Berlin. Die in Praxen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wie es auch Beschäftigte anderer Branchen im Zuge der Corona-Krise bekommen. Das stellt die Bundesagentur für Arbeit in einer aktuellen Weisung fest, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Montag (11. Mai) mitgeteilt. Die Weisung gelte seit vergangenen Freitag.
Die Nachricht ist eine 180-Grad-Wende der Bundesbehörde. Denn bis vor kurzem hatte die Bundesagentur für Arbeit pauschal Anträge auf Kurzarbeitergeld für Arztpraxen abgelehnt. Die pauschale Ablehnung hatte sie in einer anderen, im April publik gewordenen Weisung mit den im März durch den Bundestag beschlossenen Ausgleichszahlungen für Ärzte und Psychotherapeuten begründet.
Kurzarbeitergeld soll “Nicht-GKV-Verluste” abdecken
Doch: Unter den vom Bundestag beschlossenen vertragsärztlichen “Schutzschirm” fallen nur Umsätze aus der Tätigkeit innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nicht darunter fallen hingegen Einnahmen beispielsweise aus privatärztlicher oder arbeitsmedizinischer Tätigkeit, die in vielen Praxen jedoch einen hohen Anteil an Leistungen darstellen. Der Deutsche Hausärzteverband sieht darüber hinaus weiteren Nachbesserungsbedarf an den beschlossenen Ausgleichszahlungen.
Ärztevertreter – darunter Bundesärztekammer (BÄK) und KBV – hatten zuletzt kritisiert, dass ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld stets als Einzelfall geprüft werden müsse. In einem Schreiben an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzte sich der Vorstand der KBV zuletzt für eine entsprechende Klarstellung ein – die nun erfolgt ist.
„Diese Klarstellung ist wichtig für unsere niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und deren Teams, den Medizinischen Fachangestellten (MFA)“, erklärt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Die Politik habe rasch reagiert, wofür man dankbar sei, ergänzte Vize Dr. Stephan Hofmeister. Denn trotz des sogenannten Schutzschirms könne es in Praxen Einnahmeverluste geben, die die Voraussetzungen von Kurzarbeitergeld erfüllten. Sprich: Sollte eine Praxis beispielsweise aufgrund von ausbleibenden Privatpatienten existenzbedrohende Umsatzeinbußen erleiden, kommt Kurzarbeitergeld grundsätzlich in Betracht.
Schutzschirm und Kurzarbeitergeld als zwei Optionen
Die Zahl nicht akuter Beratungen – beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen – ist in den vergangenen Monaten flächendeckend stark zurückgegangen, wie Berichte von Hausärztinnen und Hausärzten in ganz Deutschland zeigen. Einserseits, weil planbare und nicht dringende Untersuchungen zur bewussten Vermeidung von Kontakten in der Praxis verschoben worden seien; andererseits, weil Patienten aus Sorge vor dem Coronavirus die Praxis mieden, wie beispielsweise Dr. Jana Husemann, Hausärztin in Hamburg und aktiv im Vorstand des dortigen Hausärzteverbands, im Podcast von “Der Hausarzt” berichtet. Andere Praxen hatten darüber hinaus Privatleistungen wie Akupunkturen absagen müssen. Je nach Grund der Umsatzeinbußen stehen mit dem “Schutzschirm” und dem Kurzarbeitergeld damit zwei Optionen finanzieller Unterstützung zur Verfügung.
Als Mindesterfordernis für den Antrag auf Kurzarbeitergeld gilt laut Bundesagentur für Arbeit – befristet bis Ende 2020 – ein Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent bei mindestens zehn Prozent der beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wie viele Praxen davon betroffen sind, konnte die KBV auf Anfrage von “Der Hausarzt” zuletzt nicht beziffern; da die Kurzarbeit allein bei der Bundesagentur angezeigt werden müsse, liegen hierzu keine Zahlen vor, hieß es.
Ärzte müssen das Kurzarbeitergeld bei der Arbeitsagentur beantragen. Ob eine Zahlung erfolgt, entscheidet stets die Behörde.