WirtschaftlichkeitsprüfungArzneibudget für Regress oft nicht mehr entscheidend

Seit 2017 etablieren sich regional unterschiedliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Vielerorts gelten für Ärzte jetzt Durchschnittswerte und Zielquoten bei Arzneien. Bei Biosimilars zieht der Gesetzgeber jetzt die Schrauben an – ein paar Tipps für die Praxis.

Wirtschaftlichkeitsprüfungen von Arzneiverordnungen sind für viele Hausärzte ein Rätsel. Einerseits sind die Prüfvereinbarungen oft kryptisch formuliert (s. Kasten). Andererseits hat der Gesetzgeber zu Beginn des Jahres 2017 die Regelungen neu strukturiert, sodass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) seitdem neue Wege der Verordnungssteuerung erproben (“Der Hausarzt” 13/2015). Diese variieren von Region zu Region erheblich: Beispielsweise existieren Richtgrößenprüfungen, Durchschnittswerteprüfungen und Prüfungen nach Zielwerten. Wie unterscheiden sich diese Vorgaben?

Wegfall des Arzneibudgets

Der Preis eines Arzneimittels ist in einigen KV-Regionen nicht mehr der entscheidende Maßstab, der bestimmt, welcher Arzt aufgrund seiner Verordnungsweise auffällig geworden ist:

  • Das Einhalten von Zielquoten oder das Nichtüberschreiten eines fachgruppenspezifischen Durchschnittswerts gilt in einigen KV-Regionen als neuer Maßstab.
  • Die neuen Prüfmethoden haben zur Folge, dass nicht mehr ein vorher bekannter Wert (Arzneimittelbudget) einzuhalten ist.
  • Ein “Arzneimittelbudget” gibt es für Hausärzte nur noch in den folgenden KV-Regionen: Baden-Württemberg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Westfalen-Lippe.

Die Durchschnittswerteprüfung

Bei der Prüfung nach Durchschnittswerten werden die Verordnungskosten einer Praxis mit dem Durchschnitt der jeweiligen Fachgruppe verglichen. Die Durchschnittswerte werden erst nach dem jeweiligen Verordnungszeitraum berechnet und können deshalb nicht im Voraus angegeben werden.

Auswirkung auf die Praxis: Der Durchschnittswert ist praxisnäher und bietet mehr Schutz vor Rückzahlungen. Denn nehmen die Verordnungen ins- gesamt zu, fällt auch der Durchschnitt der Fachgruppe höher aus – so zum Beispiel bei einer Erkältungswelle (s. Abb. 1). Der einzelne Arzt wird damit erst ab einer höheren “Schwelle” auffällig.

Prüfung nach Zielquoten

Als ein weiteres Steuerungselement haben sich die für jede KV-Region festgelegten Zielquoten etabliert. Diese können für verschiedene Arzt- und Wirkstoffgruppen jeweils unterschiedlich sein. Einige orientieren sich am Medikationskatalog der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).Insbesondere Biologika rücken dabei in den Fokus (s. Kasten): Jüngst hat das Bundesgesundheitsministerium KVen und Kassen verpflichtet, regional Verordnungs- und Wirtschaftlichkeitsziele für biologische Arzneimittel festzulegen.

Auswirkung auf die Praxis: Die Zielquoten beziehen sich häufig auf die definierten Tagesdosen von Arzneimitteln (DDD, Defined Daily Doses). Der Preis eines Medikaments ist dann für die Prüfung des Arztes nicht mehr relevant.

Nach wie vor spielt der Preis eines Arzneimittels aber natürlich bei der Verhandlung von KVen und Kassen über die Zielquoten eine Rolle.

Schutz vor Regress

Fallen Ärzte statistisch aufgrund höherer Verordnungskosten auf, müssen sie jedoch nicht sofort einen Regress fürchten. Seit 2012 greift hier zunächst die Regelung “Beratung vor Regress”. Außerdem sehen viele der neuen Prüfvereinbarungen Übergangsfristen vor (zum Beispiel wenn sich Ärzte neu niederlassen oder ein neues Prüfverfahren eingeführt wird), während derer nicht sanktioniert wird. Trotzdem ist es Ärzten immer zu empfehlen, die Entscheidung für eine Therapieoption in der Patientenakte gut zu begründen. So können sie bei einer Prüfung auf ihre Dokumentation zurückgreifen.

Grundregeln für die Praxis:

  • Werden Ärzte erstmals bei statistischen Prüfungen auffällig, erfolgt zunächst eine individuelle Beratung, bevor weitere Maßnahmen festgesetzt werden.
  • Ärzte, bei denen vor mehr als fünf Jahren eine Maßnahme festgesetzt wurde, gelten bei erneuter Auffälligkeit wieder als “erstmalig auffällig” und erhalten erneut eine “Beratung vor weiteren Maßnahmen”.
  • Individuelle Praxisbesonderheiten, die bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung beantragt werden können, verlangen eine sorgfältige Dokumentation, da Ärzte die Beweislast tragen.
  • Dokumentiert werden können neben Diagnose, Vorbehandlungen und Wirkansprechen auch individuelle Therapieumstände wie das Therapieversagen anderer Behandlungsoptionen oder mangelnde Adhärenz.

 

FAZIT

  • Die 2017 neu eingeführten Prüfmethoden haben zur Folge, dass oft nicht mehr ein vorher bekannter Wert (“Arzneimittelbudget”) einzuhalten ist. Stattdessen gelten das Einhalten von Zielquoten oder das Nichtüberschreiten eines fachgruppenspezifischen Durchschnittswertes in einigen KV-Regionen als neuer Maßstab.
  • Die Durchschnittswerteprüfung orientiert sich verstärkt am realen Verordnungsverhalten.
  • Bei Zielquoten ist der Preis eines Arzneimittels jetzt von geringerer Bedeutung für Ärzte als noch bei der früheren Richtgrößenprüfung.
  • Die Begründung für eine Therapieoption sollten Ärzte in der Patientenakte trotzdem gut dokumentieren, um bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung besondere Therapieumstände geltend machen zu können.

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor ist Mitarbeiter des DeutschenArztPortals.

 

Quellen:

1. Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg: Prüfvereinbarung über das Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung nach Paragraf 106 SGB V (Prüfvereinbarung)

2. Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen: Video “Richtgrößen-Ablösepaket der KVN”

 

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