Corona-Warn-AppHausärzte haben noch viele Fragen

Die Corona-Warn-App steht in den Startlöchern. Am Dienstagvormittag will die Bundesregierung sie vorstellen. Unterdessen sind für Hausärzte zentrale Fragen für die Praxis noch offen. Immerhin eine ist geklärt: Wie ein SARS2-Test nach der Warnung abgerechnet werden kann.

Die Corona-Warn-App soll am Dienstag verfügbar sein.

Berlin. Am morgigen Dienstag (16.6.) wollen Bundesregierung und Robert Koch-Institut (RKI) die neue Corona-Warn-App vorstellen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag (15.6.) mit. Bis dahin solle die App auch in den Stores zur Verfügung stehen. Ursprünglich hieß es, der Download solle bereits am Montagabend möglich sein.

Mit der App sollen enge Kontakte von positiv Getesteten einfacher nachzuverfolgen sein. Dies umfasst immer die vergangenen 14 Tage. Dadurch könnten Infektionsketten rascher unterbrochen werden, so die Hoffnung. Die Nutzung der App ist freiwillig. Arbeitgeber, Restaurantbesitzer oder Behörden sollen diese auch nicht als Zutrittsvoraussetzungen festlegen dürfen, betonten Regierungsvertreter in den letzten Tagen immer wieder.

Für Ärzte noch einiges ungeklärt

Unterdessen wirft der Umgang mit Personen, die durch die Corona-Warn-App alarmiert wurden, für Ärzte noch einige Fragen auf. Erhalten Nutzer eine Information, dass einer ihrer Kontakte infiziert ist, empfiehlt die App ihnen, sich an einen Arzt, die 116 117 oder das Gesundheitsamt zu wenden. Suchen alarmierte Nutzer infolgedessen die Praxis auf, reicht die App-Warnung für Ärzte, um  einen PCR-Test auf SARS-CoV-2 zu begründen. Die Kosten werden dann von den Krankenkassen übernommen.

Seit Montag (15.6.) hat der Bewertungsausschuss für Haus- und Fachärzte die neue EBM-Zusatzpauschale 02402 (rund 10 Euro) eingeführt. Diese ist für die Testung auf SARS-CoV-2 “aufgrund einer Warnung durch die Corona-Warn-App zum Ausschluss einer Erkrankung” vorgesehen. Für die Beauftragung soll das neue Muster 10C genutzt werden, solange dies noch nicht vorliegt, das Muster 10. Die 02402 EBM ist einmal am Behandlungstag erlaubt, zusätzlich sollten Hausärzte die 32006 angeben, um ihr Laborbudget nicht zu schmälern. Die Ziffer wird extrabudgetär honoriert. Aber Achtung: Die 88240 darf für diese Fälle nicht angegeben werden!

Zum Vorgehen bei “App-Fällen” stellt das Robert Koch-Institut (RKI) Hausärzten ein Merkblatt zur Verfügung.

Wie sollen sich Nutzer verhalten?

Neben der Abrechnung ist für Praxen wichtig, wie sich alarmierte Nutzer verhalten sollen, bis das Ergebnis vorliegt. Werden die Gesundheitsämter hier eine Quarantäne anordnen, bis das Testergebnis bekannt ist, oder müssen sich Betroffene zunächst selbst isolieren? Dies ist nicht trivial für Ärzte. Denn wahrscheinlich kommen vor allem Personen ohne Beschwerden aufgrund eines App-Alarms in die Praxen, um sich deswegen testen zu lassen.

Bürokratisch am einfachsten zu handhaben wäre die Selbstisolation, in der Arbeitnehmer von zuhause aus weiterarbeiten würden, wenn dies möglich ist. Hier müssten aber vor allem die Arbeitgeber unkompliziert mitspielen.

Selbstisolation, Quarantäne oder AU?

Mehr Beratung verursachen sicherlich die anderen beiden Fälle: Personen ohne Symptome dürfen Ärzte – aufgrund fehlender Beschwerden – nach AU-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht krankschreiben. Arbeitgeber werden wahrscheinlich gegenüber Arbeitnehmern jedoch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) verlangen. Für die ersten sechs Wochen müssen sie die Lohnfortzahlung leisten, danach übernimmt die Krankenkasse.

Für das Anordnen einer Quarantäne ist hingegen das Gesundheitsamt zuständig. In diesen Fällen zahlen Arbeitgeber den Lohn für bis zu sechs Wochen weiter und erhalten diesen gemäß Paragraf 65 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom Gesundheitsamt ersetzt. Eine Ausnahme gibt es hier: Erkranken Betroffene während der Quarantäne, dürfen Ärzte eine AU ausstellen.

Schon in der heißen Phase der Corona-Pandemie im März und April kam es deswegen zu zahlreichen Nachfragen und hohem Beratungsbedarf in den Hausarztpraxen. „Der Hausarzt“ und das Institut für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF) haben daher Muster-Formulierungen rund um die AU für Praxen zusammengestellt.

