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Ambulante SchmerzpatientenWie die Zusammenarbeit mit Pflegenden gelingt

Die ambulante Betreuung von Schmerzpatienten erfordert eine enge Kooperation zwischen Hausarztpraxis und Pflegenden: Ein unvollständiger und unsystematischer Informationsaustausch gefährdet ärztliche Behandlungserfolge und das Erreichen von Pflegezielen. So lässt sich die Zusammenarbeit mit Pflegeheim oder Pflegedienst optimieren.

Bei der Versorgung ambulanter Schmerzpatienten arbeiten Hausärzte eng mit Pflegeheimen und Pflegediensten zusammen. Ein guter Informationsaustausch ist dabei essenziell. “Wir sind willig, hier konstruktiv mitzuarbeiten”, sagt Allgemeinmediziner Ruben Bernau aus Hambergen in Niedersachsen.

Doch gebe es im Alltag immer wieder Probleme, wenn zum Beispiel Anordnungen nicht adäquat umgesetzt werden oder, so berichten es andere Hausärzte, Anfragen via Fax oder Mail gestellt und nicht zeitnah gesehen werden. Wie lässt sich die Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten optimieren?

Digitale Vernetzung

Die Berliner Allgemeinmedizinerin Dr. Irmgard Landgraf hat schon vor fast zwanzig Jahren eine Antwort auf diese Frage gefunden: Damals vernetzte sie sich digital mit dem Pflegeheim, das sie im Rahmen des “Berliner Projekts” fest betreut. Seitdem erfolgen alle Anfragen des Pflegepersonals an die Ärztin elektronisch.

Zwei Mal am Tag loggt sich Landgraf ins System ein. “Diagnostische oder therapeutische Änderungen liegen den Pflegekräften dann ohne weitere Nachfragen oder Telefonate kurze Zeit später schriftlich in der E-Pflege-Akte vor.

Notwendige Medikamente müssen sie nicht anfordern, sondern sie werden in diesem Versorgungskonzept selbstverständlich von der Lieferapotheke, die unser Rezept aktuell noch per Fax erhält, taggleich auf die Station gebracht”, erläutert Landgraf. Auch in der Pandemie habe sich diese Arbeitsweise mehr als bewährt.

Die Einrichtung einer digitalen Patientenakte sei nicht schwierig. “Zur datenschutzsicheren intersektoralen Kommunikation bedarf es keines großen Aufwandes”, sagt Landgraf. “Wir benutzen Cetrix Client, der einen Zugang über mehrere Passwörter und zum Schluss eine sich alle 90 Sekunden ändernde Tokenziffer vorgibt und damit alle Datenschutzrichtlinien erfüllt.

Den Zugang dazu eingerichtet hat mir die IT-Abteilung des Pflegeheims.”

Seit vier Jahren betreut die Hausärztin zusammen mit einem MVZ ein weiteres Pflegeheim, auch dort mit digitalen Patientenakten. “Allen – den Pflegekräften und auch den Ärzten des MVZ, die bis dahin nie digital vernetzt gearbeitet hatten – ist die Zusammenarbeit über die elektronische Patientenakte sehr schnell gelungen.

Alle haben die damit verbundenen Vorteile rasch gespürt und sind sehr zufrieden damit.”

Mit kleinen Schritten anfangen

Wer neu in diesen Prozess einsteige, solle mit kleinen Schritten anfangen, empfiehlt Landgraf. Im Verlauf optimierten sich Prozesse und Kommunikationsstrukturen, Arbeitsprozesse würden standardisiert.

Langfristig steige die Versorgungsqualität. Hausbesuche im Heim macht sie trotzdem, doch die Arbeitsbasis dort ist mit der guten intersektoralen Kommunikation eine bessere. Die Digitalisierung als Schlüssel zum Erfolg?

Drei Voraussetzungen sieht die Berliner Ärztin, wollen Kollegen ebenso mit Pflegeheimen zusammenarbeiten:

  • die Einführung von elektronischen Pflegeakten in den Heimen,
  • Kooperationsverträge von Heimen mit Ärzten und
  • eine hohe Qualität des pflegenden Personals, damit elektronisch übermittelte Anweisungen sicher und fachlich korrekt umgesetzt werden.

App dokumentiert Schmerz

Auch das Projekt “Aktionsfreie Stadt Münster” zur Versorgung von Schmerzpatienten führte zu der Entwicklung einer digitalen Anwendung. Das Aktionsbündnis hatte über fünf Jahre die Versorgung von Schmerzpatienten in Münster analysiert, wissenschaftlich begleitet wurde es vom Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg.

Als ein Hauptproblem in der Zusammenarbeit zwischen (Haus-)Ärzten, Kliniken, Hospizdiensten und Pflegepersonal identifizierte das Projekt eine mangelhafte Nutzung der vorhandenen pflegerischen und medizinischen Standards und Leitlinien zum Schmerzmanagement.

Auch die Kommunikation der Akteure galt als verbesserungswürdig. Konkretes Ergebnis war neben der Qualifizierung der Akteure die Entwicklung einer App vor allem für den hausärztlichen Bereich, mit der Patienten Schmerzen dokumentieren konnten.

Die “PainApp” sollte die zeitnahe Anpassung des Schmerzmanagements auf der Basis individuell und ortsunabhängig erhobener Patientendaten ermöglichen. Die Universität testete die datensichere mHealth-Anwendung in Zusammenarbeit mit einem Software-Unternehmen.

“Es konnte die nutzerorientierte Applikation PainApp als Prototyp mit hoher Akzeptanz für die Anwendung bei älteren Menschen entwickelt werden”, resümierte Studienleiter Andre Ewers 2018 in der Zeitschrift “Schmerz”.

