© Der HausarztDie Frailty Skala der DDG findet Dr. Christof Heun-Letsch sehr hilfreich und übersichtlich.
Schlaganfall oder Wachkoma? Kein geriatrischer Patient!
Zählt ein Wachkoma-Patient auch als geriatrisch? Das möchte eine EBM-Workshopteilnehmerin wissen. Nein, sagt Heun-Letsch, das ist kein geriatrischer Patient, da keine multidimensionelle Erkrankung vorliegt. Gleiches gelte eigentlich auch für einen Schlaganfallpatienten. Andererseits: “Wenn ein über 70-Jähriger ständig in der Praxis nachfragt, wie er denn nun die Tabletten einnehmen soll und es auch nach der fünften Erklärung nicht verstanden hat, dann handelt es sich um einen geriatrischen Patienten”, so Heun-Letsch. Denn dann liege eine “komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art” vor.
Stellt die Hausärztin oder der Hausarzt am Ende fest, dass es sinnvoll wäre, den Patienten zu einem Geriater zu schicken, kommt die EBM-Nummer 30980 (Abklärung vor Durchführung eines weiterführenden geriatrischen Assessments – 193 Punkte bzw. 21,74 Euro) ins Spiel.
“Zukunftsträchtig und lohnenswert”
Der geriatrisch spezialisierte Arzt kann andererseits die 30981 abrechnen (128 Punkte oder 14,42 Euro). Im Anschluss kommt dann eventuell die EBM Nr. 30984 (Weiterführendes geriatrisches Assessment – 871 Punkte, 98,13 Euro) infrage. Hinzu kommt der Zuschlag 30985 (Fortsetzung geriatrisches Assessment – 319 Punkte, 35,94 Euro) je weitere vollendete 30 Minuten, bis zu zweimal im Krankheitsfall.
Die geriatrische Zusatzbezeichnung, findet Heun-Letsch, ist “abrechnungstechnisch und inhaltlich absolut lohnenswert und zukunftsträchtig”. Geriatrisch spezialisierte Ärzte können etwa mit einem Reha-Antrag und oben genannten Leistungen auf rund 300 Euro für den Patienten in einem Quartal kommen.
Hinzu kommen auch noch Gespräche, erinnert Heun-Letsch. Kommt ein Patient aus der Klinik und die/der behandelnde Hausärztin/Hausarzt spricht mit ihm im Anschluss eine gute halbe Stunde, kann natürlich auch dreimal die Gesprächsziffer 03230 Problemorientiertes Gespräch (128 Punkte, 14,42 Euro) angesetzt werden. Zwar sei die Ziffer budgetiert. Dennoch gebe es immer wieder Praxen, die ihr Budget nicht ausschöpfen.
Dass manche Praxen automatisch bei jedem Erstkontakt eines Patienten am Anfang eines neuen Quartals die 03230 ansetzen (weil die KV die Leistungen, die über das Budget hinausgehen, sowieso streichen) ist gefährlich, findet Heun-Letsch. Schließlich könnte das kontrolliert werden und wenn dann die Dokumentation die Gespräche nicht hergeben, könnte eine Praxis in einer Prüfung in Erklärungsnöte kommen.
Tipp: Individuell dokumentieren
Wird bei Gesprächen die EBM Nr. 35110 (Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen – 193 Punkte, 21,74 Euro) herangezogen, die bei mindestens 15 Minuten bis zu dreimal am Tag berechnungsfähig ist, sei die Dokumentation besonders wichtig.
Hier dokumentiert Heun-Letsch immer die Zusammenfassung mit dem Patienten, die er am Schluss des Gesprächs vereinbart hat: zum Beispiel “Stress mit der Oma”, “Prüfungsängste” oder “Jobverlust”. “Würde ich da allgemein psychosomatische Probleme hinschreiben, wüsste ich möglicherweise schon beim nächsten Patientenkontakt gar nicht mehr, was da los war.” Deshalb ist auch für die eigene Arbeitsweise diese Form der individuellen Dokumentation das A und O für Heun-Letsch.
Als Suchtmediziner, sagt Heun-Letsch, war “ich schon zweimal in einer Prüfung”, obwohl es mit solch einem Schwerpunkt von vorneherein logisch und nachvollziehbar ist, dass die Abrechnungshäufigkeit der Psychoziffern hier höher liegt als der Durchschnitt. Umso mehr schätzt Heun-Letsch eine eigene, gute Dokumentation.
Die Hausarztmedizin ist eine denkende und sprechende Medizin, betont Heun-Letsch zum Schluss noch einmal. Deshalb sei eine gute und nachvollziehbare Dokumentation in diesem Fach äußerst wichtig.
Update des Beitrags am 20. Oktober 2022. Hinweis der Redaktion: Das letzte Update beinhaltet den Hinweis, dass die Checkliste nur kostenpflichtig zur Verfügung gestellt wird. Ausgenommen sind Leserinnen und Leser von “Der Hausarzt”, sie erhalten die Checkliste kostenfrei.