„Ich gebe Ihnen ein Rezept mit, dann sind Sie zwischen den Jahren auf der sicheren Seite!“, sagt der Allgemeinmediziner aus dem Landkreis Aschaffenburg zu später Sprechstundenzeit am Gründonnerstag. Der Patient stutzt, lacht – und geht zufrieden nach Hause. Unfreiwillige Komik entschärft manche ernste Situation, doch auch bewusst eingesetzt kann Humor ein Türöffner zum Vertrauen und der Aufmerksamkeit des Patienten sein. Ärzte wissen durchaus, dass Humor auch in ihrem Arbeitsalltag nicht fehl am Platz sein muss. Doch wie ihn richtig einsetzen? Das will das vor fünf Jahren ins Leben gerufene Projekt „Arzt mit Humor“, das mittlerweile unter dem Dach des Deutschen Instituts für Humor in Leizpig arbeitet, in Seminaren für Studierende und praktizierende Ärzte aus dem stationären und ambulanten Sektor vermitteln. Susanne von Mach hat mit Projektinitiator Dr. Christoph Krause, der an der Universitätsklinik Leipzig seine Facharztausbildung zum Anästhesisten macht, über die richtige Dosierung von Humor im Praxisalltag gesprochen.
Schafft Humor Vertrauen?
Dr. Christoph Krause: Richtig eingesetzt: Ja. Bei meiner Arbeit auf der Intensivstation habe ich einmal eine ehemalige Seminarteilnehmerin getroffen, die als Angehörige ein Gespräch suchte. Irgendwann sagte sie zu ihrer Schwester: „Das ist ein Arzt, der hat Humor, das wird gut werden hier.“ Eine gute Kommunikation ist hilfreich in der Medizin und im Arzt-Patienten-Kontakt.
Wie funktioniert das, Humor in einem Seminar lernen?
Das Schwierige ist überhaupt erst einmal zu verstehen, welche Formen von Humor es gibt, bevor ich ihn klug einsetzen kann. Dafür ist ein theoretisches Grundwissen erforderlich. Ganz wichtig ist auch, dass ich mir darüber klar werden muss, wo meine persönliche Humor-Null-Linie liegt. Jeder Mensch hat Humor, aber nicht jeder hat den gleichen. Wir hatten schon Teilnehmer im Seminar, die eine Anekdote aus der Praxis erzählt haben und wissen wollten, warum keiner gelacht hat. Nun, weil sie zum Beispiel jemanden nicht gut dastehen ließen.
Uns geht es darum, völlig unabhängig von der individuellen fachlichen Qualifikation der Kollegen, die wir ja überhaupt nicht beurteilen können und wollen, neue, humorgetragene Ideen, neuen Schwung, einen anderen Ansatz in die tägliche Arbeit zu bringen. Dies soll dem Patienten und auch dem Personal in der Praxis zugute kommen. Gerade die Medizin bietet eine hohe Arbeitsbelastung und viel Stress, was für ein humorvolles Arbeiten nicht förderlich ist.
Warum ist es überhaupt so schwierig, Humor in die Arzt-Patienten-Kommunikation einzubringen?
Zum einen, weil man Angst hat, etwas falsch zu machen, denn mit Humor kann man auch sehr schnell verletzen und das Gegenüber in einem schlechten Licht dastehen lassen. In der breiten Bevölkerung ist es weit verbreitet, sich auf Kosten anderer lustig zu machen. Denn das ist wesentlich einfacher. Kaum einer macht Witze über sich selbst, obwohl man damit niemanden verletzt und das Gegenüber merkt, dass man auch über sich selbst lachen kann.
Und noch besser wäre es positiven Humor zu verbreiten, der das Gegenüber besser dastehen lässt. Das ist natürlich anspruchsvoll und schwierig. Wenn Ihnen das Glas herunterfällt, kann ich Sie als trottelig darstellen und mich über Sie lustig machen. Aber wenn ich sage: „Mensch, können Sie gut loslassen, so entspannt wäre ich auch gerne mal!“, hat dies einen ganz anderen, positiven Beigeschmack.
Humor hat demnach viel mit Selbstreflektion und Sensibilität zu tun?
So ist es. Man muss zunächst erkennen können, welche Art von Humor das Gegenüber hat. Daran muss ich mein eigenes Verhalten anpassen. Wenn ich kein Fingerspitzengefühl habe, kann der Humor noch so gut gemeint sein: Es geht schief.
Chirurgen desinfizieren sich vor jeder Operation ausführlich die Hände und bereiten sich so auch innerlich auf die Operation vor. Dass aber der Arzt sich vor jedem Patienten kurz sammelt und auf ihn einstellt, das ist eher selten, wäre aber für die Kommunikation förderlich.
Nehmen wir das Beispiel Hausärzte: Sie haben bis zu 200.000 Patientenkontakte in ihrem Berufsleben, also ungeheuer viele. Diese Kontakte sind ganz unterschiedlicher Natur und die Patienten befinden sich in unterschiedlich vulnerablen Situationen. Gleichzeitig nehmen sie viel auf, doch es bleibt wenig hängen. Studien zeigen, dass der Patient nur 20 Prozent der vermittelten Informationen tatsächlich behält. All dessen muss man sich als behandelnder Arzt bewusst sein. Es ist ein generelles Problem in der Medizin, dass wir Patienten zu oft zurücklassen, denn der Patient hat nach dem Arztkontakt viel Zeit die Situation zu reflektieren und über das Verhalten des Arztes und seine Aussagen nachzudenken.
Und mit Humor behält der Patient ein Mehr an Information?
Das ist zumindest für die Regelschule nachgewiesen. Wenn Lehrer Humor in ihren Unterricht einbauen, bleibt bei den Schülern mehr hängen. Dass dies auch in der Medizin so ist, wollen wir mit einer Studie untersuchen, in der wir das Arzt-Patienten-Gespräch im PET-/MRT-Scanner analysieren. Aktuell sind wir dabei die ethik- und strahlenmedizinischen Anträge zu schreiben. Gerade die Strahlenmedizin hat hier leider eine lange Vorlaufzeit.
Es geht dabei nicht darum, alle fünf Minuten einen Kalauer zu produzieren, sondern in der richtigen Situation immer mal wieder einen humorvollen Satz einzubauen, um die Konzentration des Gegenübers wieder zu schärfen. Es kommt letztlich immer darauf an, wie man Fakten formuliert. Das Risiko, dass etwas passiert, liegt bei 20 Prozent. Oder: Zu 80 Prozent passiert nichts. Das ist ein entscheidender Unterschied. Man kann ein Gespräch auch wohlwollend, positiv besetzt, humorvoll und patientenorientiert führen, so dass der Patient positiv in die Behandlung geht und weniger Angst hat. Das ist für den Therapieerfolg entscheidend.
Arzt mit Humor
Das nächste offene Humortraining des Deutschen Instituts für Humor findet am 22./23. September 2017 in Leipzig statt. Infos und Anmeldung unter: https://hausarzt.link/nYLIy
Mehr zum Projekt: www.arzt-mit-humor.de