Berlin. Über Organspenden sollen sich Patienten künftig verstärkt bei ihren Hausärzten informieren können. Dies sei ein sehr persönliches Thema und für viele mit Fragen und Unsicherheiten verbunden, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, am Dienstag (16. Oktober). Hausärzte, die ihre Patienten in der Regel seit vielen Jahren kennen, könnten sie bei dieser wichtigen Entscheidung begleiten und über Fakten aufklären.
Der Verband startet deswegen eine neue Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die Hausärzte in dieser beratenden Rolle unterstützen soll. Im November erhalten dabei 30.000 niedergelassene Hausärzte ein Informationspaket: Dieses umfasst neben einer Basisbroschüre mit den wichtigsten Fragen und Antworten zur Organ- und Gewebespende auch Broschüren zum Thema Hirntod und zur korrekten Dokumentation der Entscheidung bezüglich einer Organ- und Gewebespende in der Patientenverfügung. „Ziel unserer gemeinsamen Kampagne ist es, die Kollegen in den Praxen zu unterstützen und ihnen die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen“, erklärt Weigeldt den Hintergrund der Zusammenarbeit.
„Wir wissen, dass die aktuell laufenden öffentlichen Debatten Fragen bei den Bürgern aufwerfen“, erklärte BZgA-Abteilungsleiter Peter Lang. So wünschten sich einer Repräsentativbefragung aus seinem Haus zufolge 44 Prozent der Befragten mehr Informationen, jeder vierte gebe an, mit dem Hausarzt darüber sprechen zu wollen. 15 Prozent derjenigen, die einen Organspendeausweis besitzen, haben diesen in ihrer Arztpraxis erhalten.
Nicht Werbung, sondern Aufklärung
Dabei machten sowohl Lang als auch Weigeldt deutlich, dass es bei der Kooperation nicht um eine Werbekampagne für die Organspende gehe – vielmehr gehe es um Aufklärung, damit jeder Patient autonom eine Entscheidung treffen könne, so Weigeldt. „Das Gespräch kann bei der Entscheidungsfindung entscheidend sein“, so Lang. „Der Grund, dass sich einfach noch nicht mit dem Thema befasst wurde, ist aktuell der häufigste Grund dafür, dass noch kein Organspendeausweis vorhanden ist.“ In der BZgA-Umfrage gaben das 40 Prozent der Befragten an.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ralf Brauksiepe, sagte, er hoffe, dass die Initiative möglichst viele Menschen zu einer Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema anregen könne. „Die prinzipiell hohe Organspendebereitschaft in Deutschland schlägt sich bislang nicht in den Zahlen der Organspenden nieder“, so der Patientenbeauftragte. In Deutschland warten laut Gesundheitsministerium mehr als 10.000 Menschen auf Spenderorgane. Die Zahl der Spender erreichte 2017 aber einen Tiefpunkt von 797. Dies habe vielfältige Gründe, unter anderem aber auch Unsicherheit in Bezug auf Fragestellungen zu Hirntod und Ablauf der Organspende, erklärte Brauksiepe in Berlin. „Wer kann diese Fragen besser adressieren und beantworten als der Hausarzt als Arzt des Vertrauens?“
Hausärzte benötigen Zeit für das Gespräch
Hausärzte-Chef Weigeldt erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass diese Beratung jedoch Zeit brauche. Dass die große Koalition die sprechende und hausärztliche Medizin ausdrücklich stärken will und dieses Ziel im Koalitionsvertrag festgehalten hat, begrüße man daher sehr. „Ein solches Gespräch ist nicht in zwei Minuten getan.“
Der Beratungsbedarf könnte laut Weigeldt mit der aktuellen Debatte um die Einführung einer Widerspruchslösung zunächst noch weiter steigen, prognostiziert er im Interview mit “Der Hausarzt”. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, die Regelung zur Organspende so zu reformieren, dass künftig jeder automatisch zum Organspender würde, der nicht explizit widerspricht. Die Regelung, die in anderen europäischen Ländern bereits Alltag ist, hatten der Deutsche Ärztetag und die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbands in entsprechenden Beschlüssen in der ersten Jahreshälfte befürwortet.