozialrechtliche Regeln im Seniorenarbeitsverhältnis
Wird ein bestehender Arbeitsvertrag nach Eintritt der Regelaltersgrenze fortgesetzt oder ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen, sind alle arbeitsrechtlichen Gesetze, Regeln und Grundsätze zu beachten, die auch sonst im Arbeitsrecht Anwendung finden (insbesondere zu Kündigungsschutz, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Teilzeit- und Befristungsregeln oder Mindestlohngesetz). Wie alle Arbeitsverträge muss dies schriftlich festgehalten werden.
In derselben Vereinbarung zur Verlängerung der Vertragslaufzeit dürfen nach der Rechtsprechung auch keine inhalt- lichen Änderungen (z.B. Lohnänderung, Arbeitszeitreduzierung) am Vertragsinhalt vereinbart werden, um die Wirksamkeit einer Befristung nicht zu gefährden. Schließlich gilt auch für Seniorenarbeitsverhältnisse eine Sozialversicherungspflicht, wobei der Gesetzgeber Ausnahmen vorgesehen hat.
Merke: Auch der Seniorenarbeitsvertrag unterliegt wie jeder andere Arbeitsvertrag dem Schriftformer- fordernis laut Nachweisgesetz. Alle allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetze und Regelungen sind gleichermaßen auf das Seniorenarbeitsverhältnis anzuwenden; bei den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen bestehen Besonderheiten.
Sozialversicherungsfrei können Angestellte nach Renteneintritt nur als Minijob geringfügig beschäftigt werden. Hier ist die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12,41 Euro seit 1. Januar 2024 zu beachten. Die Verdienstgrenze im Minijob ist dadurch auf 538 Euro pro Monat oder auf 6.456 Euro im Jahr zum Jahresbeginn gestiegen.
Sozialrechtlich gilt, dass Arbeitgebende auch im Seniorenarbeitsverhältnis nach Eintritt der Regelaltersrente verpflichtet bleiben, die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe des Arbeitgeberanteils weiter zu zahlen. Dies gilt, obwohl in der gesetzlichen Altersrente (Vollrente) kein Anspruch der Versicherten auf Krankengeldbezug besteht.
Gleiches gilt für die gesetzliche Rentenversicherung. Arbeitgebende bleiben in jedem Fall verpflichtet, weiterhin Rentenversicherungsbeiträge in Höhe des Arbeitgeberanteils zu zahlen, während die Arbeitnehmenden hier ein Wahlrecht haben.
Für Arbeitnehmende besteht ab Eintritt der Regelaltersgrenze grundsätzlich Rentenversicherungsfreiheit. Möchten Mitarbeitende die Rente weiter aufstocken und Rentenversicherungsbeiträge zahlen, müssen sie auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichten. Der Arbeitgebende hat dann auch den Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung abzuführen.
Auch hinsichtlich der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung besteht im Seniorenarbeitsverhältnis nur für Arbeitnehmende mit Eintritt der Regelaltersgrenze eine Versicherungsfreiheit; der Arbeitgebende bleibt hier weiterhin verpflichtet, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe des Arbeitgeberanteils zu zahlen.
Merke: Der Arbeitgebende bleibt im Seniorenarbeitsverhältnis verpflichtet, den Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungen abzuführen. Für die Arbeitnehmenden bestehen teilweise Befreiungen oder ein Wahlrecht. Es bestehen für Arbeitnehmende keine Hinzuverdienstgrenzen mehr nach Eintritt der Regelaltersgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung, sofern keine Erwerbsminderungsrente bezogen wird.
Fazit
- Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes im bestehenden Arbeitsverhältnis, das eine automatische Beendigung durch Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze vorsieht, ist rechtlich einfacher zu gestalten als der spätere Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrages.
- Im Seniorenarbeitsverhältnis können Arbeitnehmende entweder die Rente aufschieben und die gesetzliche Altersrente trotz Eintritt der Regelaltersgrenze noch nicht in Anspruch nehmen oder neben dem Rentenbezug parallel weiterarbeiten. Seit Januar 2023 bestehen keine Hinzuverdienstgrenzen mehr für Rentnerinnen und Rentner, außer bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
- Im Seniorenarbeitsverhältnis müssen Arbeitgebende auch nach Eintritt der Regelaltersgrenze alle Sozialversicherungsbeiträge in Höhe des Arbeitgeberanteils vollumfänglich zahlen, während Arbeitnehmende teilweise befreit sind oder wählen können.