Gerade nimmt Impfen generell wieder an Fahrt auf. Warum ist die Hausarztpraxis dafür der richtige Ort?
Dr. Hans-Michael Mühlenfeld: Nur die Hausarztpraxis ist ein zentraler Ort zur Dokumentation, hier werden Diagnosen, also die Indikation, sowie die Kontraindikationen zusammengeführt und festgehalten.
Wir haben den Überblick über die Erkrankungsgeschichte, wissen, welche Kontraindikationen oder besonderen Umstände wie Allergien etc. beim Einzelnen zu beachten sind. Besonders wertvoll wird so eine zentrale Dokumentation, wenn beispielsweise jemand seinen Impfpass verliert. Wenn aber in der Apotheke, beim Zahnarzt oder Orthopäden geimpft wird, fragmentiert das die Versorgung.
Wie kann dabei das Praxisteam helfen?
Sie können sehr viele Teilbereiche des Impfens an qualifizierte MFA delegieren (s. Link-Tipps links): Vom Suchen nach Impflücken, über eine Impfempfehlung, die Beratung bis hin zur Impfung selbst. Grundsätzlich trage ich als Arzt aber immer die Verantwortung und muss im Impfpass unterzeichnen.
Welche Voraussetzungen sind bei der Delegation zu beachten?
Ärztinnen und Ärzte obliegen verschiedene Pflichten, etwa die Auswahl-, Unterweisungs- oder Überwachungspflicht (s. Link-Tipps). Meine MFA oder VERAH® (Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis) müssen dafür ausgebildet sein und ich muss mich davon überzeugt haben, dass sie das Impfen beherrschen.
Dies sieht formal das MFA-Curriculum vor; sicher sein kann ich aber bei der VERAH®, weil dies bei deren Prüfung nochmals kontrolliert wird. Daneben muss für Patienten wie MFA klar sein, dass jederzeit eine ärztliche Rücksprache möglich ist, beispielsweise für Fragen zu Nebenwirkungen. Das ist in der Hausarztpraxis – anders als in der Apotheke – immer gegeben.
Dürfen MFA auch Patienten zuhause oder im Heim impfen?
Ja, aber hier müssen wir Ärzte den Einzelfall abwägen. Neben den genannten Bedingungen müssen wir besonders prüfen, wie hoch die Gefahr ist. Ein Beispiel: Die Risiken einer Grippeimpfung sind sehr niedrig. Gerade wenn Patienten die Impfung bisher gut vertragen haben, kann ich diese delegieren. Das kommt übrigens auch den Patienten zugute.
Inwiefern profitieren Patienten?
Als hausärztliches Team haben wir den ganzen Menschen im Blick. Meine Arztzeit wird aber oft für die akuten Probleme benötigt.
Wenn ich ergänzend meine VERAH® bitte, einen Hausbesuch etwa zur Wundversorgung zu machen, kann ich im VERAH®-Protokoll (s. Link-Tipp) ankreuzen, dass sie auch den Impfstatus prüft. So können nach Rücksprache mit mir Impflücken geschlossen werden.
Und wie sieht es bei Corona- Impfungen aus?
Anfangs waren wir zurecht sehr vorsichtig, weil die Impfstoffe neu waren. Aber jetzt wurden weltweit Milliarden Dosen geimpft und die Daten zeigen: Die meisten vertragen die Impfungen sehr gut.
Hinzu kommt, dass Komplikationen wie allergische Reaktionen eh selten sind – und je öfter sich jemand impft, desto seltener werden sie. Heißt für mich: Die erste Corona-Impfung übernehme ich. Wenn sie gut vertragen wird, kann aber die Auffrischungen zum Beispiel die MFA durchführen.