Es wird immer schwieriger zu entscheiden, wer wann und von wem auf das Vorliegen einer COVID-19-Infektion getestet werden kann. Schon mit der “Test-Verordnung” war das der Fall. Mit dem Beschluss des Bewertungsausschusses zur neuen 02402 EBM für den Abstrich infolge einer App-Warnung ist es endgültig unübersichtlich geworden.
Kurativer Testfall
Klar ist weiterhin, dass Personen, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden oder nach den RKI-Kriterien (s. Kasten) als infiziert anzusehen sind, mit der Kennziffer 88240 und den ICD-10 Kodes U07.1G oder U07.2G gekennzeichnet werden müssen. In diesen Fällen werden alle Leistungen extrabudgetär vergütet. Der Abstrich aus dem Nasen-/Rachenraum gilt dabei als kurative Leistung und ist als Bestandteil der Versichertenpauschale nicht gesondert berechnungsfähig.
Zwei präventive Testfälle
Rückwirkend zum 14. Mai hat die “Test-Verordnung” des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) definiert, wann Versicherte präventiv getestet werden sollen. Dies müssen aber die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) der Länder veranlassen. Sie können die Tests selbst erbringen oder an “geeignete Dritte” delegieren. Fallen Personen in dieses Raster, müssen Hausärzte an den ÖGD überweisen, selbst Privatversicherte. Selbst aktiv werden können sie nur, wenn eine Beauftragung durch den ÖGD vorliegt. Hierzu müssen mit dem ÖGD Verträge vereinbart werden, die die Honorierung festlegen. In diesen Fällen ist die Testung mit den ICD-Kodes U99.0G und Z11G zu kennzeichnen, rät die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Andere Kodierungsempfehlungen kursieren mittlerweile aber auch.
Eindeutiger ist die Abrechnung von präventiven Tests nach Alarm durch die Corona-Warn-App auf dem Handy eines Versicherten. Er kann sich dann unter anderem an den Hausarzt wenden, der (ohne den ÖGD) testen darf. Seit 15. Juni (begrenzt bis 31. März 2021) hat der Bewertungsausschuss (BA) für die Abstrichentnahme die 02402 EBM geschaffen. Sie ist definiert als “Zusatzpauschale im Zusammenhang mit der Entnahme von Körpermaterial für Untersuchungen nach der (…) 32811 auf (…) SARS-CoV-2 aufgrund einer Warnung durch die Corona-Warn-App zum Ausschluss einer Erkrankung”.
Zudem hat die KBV geklärt, dass sie für die Beratung nach einer App-Warnung abgerechnet werden darf, auch wenn danach kein Abstrich erfolgt. Ärzte dürfen sie einmal am Behandlungstag berechnen, was extrabudgetär mit 10 Euro vergütet wird.
Wichtig: Hier dürfen Ärzte nicht mit der 88240 kennzeichnen, weil es sich um präventive Fälle handelt. Es ist zunächst mit der U99.0 und Z11 zu dokumentieren.
Liegt ein positives Ergebnis vor, ist auf U07.1G, Z22.8G, Z20.8G zu ändern. An den Folgetagen kann meines Erachtens die 88240 angesetzt werden.
Drei Fallkonstellationen:
- kurativer Fall, bei dem ein positives Testergebnis vorliegt und/oder die RKI-Kriterien erfüllt sind (Kennzeichnung mit 88240 und ICD-10-Kode U07.1G oder U07.2G),
- präventiver Fall nach den Vorgaben der “Test-Verordnung”: Testung nur durch den ÖGD oder auf dessen Veranlassung (keine Kennzeichnung mit 88240, aber mit ICD-10-Kodes U99.0G und Z11G),
- “Corona-Warn-App-Fall”: keine Kennzeichnung mit 88240, aber Abrechnung der 02402 EBM und ICD-10-Kode U99.0G und Z11G bzw. bei positivem Ergebnis U07.1G, Z22.8G, Z20.8G.
FAZIT: Wer einen präventiven Anlass für eine Testung hat, aber kein Handy besitzt oder die Corona-Warn-App nicht heruntergeladen hat, muss zur Testung zum regionalen Gesundheitsamt oder einer anderen Einrichtung des ÖGD. An dieser Stelle besteht aber die erste Unklarheit.
Lohnt sich die 02402 EBM?
Die RKI-Kriterien sind im Hinblick auf die Test-Indikation bei einem Kontakt mit Infizierten deckungsgleich mit denen der “Test-Verordnung”. In solchen Fällen müssen wir deshalb den Patienten nicht zum ÖGD schicken. Hausärzte können zwar in solchen Fällen die 02402 EBM wegen des eindeutigen Verweises auf die Warn-App in der Legende dieser Leistung nicht abrechnen, den Fall aber mit der 88240 kennzeichnen und mit U07.2G kodieren.
Finanziell gesehen ist das in der Regel sogar günstiger, denn beim Erstkontakt mit einem solchen Patienten kann die 88240 angesetzt werden. Dadurch resultiert bei zum Beispiel einem 55-Jährigen allein aus dem Ansatz der Versichertenpauschale 03004 EBM und dem Zusatz der hausärztlichen Grundpauschale 03040 EBM ein extrabudgetäres Honorar von 31,42 Euro. Hinzu käme mindestens die ebenfalls extrabudgetär vergütete 03230 EBM (Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung nötig ist) in Höhe von 14,06 Euro.
Diese Leistungen wären theoretisch auch bei der Corona-Warn-App-Konstellation möglich, würden aber nur budgetiert gezahlt. Die so resultierende Quote wird in diesem Fall durch das (extrabudgetäre) Honorar für die 02402 EBM bestenfalls ausgeglichen.
Viele Fragen bleiben offen
Für die Praxis bleiben einige Fragen ungeklärt: Muss man die Inanspruchnahme durch den Patienten infolge einer App-Warnung in irgendeiner Form dokumentieren, um den Leistungsansatz ggf. gegenüber den Prüfgremien der KV begründen zu können? Wie ist vorzugehen, wenn ein von der App alarmierter Patient zur Testung kommt und weitere Personen mitbringt, die sich in der gleichen Warnsituation befunden haben, aber die Handy-App nicht nutzen? Welchen Stellenwert hat die Antikörpertestung, nachdem sie bei der Corona-Warn-App nicht erwähnt und in der “Test-Verordnung” sogar ausgeschlossen wurde?