Kassel. Als das Praxisteam einer pädiatrischen BAG in Sachsen-Anhalt den Defekt bemerkte, war es schon zu spät: Wegen eines kaputten Relais funktionierte die Temperaturregelung im Praxiskühlschrank nicht mehr richtig.
Nach der Empfehlung von Apotheker und Impfstoffhersteller entsorgte die Praxis den Impfstoff und orderte neuen zulasten der Gesetzlichen Krankenkassen.
Eine ganze Weile später erhielt die Praxis Post von der Prüfungsstelle, die wegen des neu beschafften Impfstoffs einen Regress gegen die Praxis in Höhe von 24.394,91 Euro forderte. Dagegen zog die Praxis vor Gericht.
Die Kinderärzte verwiesen auf einen Fall höherer Gewalt. Außerdem stellten sich auf den Standpunkt, die Verordnung sei nicht unwirtschaftlich gewesen, da der neue Impfstoff schließlich ordnungsgemäß verimpft worden sei.
Praxischef kann Risiko minimieren
Die Argumente überzeugten die Kasseler Richter des Bundessozialgerichts (BSG) nicht. Grundsätzlich trage der Vertragsarzt das Risiko der Lagerung und bestimmungsgemäßen Verwendung von Impfstoff.
Technische Fehler eines Medikamentenkühlschranks könnten zwar nie vollständig ausgeschlossen werden, heißt es im Terminbericht zum BSG-Urteil. Allerdings könne der Arzt das Risiko eines Schadens aber sehr wohl beeinflussen. „Durch Auswahl, Wartung und Überwachung der Praxisausstattung kann die Gefahr von Sachschäden so gering wie möglich gehalten werden“, erklärten die Sozialrichter. Auch habe die Praxis Einfluss darauf, wie viel Impfstoff eingekauft bzw. gelagert werde.
In der Gesamtschau unwirtschaftlich
Weiterhin könne ein Arzt auch Vorsorge treffen (etwa durch einen Abschluss einer Versicherung). Dies unterliege seiner freien unternehmerischen Entscheidung.
Sollte tatsächlich höhere Gewalt vorliegen – zum Beispiel in Form einer Naturkatastrophe – könne ein entstandener Schaden durchaus auch anders beurteilt werden, so die Kasseler Richter. Solch eine Konstellation liege im vorliegenden Fall jedoch nicht vor.
Das Argument, dass die neu georderten Impfstoffe ordnungsgemäß verimpft worden seien und insofern auch keine Unwirtschaftlichkeit vorliegen könne, wischten die höchsten Richter ebenfalls vom Tisch. In der Gesamtschau sei die Vernichtung des verordneten Impfstoffes anstelle der zweckentsprechenden Verwendung als unwirtschaftliches Verordnungsverhalten zu werten.
Bundessozialgericht, Urteil vom 29.6.2022, AZ: B 6 KA 14/21 R