“Die vorliegende Studie zeigt, dass die dauerhafte Anwendung einer PainApp als digitales Kommunikationssystem für Schmerzpatienten oberhalb von 65 Jahren in der häuslichen Umgebung möglich ist.” Ein Knackpunkt blieb das Geld: Die teilnehmenden Ärzte hatten die fehlende Honorierung des Zeitaufwands kritisiert.

Mittlerweile befinde sich die PainApp in der Anwendung, allerdings nur in geringem Umfang, teilt das Softwareunternehmen Smart-Q Solutions GmbH mit.

Analoge Instrumente

Jenseits digitaler Lösungen gibt es mehrere analoge Instrumente, die das Schmerzmanagement für pflegebedürftige Patienten optimieren sollen. Kooperationsverträge zwischen Hausärzten und Pflegeheimen sollen die Strukturen der Zusammenarbeit sichern, individuelle Vereinbarungen zwischen den Partnern zusätzliche Rahmenbedingungen schaffen.

Mehr als 12.000 VERAH® sind mittlerweile Bindeglied zwischen Hausärzten und Pflegenden.

Der “Rahmenvertrag Entlassmanagement” soll den nahtlosen Übergang von der stationären in die ambulante medizinische und pflegerische Versorgung und die lückenlose Weiterversorgung pflegebedürftiger Patienten gewährleisten.

Zum September 2020 hat das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege mit dem Expertenstandard “Schmerzmanagement in der Pflege” zwei bis dato gültige Expertenstandards zum Thema zusammengeführt und Handlungsempfehlungen für die Versorgung pflegebedürftiger Patienten aktualisiert.

Das Gespräch suchen

Die beste Handreichung ist aber nur so gut, wie sie auf die individuelle Situation des Patienten anwendbar ist – und wie sie eingesetzt wird. Dabei sind die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Patienten und die Kommunikation mit Behandlungspartnern auf beiden Seiten gleich: eine hohe Arbeitsdichte, bürokratische Anforderungen, Personalengpässe durch Krankheit und Urlaub, Personalmangel durch fehlenden Nachwuchs und reduzierte Arbeitszeiten in Folge von Alter und Erschöpfung.

Hausärzte müssen zusätzlich mit einer großen Zahl von Ansprechpartnern – es gibt in Deutschland allein mehr als 13.000 ambulante Pflegedienste – und wechselndem Personal agieren. Gemeinsame Besuche am Krankenbett sind in der Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten eher selten, die Kommunikation läuft fast immer zeitversetzt. Die Corona-Pandemie erschwert diese Situation zusätzlich.

Dennoch muss ein Arzt zeitnah informiert werden, wenn ein Patient Schmerzen hat. Doch es kann an vielen Stellen haken. “Wir bekommen immer wieder Faxe, wenn es um die Behandlung von akuten Schmerzpatienten geht”, sagt Dr. Christian Pfeiffer, Hausarzt im unterfränkischen Giebelstadt.

Selbst wenn die Medizinischen Fachangestellten das digitale Fax kontinuierlich im Blick haben: Kommen die Anfragen außerhalb der Sprechzeiten, ist eine schnelle Bearbeitung nicht machbar. Nicht immer lässt sich zudem die Dringlichkeit des Anliegens aus der schriftlichen Formulierung ablesen.

“Wir haben deshalb schon mehrfach darum gebeten, uns bei akuten Fällen telefonisch zu kontaktieren”, sagt der Allgemeinmediziner. “Es funktioniert aber nicht nachhaltig. Da hilft nur immer wieder aufs Neue das Gespräch zu suchen. Das kann auf Dauer frustrierend sein.” Er kennt diese Probleme bei der Zusammenarbeit mit Pflegeheimen; mit ambulanten Pflegediensten laufe die Kommunikation besser.

Strukturen stetig optimieren

Ruben Bernau aus Hambergen berichtet von gegensätzlichen Erfahrungen. Die Zusammenarbeit mit Pflegeheimen laufe wesentlich strukturierter als mit ambulanten Pflegediensten. “Trifft man sich am Patientenbett, ist die Kommunikation gut und ergebnisorientiert”, sagt der Allgemeinmediziner.

Diese Treffen seien aber nicht die Regel und nur schwer abzustimmen. Auf Vertrauensbasis arbeitet er deshalb nur mit Pflegediensten zusammen, die er schon lange kennt. Vor allem bei wechselnden Pflegenden oder unerfahrenen Kräften würden Anordnungen immer wieder nicht oder nicht zeitnah umgesetzt, sei der Informationsfluss schwierig.

Andere Kollegen berichten, sie gäben grundsätzlich nur mündliche Anweisungen. Das Pflegepersonal solle die Anordnungen so aufschreiben, dass es diese verstünde.

Die optimale Versorgung von pflegebedürftigen Patienten im Allgemeinen und Schmerzpatienten im Besonderen steht und fällt deshalb mit der Bereitschaft aller Seiten, Strukturen zu schaffen, diese einzuhalten und stetig zu optimieren.

Die Digitalisierung kann hier nur ein Weg sein. Sie funktioniert nicht bei Patienten in Kurzzeitpflege, das sagt auch Dr. Irmgard Landgraf. Arbeiten Ärzte nicht fest mit einem Heim zusammen oder mit ambulanten Pflegediensten, ist die Einführung einer digitalen Akte zumindest eine Herausforderung.

“Es ist auch im ambulanten Pflegedienst möglich und wird teilweise schon praktiziert”, sagt Landgraf. “Mir ist aber nicht bekannt, dass ambulante Pflegedienste die Akte so nutzen, wie wir das im Pflegeheim machen – zur digitalen Kommunikation und vernetzten Zusammenarbeit. Software-Lösungen, mit denen das möglich ist, gibt es aber bereits.”

Literatur bei der Verfasserin.

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