In gute HändeWas rechtlich bei der Abgabe der Praxis zu beachten ist

Mit ausreichend Zeit und gut informiert können Hausärztinnen und Hausärzte ihre Nachfolge rechtssicher regeln.

Wer führt das Lebenswerk nach der Rente weiter? Eine Praxisabgabe will geplant und vorbereitet sein. Seine Zulassung zurückzugeben und die Tür abzusperren ist für die meisten Hausärzte die am wenigsten attraktive Variante, ihren über Jahre aufgebauten und gut geführten Betrieb aufzugeben.

Nicht jeder Hausarzt stellt seine Nachfolge über eigene Kinder sicher oder hat schon lange einen Weiterbildungsassistenten oder Kollegen zur Hand, der Interesse an einer Übernahme hat. Und selbst dann sind jedenfalls in Gebieten, in denen die Zulassung beschränkt ist, gesetzliche Vorgaben zu beachten.

Darauf weist Joachim Schütz, Geschäftsführer und Justiziar des Deutschen Hausärzteverbands, regelmäßig in Vorträgen zur Praxisabgabe hin.

Wie kann die Praxisabgabe gut funktionieren? Was gilt es zu beachten? Wie kann eine Zulassungsübergabe innerhalb eines MVZ, einer BAG oder ÜBAG gestaltet werden?

Wichtig: Langfristig planen, frühzeitig organisieren. Die optimale Vorbereitungszeit einer Praxisabgabe wird auf drei bis fünf Jahre geschätzt.

Der erste Schritt ist die Entscheidung für die Modalität der Praxisabgabe. Möglich sind:

  • Verzicht auf Zulassung
  • Ausschreibung der Praxis zwecks Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V
  • Verzicht auf Zulassung zugunsten einer Anstellung im MVZ oder eines Vertragsarztes

Verzicht auf Zulassung

Verzichtet der Vertragsarzt auf seine Zulassung, kann die Kassenärztliche Vereinigung den Vertragsarztsitz in gesperrten Planungsbereichen ausschreiben. Das gilt auch bei Tod des Praxisinhabers sowie Entzug der Zulassung. Voraussetzung ist, dass der Zulassungsausschuss einem entsprechenden Antrag entsprochen hat.

Ausschreibung der Praxis/Gesellschaftsanteile zwecks Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V

Liegt die abzugebende Praxis in einem Gebiet, für das Zulassungsbeschränkungen gelten, wird das Nachbesetzungsverfahren durch einen Antrag auf Ausschreibung des Sitzes eingeleitet. Dafür muss der Zulassungsausschuss zunächst dem Ausschreibungsverfahren zustimmen. Erst dann kann über die Auswahl und Zulassung entschieden werden.

Jeder Arzt, der Interesse an einer Übernahme der Praxis oder eines Gesellschaftsanteils hat, muss sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung bewerben. Voraussetzung für die Teilnahme am Auswahlverfahren ist, dass der Bewerber die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger fortführen will. Bewerber müssen gesetzlich definierte Kriterien erfüllen (siehe Kasten 1).

Der Zulassungsausschuss muss eine Liste der eingehenden Bewerbungen erstellen. Der abgebende Vertragsarzt hat zwar die Möglichkeit, sich mit einem Bewerber zivilrechtlich über die Übernahme der Praxis zu einigen. Trotzdem besteht die Pflicht zur Ausschreibung auch dann, wenn bereits ein Wunschnachfolger gefunden wurde.

Dieser Kandidat muss sich ebenfalls auf die Ausschreibung hin bewerben, auch dann, wenn es sich dabei um den Ehegatten, Lebenspartner oder ein Kind des abgebenden Vertragsarztes handelt.

Wichtig zu wissen: Bei einer BAG kann ein Bewerber, mit dem die anderen Mitglieder der BAG aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht zusammenarbeiten können, nicht als Nachfolger zugelassen werden. Welches Gewicht in einer BAG den Interessen der schon bestehenden Mitglieder zukommt, hängt wesentlich von Intensität und Dauer der bisherigen Zusammenarbeit ab. (BSG, Urt. v. 11.12.2013 – B 6 KA 49/12 R)

Stellen mehr als ein Bewerber Antrag auf Zulassung, hat der Zulassungsausschuss den geeignetsten Kandidaten auszuwählen. Dies geschieht nach pflichtgemäßem Ermessen.

