Kasuistik
Anamnese: Frau D., eine 44-jährige Finanzbuchhalterin, stellt sich beim Hausarzt vor, weil sie seit über zwei Monaten Schmerzen im Nacken hat, bei überwiegend sitzender Tätigkeit. In den letzten zwei bis drei Jahren sind ähnliche Beschwerden gelegentlich, jedoch nur für wenige Tage aufgetreten. Keine regelmäßige sportliche Betätigung. Hobbys: Stricken und Fernsehen. Keine schwerwiegenden Vorerkrankungen, bisher keine Operationen. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme, bisher auch keine Schmerzmittel.
Befund: 44-jährige Frau in gutem AZ (BMI 29,4 kg KG/qm KOF). Herz und Lunge klinisch unauffällig. RR 140/75 mmHg, HF 84/min. Nase, Ohren ob. Gebiss saniert, Zahnabdrücke im Zungenbereich, rechts mehr als links. Leichter Druckschmerz über dem rechten Kiefergelenk. HWS in alle Richtungen beweglich, leicht eingeschränkte Anteversion. Erhebliche Myogelosen und auf Druck schmerzhafte Nackenstreckmuskulatur. Neurologisch keine Reiz- oder Ausfallerscheinungen, Gelenke der oberen Extremitäten frei beweglich.
Diagnose: Aufgrund von Vorgeschichte und Untersuchung diagnostiziert der Hausarzt ein prolongiertes Cervicalsyndrom (ICD: M54.2), hervorgerufen am ehesten durch die berufliche Tätigkeit und das häufige Stricken in der Freizeit.
Therapie: Nach der klinischen Untersuchung bespricht der Hausarzt die Diagnose, seine Ursachenvermutung und das weitere Procedere mit der Patientin. Er rät dringend, zunächst vorübergehend nicht mehr zu stricken. Zur Linderung verschreibt er ab dem Folgetag eine Wärmebestrahlung und empfiehlt häusliche Übungen. Zudem verordnet er ein TENS-Gerät (Einweisung der Patientin nach fünf Tagen), das sie täglich ein halbe Stunde nutzen soll.
EBM
Da es sich um einen Ersttermin im Quartal handelt, rechnet der Hausarzt die Versichertenpauschale (GOP 03000 / 122 Punkte / 13 Euro) ab. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) setzt automatisch die GOP 03040, 03060, 03061 und 32001 zu – die 03060 und 03061 nur, wenn die entsprechende KV-Genehmigung vorliegt. Nach der Untersuchung wird das Gespräch mit der GOP 03230 (90 Punkte / 9,59 Euro) abgerechnet. Die Wärmetherapie, eine Mikrowellenbehandlung, kann man mit der GOP 02510 (19 Punkte / 2,02 Euro) ansetzen – und zwar unbegrenzt, abhängig von der medizinischen Notwendigkeit. Für die TENS-Einweisung könnte die GOP 30712 (67 Punkte / 7,14 Euro) zur Anwendung kommen, allerdings schließt dies im Behandlungsfall die höherwertige GOP 03040 aus.
GOÄ
Bei der GOÄ-Abrechnung stellt der Hausarzt die Nrn. 3 (80 Punkte / 4,66 Euro) und 7 (160 Punkte / 9,33 Euro) in Rechnung, die Nr. 7 bei vorhandener Schmerzausstrahlung in den oberen Thorax. Für die Mikrowellenbehandlung setzt er die Nr. 548 an, für die später erfolgende TENS-Einweisung die Analog-Nr. A 3211, unter Umständen auch bei mehr als zehn Minuten Dauer die Nr. 3.
HZV
Bei Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung enthält die Quartalspauschale bereits die physikalisch-medizinischen Leistungen gemäß 02510 und 02511 EBM. Lediglich die TENS-Einweisung nach GOP 30712 wird in fast allen Verträgen, zum Beispiel in der KV-Region Nordrhein, als Einzelleistung vergütet. Ausgenommen ist der Vertrag mit der IKK classic, wo sie in der Pauschale enthalten ist. Dann trifft auch die Einschränkung bzgl. der GOP 03040 nicht zu, da man diese nicht über die KV abrechnet. In anderen Regionen sollten Sie die Einzelheiten bei Bedarf klären.
Schwerpunkt: Physikalische Therapien in der GOÄ
Hausärzte wenden in der Regel als physikalische Therapieformen die Wärme- und Elektrotherapie an. Die klassische Wärmetherapie ist die Heißluft- oder Infrarottherapie. Die Heißlufttherapie rechnen sie nach GOÄ mit der Nr. 535 (eine Körperregion / 33 Punkte / 1,92 Euro) oder 536 ab (mehrere Körperregionen / 51 Punkte / 2,97 Euro). Für die Infrarotbehandlung wählt man immer die Nr. 538 (40 Punkte / 2,33 Euro).
In der Elektrotherapie sind diverse Bestrahlungen denkbar:
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Nr. 548 (eine Körperregion / 37 Punkte / 2,16 Euro) und Nr. 549 (mehrere Körperregionen / 55 Punkte / 3,21 Euro)
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Reizstromtherapie (Nr. 551 / 48 Punkte / 2,80 Euro)
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Iontophorese (Nr. 552 / 44 Punkte / 2,56 Euro)
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gezielte Niederfrequenzbehandlung bei Paresen (Nr. 555 / 120 Punkte / 6,99 Euro)
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apparative isokinetische Muskelfunktionstherapie (Nr. 558 / 120 Punkte / 6,99 Euro), darf man laut Bundesärztekammer (BÄK) auch bei der medizinischen Trainingstherapie analog anwenden.
Bei der TENS-Therapie muss man zwischen Therapie in der Praxis und zuhause unterscheiden. In der Praxis rechnet man mit der Nr. 551 ab (Beschluss des BÄK-Vorstands, 20. Mai 2012). Die Einweisung zur häuslichen Therapie kann man dagegen nur analog abrechnen mit der Nr. A 3211. Hierzu gibt es zwar keine offizielle Empfehlung, allerdings ist die Analogabrechnung hier üblich, zumal auch das Honorar der entsprechenden EBM-GOP ähnelt.
Quellen: hausarzt.link/f8zTh (EBM); hausarzt.link/eNZRR (GOÄ); hausarzt.link/01BC2 (HZV)