Kasuistik
Anamnese: Herr G. ist privat mit dem Fahrrad unterwegs und wird dabei ohne eigene Schuld in einen Unfall verwickelt. Ein fremder PKW nähert sich seitlich bis auf 10 cm, sodass Herr G. den Bordstein berührt und stürzt. Dabei zieht er sich eine Platzwunde am rechten Unterschenkel sowie Abschürfungen an beiden Händen zu. Da Herr G. wegen eines chronischen Vorhofflimmerns unter oraler Antikoagulation steht (Phenprocoumon), blutet die Platzwunde relativ stark. Nach Erstversorgung durch einen Laien (Verbände) sucht Herr G. seine Hausärztin auf. Es besteht zudem ein nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus.
Befund: 68-jähriger Mann in gutem AEZ. Stabile Kreislaufverhältnisse, RR 140/75 mmHg, HF 70/min. bei Absoluta. Rechter Unterschenkel: 5 cm lange und bis zu 5 mm tiefe glattrandige Platzwunde lateral der Tibiavorderkante in Unterschenkelmitte. In beiden Daumenballenbereichen relativ stark verschmutzte Schürfungen mit einer Ausdehnung von ca. 3×3 cm.
Diagnose und Beurteilung: Z. n. Fahrradsturz; Platzwunde rechter Unterschenkel (ICD: T01.3RG; S81.8RG); Schürfwunden beide Daumenballen (ICD: T01.2BG; S60.81BG). Bekanntes chronisches Vorhofflimmern (ICD: I48.2G); Antikoagulation (D92.1G); nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 (ICD: E11.90G).
Therapie und weiteres Prozedere: Primäre Naht der Platzwunde am rechten Unterschenkel nach Lokalanästhesie, anschließend Wund- und Druckverband um eine Nachblutung zu verhindern. Intensive Reinigung der Wunden an beiden Händen, Desinfektion und Salbenverband. INR-Schnelltest 2,3 %, BZ 148 mg/dl (17 Uhr). TdIPV-Auffrischimpfung und passive Tetanusimpfung bei letzter Impfung vor 20 Jahren. Nicht infizierte Wundverhältnisse bei Kontrollen am Tag 1 und 3 postoperativ; zeitgerechte Entfernung des Nahtmaterials nach zehn Tagen.
Die Versorgung von Wunden (s. Kasuistik) kommt in der Hausarztpraxis häufig vor. Für die Abrechnung spielt die Art der Behandlung eine Rolle.
EBM
Da Herr G. bereits zum zweiten Mal im Quartal die Praxis aufsucht, kann die Ärztin die Quartalspauschale nicht erneut berechnen, dafür aber die Chronikerpauschale II (03221 EBM). Für die Wundversorgung setzt sie die 02301 EBM (rechter Unterschenkel) und zweimal die 02300 EBM (beide Hände) an. Verbände, Druckverband und Lokalanästhesie können nicht abgerechnet werden. Für das Praxislabor fallen die 32025 (Glucose) und 32026 (INR) an. Die TdIPV-Impfung wird im Rahmen der Simultanimpfung entsprechend der regionalen Impfvereinbarung z. B. 89302R (KV Nordrhein) berechnet. Die reine Simultanimpfung (Tetanol/Tetagam) ist in der Versichertenpauschale enthalten.
GOÄ
In der GOÄ ist eine frische Unfallverletzung immer ein neuer Fall, weshalb die Nr. 1 und 5 berechnet werden, letztere kann bei mehreren Wunden 3,5-fach gesteigert werden. Für die Wunde am Unterschenkel berechnet die Ärztin die Nrn. 491, 2004, 204, beide Hände mit der 2003. Laboranalysen: Nrn. 3514 (Glucose) und 3530 (INR). Die Simultanimpfung rechnet sie mit der Nr. 378 ab, auch wenn diese als Kombiimpfung erfolgt, zumal der Aufwand der Impfung nicht höher ist. Bei erhöhtem Beratungsaufwand wegen der Kombiimpfung darf man die Nr. 1 steigern.