Erst wurden im Jahr 2002 Gutachten umsatzsteuerpflichtig, dann rückte mit Zunahme der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) die Umsatzsteuer mehr und mehr in den Fokus der Finanzämter. Im Jahr 2016 kritisierte der Bayerische Oberste Rechnungshof gar, dass eine systematische Überprüfung der Umsatzsteuerpflicht von Ärzten in zu vielen Fällen unterbleibe.
Denn heute sind auch Ärzte verpflichtet, ihre Umsatzsteuer in der Jahressteuererklärung auszuweisen, unabhängig davon, ob sie umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen oder nicht – obwohl die freiberufliche ärztliche Tätigkeit weier umsatz- und gewerbesteuerfrei ist (Paragraf 18 EStG, Paragraf 14a UStG).
Wichtig: Die Umsatzsteuer muss bei der Steuererklärung in jedem Fall thematisiert werden, denn auch die Summe der steuerfreien Umsätze ist anzugeben. In der Steuererklärung gibt es eine eigene Zeile für diesen Posten. Sorgfältig zu dokumentieren ist für den Fall einer Prüfung deshalb unerlässlich.
“Heilbehandlung” als Richtschnur
Weil Recht oft Auslegungssache ist, beschäftigen Rechtsfragen zu beiden Steuerarten immer wieder die Gerichte, vom Finanzgericht bis hin zum Europäischen Gerichtshof. Eines der jüngsten Urteile stammt vom September 2020. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied damals, dass auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sogenannten Gesundheitstelefons umsatzsteuerfrei sein können, wenn sie einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” fallen.
Darin schwingt der Grundsatz der Umsatzsteuerbefreiung mit: Unter diese “Heilbehandlungen” fallen alle ärztlichen Maßnahmen, die für die Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden. Alle anderen Leistungen gehören nicht dazu.
Dokumentation ist unerlässlich
Entscheidend ist die therapeutische Zielsetzung. Mit seiner Entscheidung zum Gesundheitstelefon folgte das oberste Finanzgericht Deutschlands der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach telefonisch erbrachte Beratungsleistungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheiten unter die Mehrwertsteuerbefreiung fallen können, sofern sie eben diese therapeutische Zielsetzung verfolgen.
Wichtig: Die Abgrenzung, ob es sich um eine steuerfreie Heilbehandlung oder eine steuerpflichtige sonstige Leistung handelt, muss der Hausarzt selbst vornehmen und in der Patientenakte gut dokumentieren!
Diese Dokumentation muss für die Steuerbehörde objektiv nachvollziehbar sein. Im Zweifel wird ein externer Gutachter bestellt, der die – natürlich anonymisierte – Patientenakte auf ihre Objektivität hin beurteilt. Der Gutachter darf zwar keine eigenen Untersuchungen am Patienten durchführen, ist aber auch nicht an die Entscheidung des Arztes gebunden. “Eine vollständige Dokumentation schützt also im Zweifelsfall vor der Umsatzsteuerpflicht”, sagt Steuerberater Frank Scheuering aus Würzburg.
Jeder Hausarzt müsse eine Umsatzsteuererklärung abgeben, auch wenn das zuständige Finanzamt diese nicht explizit und offensichtlich überprüfe, erinnert er.
Knackpunkt Gewerbesteuer
Je nach Ausrichtung der Praxis kann darüber hinaus auch Gewerbesteuer für Mediziner fällig werden. Ein Hausarzt “erzielt grundsätzliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit und muss somit keine Gewerbesteuer bezahlen”, sagt Scheuering zwar. Das kann aber unter Umständen nicht gelten, wenn er:
- Produkte verkauft,
- eine Zweigstelle betreibt, in der er nicht anwesend ist,
- einen Mediziner aus einem anderen Fachgebiet anstellt.
Ein Hausarzt muss nämlich nur dann für seine Praxis keine Gewerbesteuer bezahlen, wenn er den oder die angestellten Kollegen fachlich jederzeit so begleiten und überwachen kann, dass die Behandlung den Stempel des Chefs trägt – die sogenannte “Stempeltheorie”.