 „Entfernungsmessung wird im Alltag funktionieren“

Auch die technischen Details der Corona-Warn-App führten immer wieder zu Fragen. Den Abstand zwischen zwei Personen soll das Smartphone via Bluetooth ermitteln. Dies birgt einige Fehlerquellen: So können beispielsweise keine Glasscheiben zwischen zwei Personen identifiziert werden oder ob eine Maske getragen wurde. Ebenso können einige Oberflächen das Signal gut reflektieren, was die Abstandsberechnung verfälschen kann.

Die Entwickler der deutschen Corona-Warn-App sind nach ausführlichen Tests allerdings zuversichtlich, dass die geplante Entfernungsmessung per Bluetooth-Funk auch im Alltag funktionieren wird. „Inzwischen sind wir überzeugt, dass wir eine gute Lösung haben, mit der man starten kann – auch wenn wir wissen, dass sie nicht perfekt ist“, sagte SAP-Manager Jürgen Müller. SAP und die Deutsche Telekom haben die App gemeinsam entwickelt.

Das Fraunhofer Institut IIS in Erlangen spielte bei Tests der deutschen App konkrete Szenarien durch: Sitzen in einem Restaurant, Schlangestehen, Aufenthalt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei wurde gemessen, wie präzise die Smartphones die Entfernung erkannten. „Beim realen Einsatz werden wir noch mehr lernen“, sagte Müller.

Abstandsmessung auf Top 50 Geräte angepasst

Von der Deutschen Telekom bekamen Google und Apple eine Liste der 50 meistgenutzten Smartphone-Modelle in Deutschland, sagte Adel Al-Saleh, Chef von T-Systems. Das war nötig, um die Algorithmen zur Entfernungsschätzung auf die einzelnen Geräte anzupassen. Wichtig ist das vor allem beim Google-Betriebssystem Android, wo es eine Vielzahl von Geräten verschiedener Hersteller mit unterschiedlichen Bauteilen und Software gibt.

Geringer Batterieverbrauch

So wie das Verfahren aufgebaut ist, soll es kaum Auswirkungen auf die Batterielaufzeit haben. Das Bluetooth LE (Low Energy), das zum Einsatz kommt, verbraucht ohnehin wenig Strom. Eine größere Belastung der Batterie gäbe es erst, wenn der Hauptprozessor aktiviert würde und damit auch andere Anwendungen wie E-Mail oder Social-Media-Apps anspringen.

Für die Warnfunktion tauschen die Geräte via Bluetooth zufällig erzeugte Krypto-Schlüssel aus. Diese Schlüssel werden nicht permanent verschickt, sondern in Abständen von zweieinhalb bis fünf Minuten als Salve von 16 Schlüsseln binnen vier Sekunden. Auf Basis der Signalstärke wird dabei die Entfernung geschätzt.

Zwei Wege, um Test-Ergebnis zu validieren

Viel beschäftigt haben sich die Entwickler und Prüfer auch mit der Frage, wie in der App die Eingabe eines positiven Testergebnisses abgesichert werden kann, um Fehlalarme zu verhindern. Die offzielle Bestätigung erfolgt entweder über einen QR-Code aus dem Testlabor oder mit Hilfe einer TAN, die Betroffene von einer Telefon-Hotline erhalten.

Die App-Partner hätten ein Formblatt entwickelt, das alle Testlabore in Deutschland nutzen sollen, damit die Ergebnisse standardisiert erfasst werden. Beim Test erhält jeder einen QR-Code. Die Registrierung damit in der App sorgt auch dafür, dass man das Testergebnis auf dem Telefon bekommt. Bei positiven Ergebnissen werden Nutzer ausdrücklich gefragt, ob sie das zur Kontakt-Nachverfolgung teilen wollen.

Bestätigungs-TAN via Telefon-Hotline

Da nicht alle Labore QR-Codes generieren könnten, steht alternativ eine Validierung über ein Call Center der Telekom zur Verfügung. Über die Telefon-Hotline bekommen Betroffene dann eine TAN. Hier sei es zum Beispiel darum gegangen, ein sicheres Verfahren anzuwenden, bei dem die TAN nicht leicht erraten oder die Status-Eingabe durch einen „Brute-Force-Angriff“ durch massenhafte Eingaben erzwungen werden kann, erklärte Dirk Kretzschmar vom IT-Dienstleister TÜV Informationstechnik am Samstag (13.6.).

Die Nutzung der Corona-Warn-App sollte aus Sicht des FDP-Digitalpolitikers Manuel Höferlin durchgängig digital möglich sein. Insbesondere den telefonischen Weg sieht der FDP-Politiker kritisch. „Das ist wirklich eine Krücke“, sagte er am Montag (15.6.).

Kein Zugriff auf andere Daten

Die App werde stabil und sicher laufen, ohne die Anwender auszuspionieren, sagte er. Das habe eine Prüfung der App im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ergeben.

Bei der Überprüfung der App habe man auch kontrolliert, ob Unbefugte Daten abgreifen könnten. „Das ist nicht der Fall. Die Anwender müssen keine Angst vor Überwachung haben.“ Die Entwickler von SAP und T-Systems hätten auch sichergestellt, dass niemand über die App Zugriff auf andere Daten bekomme.

Mit Material von dpa

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