Corona-HotspotMit ärztlichem Attest in den Urlaub

Wer in einer Region mit hohem Infektionsgeschehen lebt, aber trotzdem verreisen will, soll sich ein ärztliches Zeugnis besorgen. Darauf haben sich jetzt Bund und Länder geeinigt. Ärzte sollten wieder einmal mit neuen und wohl regional verschiedenen Regeln rechnen.

Wegen Corona werden 2020 viele innerhalb Deutschlands verreisen, etwa nach Sylt.

Berlin. Reisende aus einem Landkreis mit hohem Corona-Infektionsgeschehen dürfen nur in einem Hotel wohnen oder ohne vorherige Quarantäne in ein Land einreisen, wenn ihnen ein ärztliches Zeugnis bestätigt, dass sie nicht infiziert sind. Das haben der Chef des Bundeskanzleramts und die Leiter der Staats- und Senatskanzleien der Länder am Freitagabend (26.6.) beschlossen.

Das Attest „muss sich auf eine molekularbiologische Testung stützen, die höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommen worden ist“. Diese Einigung von Bund und Ländern wirft für die ärztliche Praxis wieder einmal viele Fragen auf.

Was ist ein Hotspot?

Als Gebiet mit hohem Infektionsgeschehen zählen Regionen, in denen kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage aufgetreten sind. Dies entspricht auch den Vorgaben der „Test-Verordnung“ für Testungen, die zur „Verhütung der Verbreitung des Coronavirus“ erfolgen können (Paragraf Abs. 2 Nr. 4 Corona-Test-VO).

Ärzte können beim Robert Koch-Institut (RKI) eine Deutschlandkarte einsehen, die die Infektionszahlen pro 100.000 Einwohner der Landkreise zeigt. Ebenso sind diese im täglichen Situationsbericht des RKI zu finden. Am Freitag (26.6.) überschritt demnach nur noch Gütersloh mit 177 Fällen pro 100.000 die Hotspot-Grenze, das benachbarte Warendorf lag mit 47,9 bereits wieder darunter.

Wie ist das ärztliche Zeugnis auszustellen?

Im Zeugnis sollen Ärzte bestätigen, „dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorhanden sind“. Das Attest kann in Papier- oder digitaler Form erstellt werden. Das lässt vermuten, dass hierzu künftig auch Testergebnisse über die Corona-Warn-App zulässig sein könnten. Bisher sind jedoch noch nicht alle Labore digital vernetzt.

Ein aus einem fachärztlichen Labor stammender Befund gelte als ärztliches Zeugnis. Dieses „muss sich auf eine molekularbiologische Testung stützen, die höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommen worden ist“. Maßgeblich für den Beginn der 48-Stunden-Frist sei der Zeitpunkt der Feststellung des Testergebnisses.

Was bedeutet das für den Praxisablauf?

Die Abläufe können von Hotspot zu Hotspot bundesweit unterschiedlich sein. Denn sie hängen von der Entscheidung der Landesgesundheitsbehörde ab. Gemäß „Test-Verordnung“ können die Behörden nämlich festlegen, wer wann und von wem auf SARS-CoV-2 getestet wird.

Die Gesundheitsämter können entweder selbst testen oder Dritte damit beauftragen. Hierzu sind dann aber entsprechende Verträge zu schließen. Da nur wenige Gesundheitsämter bislang selbst getestet haben, ist davon auszugehen, dass hierzu mit den Vertragsärzten und Kassenärztlichen Vereinigungen zusammengearbeitet wird.

Denkbar ist zum Beispiel, dass je nach Größe eines lokalen Ausbruchs schnellstmöglich Test-Zentren oder Abstrichstellen reaktiviert werden oder sich Bürger bei allen niedergelassenen Haus- und Fachärzten am Ort testen lassen können.

Sollen Vertragsärzte die Testungen übernehmen, werden wahrscheinlich die KVen Vorgaben zu Laborüberweisung, Kodierung und Vergütung bekannt geben. Denn die Leistungen werden in diesen Fällen vom ÖGD vergütet.

Wie oft wird getestet?

Hierzu ist bisher keine Konkretisierung von Bund und Ländern am Freitag (26.6.) bekannt geworden. Die „Test-Verordnung“ sieht vor, dass Reihenuntersuchungen in Corona-Hotspots „nur stichprobenartig“ stattfinden sollen. Die so getesteten Personen können „bis zu einmal pro Person wiederholt getestet werden“ (Paragraf 5 Abs. 3 Corona-Test-VO).

Zu klären wäre hier also, ob das Gesundheitsamt im Einzelfall die Wiederholung anordnen muss oder ob dies im Ermessen des beauftragten Arztes liegt.

Wer bezahlt die Tests?

Da Reihentestungen vom ÖGD veranlasst werden müssen, übernehmen diese auch die Kosten. Die „Test-Verordnung“ sieht allerdings vor, dass die Untersuchungen aus dem Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden sollen. Hierzu wird derzeit ein Verfahren mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung abgestimmt.

Wie aussagekräftig ist das ärztliche Zeugnis?

Ein einzelner Test ist nur aussagekräftig für den Testzeitpunkt: Er erfasst also diejenigen, die zum Testzeitpunkt infektiös sind. Hingegen bleiben diejenigen, die sich erst später anstecken unentdeckt.

Zudem kann das Testergebnis durch einen zu frühen oder zu späten Abstrich, eine falsche Abstrichtechnik oder zu lange Zeitverzögerung bis zur Analyse im Labor verfälscht werden. In Studien kamen bis zu 30 Prozent falsch-negative Ergebnisse von Tests auf SARS-CoV-2 vor.

Testkapazitäten sollen ausgebaut werden

Bund und Länder wollen sich dafür einsetzen, die Testkapazitäten wo nötig weiter auszubauen. Jedoch wurde die Vergütung der Tests für Labore jüngst erst von 59 auf 39,40 Euro stark gesenkt, was herbe Kritik der Ärzte und Labore nach sich gezogen hatte. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat inzwischen dagegen geklagt.

Bund und Länder werden die Umsetzung der Maßnahmen in den nächsten zwei Wochen beobachten und danach über das zukünftige Vorgehen bei neu entstehenden, besonders betroffenen Gebieten entscheiden, heißt es im Beschluss. Wie die Bundesländer, die Beherbergungsverbote für Menschen aus deutschen Corona-Risikogebieten erlassen haben, mit diesem Beschluss umgehen, war zunächst offen.

Ausnahmen galten bei diesen Verboten schon jetzt mit aktuellen negativen Corona-Tests. Bayern als Vorreiter heißt unterdessen Gäste aus dem Kreis Warendorf schon wieder willkommen. In mehreren Bundesländern müssen auch die eigenen Bürger, wenn sie aus dem Kreis Gütersloh nach Hause kommen, in Quarantäne.

In dem aktuellen Beschluss heißt es, gerade mit Blick auf die bevorstehende Urlaubssaison gelte es, bei regionalem Ausbruchsgeschehen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Wiederausbreitung des Coronavirus durch Reisen innerhalb Deutschlands zu verhindern. Gleichwohl solle die Reisefreiheit der Bürger sowie deren Planungssicherheit auch in den von lokalen Ausbruchsgeschehen betroffenen Gebieten soweit wie möglich erhalten bleiben.

Mit Material von dpa

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