Drei Länder, drei Gesundheitssysteme – aber eine Meinung: Eine Mischung aus Pauschalen und gezielten Leistungsanreizen eignet sich am besten, um die hausärztliche Versorgung so zu honorieren und zu steuern, dass es Patienten, Gesellschaft und Ärzten optimal nutzt. Da sind sich Prof. Ferdinand Gerlach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Dr. Maria Wendler, Obfrau der Jungen Allgemein-medizin Österreich (JAMÖ), sowie Dr. Adolf Engl, Vorsitzender der Stiftung Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin (SAkAM), einig.
Beispiel Südtirol: „Unser Primärarztsystem ist gut“, zeigt sich Engl überzeugt. Jeder müsse sich bei einem Hausarzt einschreiben. Dieser werde für jeden eingeschriebenen Patienten bezahlt, ob er in die Praxis kommt oder nicht. Ärzte seien daher keinen wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt. Problematisch sei aber die Patientenobergrenze. Ab dem 1.501 Patienten bestünden dann kaum noch Leistungsanreize, kritisiert Engl. Infolgedessen fehle es an Qualitätswettbewerb.
Dem stimmt auch Gerlach zu: „Aus internationaler Perspektive ist eine kontaktunabhängige Vergütung für Hausärzte eine gute Basis.“ Man brauche aber etwa zehn bis 15 Prozent gezielte Anreize, damit qualitativ gut versorgt wird und Patienten keine Leistungen vorenthalten werden oder Wartelisten entstehen. Schmerz- und Palliativversorgung oder die hausärztliche Tätigkeit in ländlichen Regionen nannte er als erwünschte Leistungen.
„Die Hausarztzentrierte Versorgung in Baden-Württemberg ist ein erfolgreiches Modell!“, sagt Gerlach. Die Verträge beinhalten einige Innovationen wie qualitätsverbessernde Maßnahmen, das Arbeiten nach Leitlinien, die strukturierte Ausbildung von Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH®) sowie Maßnahmen zur Betreuung chronisch Kranker. Zudem entstehe dort „eine neue Welt“ mit den angeknüpften Facharztverträgen, etwa mit Gastroenterologen oder Psychotherapeuten. Bei allen Verträgen legen sich Patienten freiwillig darauf fest, erst ihren Hausarzt zu konsultieren.
„Die Verträge haben für Hausärzte mehrere Vorteile“, so Gerlach. Die Abrechnung werde leichter, das Team gestärkt, genauso wie die Patientenbindung. Zudem zeige die Evaluation, dass Arzneimittelverordnungen und Klinikaufenthalte vermieden werden können, sich die Betreuung in häuslicher Umgebung verbessert und die Patienten zufriedener sind.
Vorbild für Österreich: Für die Gesundheitsreform habe man geprüft, was sich von der HZV auf Österreich übertragen lasse. „Vieles wurde übernommen, zum Beispiel der Ansatz, dass der Hausarzt die erste Anlaufstelle sein sollte“, berichtet Wendler. Leider würden in der Diskussion oft freie Arztwahl und freie Wahl der Versorgungsebene verwechselt. Die Folgen macht Gerlach deutlich.
Seit die Praxisgebühr abgeschafft wurde, nehme die ungezielte Inanspruchnahme von Ärzten wieder zu. „Patien-ten gehen mit Kopfschmerzen zum Neurologen“, so Gerlach. Das sei weder gut für die Patienten noch fürs System: Es komme zu Überdiagnostik, Notaufnahmen und Praxen seien überlastet.
49. Kongress für Allgemein- und Familienmedizin von DEGAM, ÖGAM und SÜGAM, Bozen, 17.-19.9.2015