Wichtig zu wissen: Das Verfahren dauert in der Regel sechs bis neun Monate.

Der Zulassungsausschuss kann den Antrag auf Ausschreibung ablehnen, wenn er eine Nachbesetzung aus Gründen des Versorgungsgrads für nicht erforderlich hält. Er soll ihn qua Gesetz ablehnen, wenn der Versorgungsgrad über 140% der Fachgruppe im Planungsbereich liegt.

In diesem Fall sieht der Gesetzgeber eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen als nicht erforderlich an (§ 103 Abs. 1 S. 3, Abs. 3a S. 7 SGB V).

“Soll” und “kann” heißt nicht muss. Folgende Ausnahmen gelten:

  • Der Nachfolger war bereits mindestens 5 Jahre vertragsärztlich in einem unterversorgten Gebiet tätig, wobei der Landesausschuss das Bestehen der Unterversorgung festgestellt hat
  • Der Nachfolger ist Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes
  • Der Nachfolger ist seit mindestens drei Jahren angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde
  • Der Nachfolger verpflichtet sich, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereiches zu verlegen, in dem nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund einer zu geringen Arztdichte ein Versorgungsbedarf besteht
  • Bei der Nachbesetzung werden Festlegungen nach § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V (Mindestquoten) befolgt
  • Die BAG / das Anstellungsverhältnis wurde vor dem 5.3.2015 begründet.
  • Nach aktuellem Stand besteht nur in wenigen Planungsbereichen eine Überversorgung, bei der der Versorgungsgrad über 140% liegt.

Verzicht auf Zulassung zugunsten einer Anstellung im MVZ oder eines Vertragsarztes

Eine Vertragsarztpraxis darf in eine Zweigstelle eines bestehenden MVZ umgewandelt werden, unabhängig davon, ob das MVZ im selben Planungsgebiet liegt. Diese Umwandlung gilt als bedarfsplanungsneutraler Vorgang.

Die für eine Genehmigung dieser “Umwidmung” notwendige Versorgungsverbesserung kann auch darin liegen, dass die bestehende Praxis am Ort weitergeführt und damit die ortsnahe Versorgung der Patienten aufrechterhalten wird.

Wichtig zu wissen: Bei der Einbringung eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ gilt eine Drei-Jahres-Beschäftigungsfrist (Bundessozialgericht BSG, 04.05.2016 – B 6 KA 21/15 R).

Der verzichtende Arzt muss grundsätzlich drei Jahre lang in der Anstellung tätig sein, bevor der Vertragsarztsitz durch einen Nachfolger im Weg einer Anstellungsgenehmigung neu besetzt werden kann.

Dies ist bei Erklärung des Verzichts auf die Zulassung bei der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Antrag auf Anstellungsgenehmigung mit einem auf drei Jahre befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag zu belegen.

Die Arbeitszeit kann nach dem ersten Jahr schrittweise reduziert werden; dies ist der KV anzuzeigen. Vertragsarztrechtlich beinhaltet diese Variante einen Verzicht auf die Zulassung, zivilrechtlich einen Verkauf der Praxis bzw. der Gesellschaftsanteile. Eine Ausschreibung ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Das SGB V sieht zudem die Möglichkeit der Rückumwandlung eines Anstellungsverhältnisses in einen Vertragsarztsitz vor “sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen oder halben Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 4, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.” (§ 95 Abs. 9b)

Bei der Prüfung, ob der Anstellung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen, ist die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots des MVZ durch den Arzt zu berücksichtigen.

Sonderfall Viertel-Zulassung

Mit Neuregelung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes ist die Beschränkung der Versorgung auf einen ¾-Sitz möglich. Für die Nachfolgeregelung gelten hier dieselben Voraussetzungen wie für die Übergabe eines vollen Vertragsarztsitzes.

