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Steigende KostenPraxen unter Druck

MFA-Gehälter, Energiekosten, Versicherungsbeiträge: Hausarztpraxen sehen sich seit Jahren mit enormen Kostensteigerungen konfrontiert. In einem Punkt hat die Politik bereits Hilfe versprochen. Nun gilt es, dieses Versprechen einzulösen – und auch an anderen Stellen tätig zu werden, um die hausärztliche Versorgung zu stärken.

Neben den Kostensteigerungen ist nicht zuletzt die Inflation eine immense Belastung für Praxisinhaber.

Wie sich steigende Personalkosten auf eine Praxis auswirken können, weiß Dr. Ulrich Opfermann genau. Der Facharzt für Innere Medizin beschäftigt in seinem hausärztlichen MVZ in Berlin an zwei Standorten insgesamt 14 Medizinische Fachangestellte (MFA), zwei Fachärzte sowie einen Arzt in Weiterbildung, mit einem neuen Standort wird sich das Team im vierten Quartal weiter vergrößern.

“Zwar ist das Gehalt nicht das alleinige Kriterium für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden”, sagt Opfermann und erinnert an weitere Punkte wie die Stimmung im Team. Doch: “Die Arbeitnehmer berichten alle, dass ihr verfügbares Einkommen durch hohe Steuerlast und steigende Kosten für Strom, Gas, Lebensmittel, Benzin etc. ständig abnimmt. Das erhöht im Alltag natürlich den Druck auf mich als Arbeitgeber, dem nachzukommen.”

Hier sind Gesetzgeber und Kostenträger in der Pflicht, um einen Notstand durch den sich verschärfenden Fachkräftemangel abzuwenden. Daher unterstützt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband explizit die regelmäßigen, zuletzt am 8. September stattgefundenen Protestaktionen der MFA für eine angemessene Verankerung ihrer Leistungen im Honorarsystem.

Denn bislang müssen die Arbeitgeber die Versäumnisse abfedern: “Gerade in Großstädten ist ein gutes Gehalt Grundvoraussetzung, um in der Konkurrenz zu Kliniken als Arbeitgeber bestehen zu können”, weiß Dr. Jana Husemann, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Hamburg, aus eigener Erfahrung.

Zudem erinnert sie an die steigenden Personalkosten aufgrund steigender Qualifikation: Eine der beiden VERAH® ihrer Gemeinschaftspraxis nutzt gerade die Möglichkeit, sich per Studium weiterzubilden (siehe Artikel “VERAH®-Studium: Neues Wissen für die Praxis” HA 19/22). Das geht – aus Husemanns Sicht völlig gerechtfertigt – mit anschließenden höheren Gehaltsvorstellungen einher.

Eine erste Vorab-Auswertung des aktuellen Praxis-Panels des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), die Ende August vorgelegt wurde, zeigt in der Tat: Die Kosten für den Praxisbetrieb sind von 2018 bis 2021 um durchschnittlich 16,2 Prozent gestiegen [1], die Personalaufwendungen waren dabei entscheidender Faktor (siehe Abbildung unten).

Der Kostenanstieg in den Praxen hat die Entwicklung der Verbraucherpreise (+5,1 Prozent) in diesem Zeitraum damit um das Dreifache überschritten.

Stärkung der HZV ist das A und O

Um die steigenden Kosten abzufedern, setzt Opfermann auf die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV). “Die Teilnahme an der HZV bringt deutliche Mehreinnahmen in die Praxis, die es mir ermöglichen, eine qualitativ hochwertige Versorgung mit sehr gut qualifiziertem Team anzubieten”, erklärt er.

Für seine Praxis beziffert er den Mehrumsatz auf circa 80 Prozent, entsprechend habe er einen Mehrgewinn nach Steuern von 30 bis 50 Prozent im Vergleich zum “budgetierten KV-System, in dem unsere Leistungen nicht vollständig vergütet werden”.

Für Opfermann ist eine Stärkung der HZV daher das A und O einer zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung. Zentrales Element könnte ein Bonus für Versicherte sein, die an der HZV teilnehmen – und die damit auch finanziell von den Versorgungsvorteilen profitieren würden.

Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, erinnert an die erwiesenen Vorteile der HZV im Bereich der Prävention [2]. “Ein Bonus für teilnehmende Versicherte ist vor diesem Hintergrund aus unserer Sicht überfällig”, so Buhlinger-Göpfarth. “Es wäre wichtig, dass alle Akteure erkennen, dass es ohne HZV zukünftig schwierig wird, die Sicherstellung zu gewährleisten.”

Drohender “Investitionsstau”

Denn nicht zuletzt zeigt die HZV als “Innovationsküche” auch, wie weitere Bausteine zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung aussehen könnten: Ein Team-Zuschlag, wie er in der HZV bereits vorgesehen ist, könnte in die Regelversorgung übernommen werden, um den Einsatz von Praxisteams und Delegation in der Versorgung zu stärken. Auch hierfür setzt sich der Hausärztinnen- und Hausärzteverband entschieden ein.