Das hat der BFH in seinem wohl bekanntesten jüngeren Urteil zur Gewerbesteuerpflicht in Arztpraxen entschieden. Im konkreten Fall, den das Gericht im November 2015 in der letzten Instanz entschied, war die Gerichtspartei zwar eine Anästhesiepraxis.
Das Urteil ist aber auf die hausärztliche Tätigkeit übertragbar und vor allem für Praxisgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit mehreren Angestellten interessant. Im konkreten Fall hatte ein angestellter Anästhesist Behandlungen am Patienten vorgenommen, der Praxischef aber die Vorbehandlung übernommen.
Merke: “Solange Praxisinhaber oder Gesellschafter die Tätigkeiten jedes angestellten Arztes überwachen können, ist die Praxisstruktur im Hinblick auf die Gewerbesteuer in der Regel unkritisch”, fasst Scheuering zusammen.
Anstellung? Genauer Blick lohnt
Das hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom Juli 2014 klargestellt. Demnach dürfen selbständige Ärzte ihren Beruf auch dann grundsätzlich gewerbesteuerfrei ausüben, wenn sie angestellte Ärzte beschäftigen.
Die Gewerbesteuer ist jedoch dann fällig, wenn in einer Praxis mit mehreren Angestellten die Abfärbetheorie nicht mehr greifen kann, weil etwa ein Teil der Angestellten ohne anwesenden Gesellschafter oder Praxispartner eigenständig in einer Filiale der Hausarztpraxis tätig ist.
Sie kann auch dann anfallen, wenn die Schwerpunkte des Praxisinhabers und des angestellten Mediziners nicht übereinstimmen, da hier davon ausgegangen wird, dass der Inhaber die Tätigkeit seines Angestellten nicht mehr überwachen kann.
Darüber hinaus kann Gewerbesteuer fällig werden, wenn Hausärzte Produkte verkaufen wie zum Beispiel Sitzkissen, Öle oder Nahrungsergänzungsmittel. Nicht zuletzt kommt es auch auf die Rechtsform an.
Obergrenzen beachten
Auf Grund ihrer Rechtsform ist eine GmbH gewerbesteuerpflichtig. Anders sieht es bei Personengesellschaften aus. In mehreren Urteilen befasste sich der BFH mit der Frage, bis zu welcher absoluten Höhe diese Formen gewerbliche Einkünfte erzielen dürfen.
Merke: Einkünfte bis zur Obergrenze von 3 Prozent des Gesamtnettoumsatzes der Gesellschaft sind “unschädlich”. Zudem dürfen die gewerblichen Einkünfte nicht die absolute Obergrenze in Höhe von 24.500 Euro überschreiten. Das Gericht zog für diese Obergrenze den Freibetrag für Einkünfte aus Gewerbesteuer heran. Sollte diese Grenze überschritten sein, sind alle Einkünfte gewerbesteuerpflichtig. “Wie hoch die tatsächliche Gewerbesteuerlast ist, hängt vom Hebesteuersatz der Kommune ab”, so Scheuering.
Betriebsprüfung vermeiden
Bei einer Änderung der Praxisstruktur empfiehlt sich deshalb eine Rechts- und Steuerberatung. Werden gewerbesteuerpflichtige Konstellationen erst bei einer Betriebsprüfung festgestellt, kann es teuer werden. Denn eine Umqualifizierung von Einkünften erfolgt rückwirkend auf zurückliegende Jahre.
Gewerbe- und Umsatzsteuer zahlen – das hingegen hört sich teuer an, muss es aber nicht sein. Bei der Umsatzsteuer greifen Bagatellgrenzen; verdient der Hausarzt mit der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit weniger als 22.000 Euro, fällt er unter die sogenannte Kleinunternehmerregelung (Paragraf 19 UStG). Der Höchstsatz wurde zum 1. Januar 2020 von 17.500 auf jetzt 22.000 Euro angehoben. “Die Gewerbesteuer wird auf die Einkommenssteuer angerechnet. So bleibt eventuell ein nur vergleichsweise niedriger Betrag übrig”, ergänzt Scheuering.