Obwohl eine Viertel-Zulassung nicht explizit vorgesehen ist, gehen Juristen davon aus, dass die Einführung einer Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes im Umfang eines ¼-Versorgungsauftrages so zu verstehen ist, dass der Nachfolger eine “echte” Zulassung i.S.v. § 95 Abs.1 S.1 SGB V erhält. Damit verfügt er im Ergebnis über eine Zulassung mit einem Versorgungsauftrag von ¼.

Tipp: Steuerungsmöglichkeiten im Nachbesetzungsverfahren erzeugen.

Joachim Schütz, Geschäftsführer und Justiziar im Deutschen Hausärzteverband, nennt dafür mehrere Möglichkeiten:

  • Gründung von (überörtlichen) Berufsausübungsgemeinschaften. Dies sichert die Ausschreibung zwar nicht ab, wenn die BAG weniger als die gesetzlich für eine Nachfolgeentscheidung definierten drei Jahre besteht, eröffnet aber Möglichkeiten der Steuerung der Nachfolgerauswahl.
  • Verzicht zugunsten der Anstellung bei einem anderen Vertragsarzt/MVZ, um Nachbesetzungsverfahren (§ 103 Abs. 3a, 4 SGB V) vermeiden
  • Gründung von MVZ

Kommentar

von Jan Ippach, LL.M., Rechtsanwalt Prof. Dr. Halbe & Partner Rechtsanwälte mbB

Das Durchschnittsalter vertragsärztlich tätiger Hausärztinnen und Hausärzte lag in Deutschland nach letzten Erhebungen bei 55 Lebensjahren. Bis zum Ende 2021 ist vorhergesagt, dass rund 2.000 Hausärzte aus Altersgründen ihre Tätigkeit aufgeben.

Kommunale Förderung für das Ansiedeln hausärztlicher Praxen und die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nur Beispiele für Anreize, die in den vergangenen Jahren zum Erhalt der hausärztlichen Versorgung – gerade in ländlichen Gebieten – geschaffen wurden.

Egal, ob Neu-, Wieder- und Quereinstieg: Wer eine hausärztliche Praxis übernehmen möchte, beabsichtigt von den oftmals überaus guten Rahmenbedingungen (Patientenstamm, Praxisorganisation und -reputation etc.) zu profitieren.

Gleichzeitig scheuen junge Ärztinnen und Ärzte häufig das unternehmerische Risiko, das mit einer Praxis-übernahme verbunden ist. Die Nachfolgersuche will also gerade vor diesem Hintergrund gut und langfristig geplant sein.

Die Übergabe der eigenen Praxis stellt einen rechtlich komplexen Vorgang dar, insbesondere, wenn sich die Praxis in einem gesperrten Planungsbereich befindet. Je früher man sich mit der Nachfolgethematik auseinandersetzt, umso größer sind die Möglichkeiten, die bestehenden Gestaltungsalternativen aufzugreifen und das bestmögliche Nachfolgeszenario für alle Parteien – Praxisabgeber und -nachfolger – zu erreichen.

Flexible Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Angestelltentätigkeit und “sanfter Einstieg” spielen für den hausärztlichen Nachwuchs bei seinen Überlegungen eine große Rolle.

Gleichzeitig zeigt sich durchaus die Bereitschaft – nach späterer Umwandlung des Angestelltensitzes in eine vertragsärztliche Zulassung – auch das unternehmerische Risiko mitzutragen. Der Wunsch nach Entlastung von Investitionen und unternehmerischen Risiken bleibt jedoch bestehen.

Diese Erwartungshaltungen sind mit dem Leitbild des “Einzelkämpfers” in der Hausarztpraxis nicht unbedingt zu vereinbaren. Es gilt also für die abgabewilligen Praxisinhaber frühzeitig Strukturen zu etablieren, die mehr den Wünschen junger Hausärztinnen und -ärzte entsprechen.

Dabei sind die Handlungs- und Gestaltungsoptionen, um die “Abgeber-Praxis” frühzeitig vorzubereiten und “aufzuwerten”, nicht so rar, wie oftmals gedacht. So kann die Gründung bzw. Umwandlung in ein Hausarzt-MVZ das Mittel der Wahl sein; ebenso die Umwandlung der Einzelarztpraxis in eine Berufsausübungsgemeinschaft oder gar die Gründung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft.

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