Rechtliche FallstrickePraxisgemeinschaft: Was geht und was geht nicht?

Wollen Hausärztinnen und Hausärzte zusammenarbeiten, gibt es dafür verschiedene Kooperationsformen. Doch Vorsicht: Bei BAG und Praxisgemeinschaft drohen auch rechtliche Fallstricke.

Je nach Kooperationsform gilt es für Ärzte einiges zu beachten.

Für Hausärzte stellen sich oft rechtliche Fragen. Praxistipps geben Experten des Deutschen Hausärzteverbands im ‚praktischen Fall‘.

Die Gründe für eine ärztliche Zusammenarbeit sind vielfältiger Natur. Neben wirtschaftlichen Gründen spielen häufig auch qualitative und quantitative Erwägungen eine Rolle: So kann die Kooperation zur Erweiterung des Leistungsspektrums und zum Wachstum der Praxis führen.

Entscheidend kann auch sein, die eigene Arbeitsbelastung zu verringern. Doch nicht jede ärztliche Kooperationsform ist stets geeignet, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Es muss streng unterschieden werden zwischen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und Praxisgemeinschaft (PG).

BAG: Schlüsselwort “gemeinsam”

Die BAG (vormals “Gemeinschaftspraxis”) ist ein Zusammenschluss von zwei oder mehreren Ärztinnen und Ärzten zur dauerhaften gemeinschaftlichen Patientenversorgung. Die sich Zusammenschließenden bilden bei einer BAG eine wirtschaftliche sowie organisatorische Einheit und

  • üben die ärztliche Tätigkeit gemeinsam
  • in gemeinsamen Räumen
  • mit gemeinsamer Praxiseinrichtung,
  • gemeinsamer Patientenkarteiführung und
  • mit gemeinsamem Personal
  • auf gemeinsame Rechnung aus.

Grundlage der Zusammenarbeit ist ein BAG-Gesellschaftsvertrag und die Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung durch den Zulassungsausschuss (Paragraf 33 Abs. 3 S. 1 Ärzte-ZV, Paragraf 15a Abs. 4 S. 1 BMV-Ä).

PG: Schlüsselwort “selbstständig”

Im Fallbeispiel schlägt Arzt B. eine Praxisgemeinschaft vor. Er stellt sich vor, dass grundsätzlich eine gemeinsame Betreuung der Patienten erfolgen kann bzw. soll. Die Praxisgemeinschaft ist jedoch eine Organisationsgemeinschaft im Sinne von Paragraf 18 Abs. 1 Satz 1 MBO-Ä. Es handelt sich demnach gerade nicht um “eine Praxis”, da die beteiligten Ärzte in ihrer ärztlichen Tätigkeit selbstständig bleiben. Jede beteiligte Ärztin bzw. jeder beteiligte Arzt hat den Zusammenschluss der zuständigen Ärztekammer und der KV anzuzeigen (Paragraf 18 Abs. 6 MBO-Ä, § 33 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte). Eine Genehmigungspflicht besteht tatsächlich nicht.

Wichtig: Es gilt der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Jedes Mitglied einer Praxisgemeinschaft hat seinen Beruf eigenverantwortlich und unabhängig auszuüben. Die Praxisgemeinschaft ist eine reine Kostenteilungsgemeinschaft, ohne dass gemeinsame Umsätze oder Einnahmen erwirtschaftet werden.

Kostenteilung bedeutet nicht “Patiententeilung”

Die Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht (Paragraf 9 MBO-Ä, Paragraf 203 StGB) ist von elementarer Bedeutung. Sprich: Die Patientenkartei ist streng getrennt zu führen. Soll das gemeinsame Nutzen einer Praxisverwaltungssoftware (PVS) aus Kostengründen erfolgen, so muss durch interne Passwortsicherung eine Trennung der Patientendaten nach Praxen unbedingt sichergestellt werden.

Gleiches gilt für den Fall, dass Telekommunikationsmittel gemeinsam genutzt werden sollen; auch hier bedarf es etwa der Zuordnung individueller Durchwahlnummern. Telefax und E-Mail- Adressen müssen getrennt geführt werden. Verstöße hiergegen können Indizien für eine rechtsmissbräuchliche Nutzung der Kooperationsform “Praxisgemeinschaft” darstellen.

Honorarrückforderungen drohen

Wird die Praxisgemeinschaft derart rechtsmissbräuchlich als “faktische Berufsausübungsgemeinschaft” gelebt, ist dies unzulässig und kann zu nachhaltigen Problemen führen. Hintergrund solcher (“faktischer”) Modelle ist unter anderem, dass BAG in PG umgewandelt werden, um durch die Gestaltung der Praxissprechzeiten und/oder durch Überweisungen die Fallzahlen zu erhöhen – die organisatorische Binnenstruktur bleibt jedoch bestehen.

Bereits eine Patientenidentität zwischen 20 und 50 Prozent kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Annahme einer missbräuchlichen Nutzung der Kooperationsform anzeigen (Urteil vom 2. Juli 2014, Az. B 6 KA 2/14). Hier stehen schnell existenzbedrohende Honorarrückforderungen im Raum, weshalb darauf zu achten ist, dass in der PG gerade keine aufeinander abgestimmte gemeinsame Patientenbetreuung erfolgt.

Sofern eine PG faktisch wie eine BAG geführt wird, liegt weiterhin ein Verstoß gegen Paragraf 33 Abs. 3 Ärzte-ZV vor, da die notwendige Genehmigung des zuständigen Zulassungsausschusses nicht existiert.

Grenzen vertraglich festhalten

Selbstverständlich ist es möglich, eine PG unter Ärztinnen und Ärzten zu gründen; sie werden dann Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und können in dieser Rechtsform beispielsweise einen Mietvertrag abschließen. Zur Regelung der Verhältnisse der Gesellschafter untereinander sollte ein Gesellschaftsvertrag schriftlich abgeschlossen werden, wobei der Gesellschaftszweck auf die gemeinsame Nutzung sächlicher und personeller Mittel zu beschränken ist.

Es sollte die getrennte Berufsausübung, insbesondere in Bezug auf die getrennt geführte Patientenkartei, herausgestellt werden. Ferner sollten klare Regelungen mit Blick auf die Zahlungsverpflichtungen der Gesellschafter sowie der Zurverfügungstellung von bspw. Gerätschaften festgehalten werden. Auch sind Regelungen zum Ausscheiden eines Mitglieds aus der Praxisgemeinschaft zu treffen.

Haftungsfrage genau prüfen

Es besteht keine gemeinschaftliche Haftung der Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf den Behandlungsvertrag, da dieser nur zwischen dem einzelnen Arzt und dem jeweiligen Patienten abgeschlossen wird. Eine gemeinschaftliche Haftung besteht grundsätzlich nur, wo dies für wirtschaftliches Handeln vereinbart wird (z.B. Personal, Miete, Leasing).

Eine gesamtschuldnerische Haftung ist darüber hinaus denkbar; dies ist insbesondere bei Verwendung einer gemeinschaftlichen Kurzbezeichnung (“Firma”) im Rechtsverkehr möglich. Deshalb ist etwa ein klarer Außenauftritt der einzelnen Praxen wichtig.

Arzt H. und B. sollten sich in jedem Fall rechtlich beraten lassen; dies nicht zuletzt, um herauszufinden, was im konkreten Einzelfall tatsächlich gewollt ist.

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