Kasuistik
Anamnese: Herr B., 35 Jahre alt und als Sachbearbeiter bei einer Krankenkasse tätig, verspürt seit ca. 24 Stunden einen permanent an Intensität zunehmenden, anhaltenden Schmerz in der Analregion. Inzwischen kann er kaum noch sitzen. Schmerzen in diesem Körperbereich hat er bisher nie verspürt, auch die Verdauung sei regelmäßig. An Vorerkrankungen ist eine Appendektomie vor fünf Jahren erwähnenswert. Keine regelmäßigen Medikamente, Alkoholgenuss: eine Flasche Bier pro Tag, kein Nikotin.
Befund: 35-jähriger adipöser Patient, BMI 34,6 kg/m2 KOF. RR 140/75 mmHg, HF 84/min. Abdomen weich und eindrückbar, Leber und Milz nicht tastbar vergrößert, keine pathologische Resistenz, Nierenlager frei. Bei der analen Inspektion imponiert eine gut kirschkerngroße, prallelastische, kugelige Vorwölbung von livider Verfärbung bei drei Uhr in Knie-Ellenbogen-Lage. Schon bei leichtem Druck erhebliche Schmerzangabe. Aus diesem Grund wird zunächst auf eine weitere anale und rektale Diagnostik verzichtet.
Diagnose, Therapie und Verlauf: Der Hausarzt stellt eine klassische akute perianale Thrombose fest. Um dem Patienten zunächst Erleichterung zu verschaffen, führt er nach vorheriger Aufklärung und Einwilligung eine Stichinzision durch mit anschließender vorsichtiger Expression des Thrombus.
Bei einem nächsten Termin nach fünf Tagen sind die Beschwerden soweit abgeheilt, dass jetzt eine Proktoskopie und Rektoskopie möglich ist. Hierbei finden sich leichtgradige Hämorrhoiden bei drei und neun Uhr in Knieellenbogenlage.
EBM
Da Herr B. (s. Kasuistik) das erste Mal die Praxis des Hausarztes betritt, kann dieser die Versichertenpauschale altersabhängig mit der 03000 EBM abrechnen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ergänzt automatisch die Pauschalen 03040, 03060, 03061 und 32001. Für die Stichinzision am ersten Tag gibt es im EBM die GOP 02300 (6,07 Euro), dem kleinchirurgischen Eingriff bis zu fünf Minuten Dauer.
Zum zweiten Termin kann der Hausarzt dann die GOP 30600 abrechnen, da er im Besitz einer entsprechenden Genehmigung der KV ist. Dabei handelt es sich um den prokto-rektoskopischen Zuschlag (9,06 Euro), der bei entsprechender Qualifikation möglich ist. Im Anschluss führen Arzt und Patient ein zwölfminütiges Gespräch, wofür der Arzt die GOP 03230 abrechnet.
GOÄ
Die Abrechnung der Erstberatung und Untersuchung erfolgt mit den Nrn. 1, 7 und 11. Für die Spaltung der Perianalthrombose hält die GOÄ eine eigenständige Position vor, die Nr. 763. Im weiteren Verlauf kann der Hausarzt – auch ohne Genehmigung – sowohl die Proktoskopie (Nr. 705) als auch die Rektoskopie (Nr. 690) nach erneuter vorheriger rektaler Untersuchung abrechnen, zusätzlich zur Nr. 5. Eine eingehende Erörterung, um ein Widerauftreten zu vermeiden, ist mit der Nr. 3 möglich, jedoch in einer gesonderten Konsultation ohne technische Leistungen.
HZV
Bei den Hausarztverträgen (HZV) der KV Hamburg gilt: Einige Kassen vergüten eine HZV-Strukturpauschale, einmalig im Jahr und von unterschiedlicher Höhe (AOK, BKK, EK, hkk; 16 bis 66 Euro), und dazu eine kontaktabhängige Quartalspauschale in unterschiedlicher Höhe (35 bis 42 Euro).
Die TK vergütet im ersten Halbjahr eine Pauschale von 95 Euro, die IKKclassic im ersten Quartal eine solche von 60 Euro. Die GOP 02300 wird bei AOK, BKK, TK, hkk und IKK classic als Einzelleistung mit acht Euro honoriert; bei der hkk zusätzlich mit einem Zuschlag von fünf Euro. Nur bei den EK ist die GOP 02300 voll in der Pauschale enthalten.
Schwerpunkt
Abgesehen von der eher selteneren Thrombosespaltung brauchen Hausärzte für proktologische Leistungen im EBM immer eine Genehmigung. Dazu gehören die Zusatzpauschale Prokto-/Rektoskopie nach GOP 30600 (9,06 Euro), der Zuschlag für die Polypentfernung (GOP 30601 / 6,07 Euro) sowie die Behandlungsleistungen der Hämorrhoiden: Sklerosierung GOP 30610 (10,12 Euro) und Ligaturbehandlung GOP 30611 (19,82 Euro).
In der GOÄ gibt es verschiedene Leistungen, die allen der Technik mächtigen Hausärzten zur Verfügung stehen. Dabei können die Proktoskopie (Nr. 705) und die Rektoskopie (Nr. 690) durchaus auch in einer Sitzung abgerechnet werden, wenn unterschiedliche Fragestellungen beantwortet werden. Auch die rektale Untersuchung nach Nr. 11 ist abrechenbar, wenn sie nicht nur der Vorbereitung der Endoskopie dient.
Zur Therapie von Hämorrhoiden gibt es hier zwei Leistungen, die Nr. 764 (11,07 Euro) für die Sklerosierung und die Nr. 766 (13,11 Euro) für die Ligaturbehandlung. Während die Proktoskopie neben der Sklerosierung zusätzlich abgerechnet werden kann, ist sie bei der Nr. 766 in der Leistung enthalten.