Dabei machen die Personalkosten mit rund 56 Prozent zwar den Großteil der Gesamtkosten des Praxisbetriebs aus [1, 3] – sie sind jedoch bei Weitem nicht die einzige Stelle, an der der Druck steigt. Die Energiekosten sind auf einem Rekordhoch.

Versicherer, etwa von Berufshaftpflichtversicherungen, passen aufgrund gestiegener Kosten die Beiträge an, ebenso Telefon- und Internet-Provider. “Viele Praxen müssen aktuell durchaus rechnen und überlegen, was sie sich leisten können”, weiß Hausärzteverbandschefin Husemann. Sie sehe daher einen “Investitionsstau” drohen.

Entbudgetierung ist versprochen

Für Dr. Jana Husemann ist neben der Stärkung der HZV eine andere Forderung zentral: die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) bereits mehrfach öffentlich versprochene Entbudgetierung der Hausärzte nach dem Beispiel der Kinder- und Jugendmediziner.

Was diese konkret bedeuten würde, rechnet Husemann am Beispiel ihrer eigenen Praxis vor, in der etwa 50 Prozent der Patientinnen und Patienten in der HZV eingeschrieben sind: Von den im ersten Quartal 2023 angeforderten 70.485,60 Euro in der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) seien lediglich 52.732,25 ausbezahlt worden – was einer Auszahlungsquote von 74,8 Prozent entspricht.

Oder mit anderen Worten: Knapp 18.000 Euro wurden Husemanns Angaben zufolge nicht ausbezahlt. Besonders dramatisch: Dieser Abzug betrifft rein den Gewinn der Praxis, nicht den Umsatz – denn die Ausgaben reduzieren sich selbstredend nicht. Mit einer Entbudgetierung wäre der Praxis der Betrag hingegen voll ausbezahlt worden.

Viele Kolleginnen und Kollegen seien mit Blick auf die KV-Abrechnungen aktuell “verzweifelt” und hofften auf das Versprechen Lauterbachs, weiß Husemann aus zahlreichen Gesprächen.

Bei Redaktionsschluss Anfang September waren dafür noch keine konkreten Vorhaben publik; gleichwohl könnte dies im parlamentarischen Verfahren noch zeitnah über Änderungsanträge an den Versorgungsgesetzen I oder II geschehen, wofür sich der Hausärztinnen- und Hausärzteverband in Berlin entschieden starkmacht.

Auch wenn die Entbudgetierung eine deutliche finanzielle Entlastung bringen würde – “gleichzeitig darf es dabei nicht bleiben”, mahnt Husemann. “Unsere Leistungen sind deutlich zu niedrig bewertet und wir brauchen dringend eine Überarbeitung des EBM.”

Überarbeitung des EBM nötig

Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) in seiner heutigen Form sei in keinster Weise auf das hausärztliche Arbeiten ausgerichtet, kritisiert Husemann. Nicht zuletzt mit Blick auf die Zukunft werde der Reformbedarf sichtbar. Ein Beispiel: Mit einem funktionierenden E-Rezept würden gut eingestellte Chroniker nur noch einmal im Jahr in die Praxis kommen – der EBM schreibe Stand heute jedoch einen Kontakt im Quartal vor.

Dringend nötig sei daher eine kontaktunabhängige Strukturpauschale, durch die das Vorhalten hausärztlicher Versorgungsstrukturen angemessen finanziert würde. Sie wäre auch ein Schritt weg von der quartalsweisen Vergütung.

“Indem im EBM Plausibilität über Arzt-Patienten-Kontakte und Zeitvorgaben geprüft wird, wird die Versorgung Stand heute in ein starres Korsett gepresst”, kritisiert Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, den Status quo.

Kurzfristig: Hoffen auf Honorarplus

Ein ganz aktueller Baustein zur angemesseneren Vergütung der hausärztlichen Leistung wäre eine faire Anpassung des Orientierungspunktwertes im zweistelligen Bereich, für die die Hausärztinnen und Hausärzte im Zuge der jüngsten Honorarverhandlungen eingetreten sind. Bei Redaktionsschluss liefen diese noch; für 13. September waren die nächsten Gespräche angesetzt.

Denn: Neben den Kostensteigerungen ist nicht zuletzt die Inflation eine immense Belastung. Hier haben Praxen keinerlei Möglichkeit gegenzusteuern. In den Honorarabschlüssen der vergangenen Jahre ist sie jedoch nicht berücksichtigt worden. Zuletzt war der Orientierungswert um “lächerliche” zwei Prozent gestiegen, wie Hausärzte-Chef Beier kritisiert hatte. Zum Vergleich: Die Inflationsrate lag im ersten Quartal bei 8,3 Prozent.

Quellen:

1. Erste Auswertung des Zi Praxis-Panels 2023, veröffentlicht am 31.8.2023. Gesamtergebnisse im Herbst erwartet.

2. www.hausarzt.link/MFbxP

3. Zi Praxis-Panel, 2021, www.hausarzt.link/gnurM

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