Nehmen Patienten Antikoagulanzien, stehen sie unter besonderem Augenmerk von Hausärzten wie MFA. Denn der gewünschte Effekt, die Gerinnungshemmung, geht mit einem höheren Risiko einer Blutungskomplikation einher. Regelmäßig muss daher die Behandlung überprüft werden. Wie die Kontrollen effizient in den Praxisablauf eingebaut werden können, haben bei einem practica-Teamseminar mehr als 30 Hausärzte und MFA diskutiert.
Neue orale Antikoagulanzien (NOAK) werden immer häufiger eingesetzt, auch wenn sie bei Patienten mit künstlichen Herzklappen nicht geeignet sind. Sind Patienten gut auf Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eingestellt, sollen sie diese weiter erhalten. Das hat die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) in ihrem Leitfaden für nicht-valvuläres Vorhofflimmern ausdrücklich bestätigt [1].
In der Praxis können Checklisten Ärzten und MFA helfen, im Alltag keine wichtigen Maßnahmen zu übersehen. Tabelle 1 zeigt die Schritte für eine Therapie mit VKA oder NOAK. Bei VKA kommen weitere Maßnahmen hinzu: Einmal die Blutabnahmen, um die International Normalized Ratio (INR) zu prüfen (Tab 2). So darf das Verfallsdatum der Citratröhrchen nicht überschritten sein, da danach das Vakuum abnimmt und so die Mindestfüllmenge nicht reicht. Zudem muss das Blut rasch ins Röhrchen fließen können und durch Kippen sofort mit dem Citratpuffer gemischt werden, bevor die Gerinnung einsetzt. Bei schwierigen Venen und mehreren Röhrchen hilft ein Butterfly, sonst kann die Kanüle beim Wechsel verrutschen.
Wichtiges Beweismittel außer Haus
Ein weiterer Schritt bei den VKA besteht darin, die gemessenen Werte und Dosierungen an den Patienten zu übermitteln. Einige Ärzte tragen die Einzeldosen selbst in die Ausweise der Patienten ein. Aber nicht immer achten sie darauf, dass oder ob die Dosierungen auch in der Patientendatei der Praxis dokumentiert werden – damit geben sie ein wichtiges „Beweismittel“ außer Haus.
Dazu folgendes Szenario: Der Patient erleidet eine schwere Blutung. Die Angehörigen behaupten, der Arzt hätte falsch dosiert. Wo findet der Arzt nun den Beweis, um sich zu entlasten? Das passt nicht ins sonstige Sicherheitskonzept einer Praxis.
Jeder Arzt sollte daher anordnen, dass die verordneten Dosen in der Patientendatei notiert werden. Theoretisch müsste eine MFA bei drei Wochen Therapie also mindestens 20 Dosierungen eintragen: ein erheblicher Arbeitsaufwand mit Verwechslungsgefahr in Stresssituationen, denn die Werte variieren nur sehr gering!
Alternativ dazu kann die MFA den Patienten-Ausweis kopieren oder einscannen, um ihn in der Akte abzulegen, oder sie dokumentiert die Wochendosis. Für die Wochendosis gibt es eine eigene Spalte im Ausweis, den Roche oder MEDA kostenfrei ausgeben.
Zeitersparnis durch Wochendosis
Die Wochendosis kann den Praxisablauf entlasten. Dafür müssen Arzt oder MFA zuerst alle in der Praxis üblichen Wochendosen einmal in einer Übersicht zusammenfassen (Tab 3). Diese ist an jedem Arbeitsplatz und im Ordner Qualitätsmanagement griffbereit. Alle Patienten, die eine Wochendosis von 5,5 bekommen, nehmen dann nach dem Schema abwechselnd eine und eine halbe Tablette. Die Therapie beginnt immer montags. Jede Praxis kann natürlich für sich eigene Reihenfolgen festlegen.
Ein Beispiel: Der Arzt sieht, dass der INR stabil geblieben ist, und teilt der MFA mit, dass die Wochendosis für drei Wochen unverändert bleibt. So kann sie die Einzeldosen in den Ausweis eintragen. Jetzt kommt der Zeitspar-Effekt: In der Patientendatei notiert sie nur noch: „WD = 5,5 für 3 Wo“. Anderes Beispiel: „WD = 6,0 – 6,5 – 6,0“. Nur einmalig geänderte Dosen muss man weiter einzeln notieren.
Einige Praxisverwaltungsprogramme wie Turbomed, Quincy oder Duria bieten ein Formular dazu an. Dort legt der Arzt die Wochendosen für alle Patienten fest und speichert diese in den Einstellungen des Formulars. Erstellt man einen neuen Therapieplan, gibt man nur noch die Wochendosis ein – das System schreibt die Tagesdosen selbstständig. Einzeldosierungen kann man ändern. Der Patient erhält dann den Ausdruck.
MFA kann die Dosis definieren
Die Blutabnahme und das Übermitteln der Dosierung war schon immer die Domäne einer MFA. Arbeitet sie sorgfältig, kann sie die damit verbundenen Risiken vermindern. Im Praxisalltag können Ärzte die MFA aber noch stärker in die Betreuung aller Patienten mit antikoagulativer Therapie (auch NOAK) einbeziehen (s. Tab 1).
Obwohl es Ärzte sehr entlasten würde, ist es bisher in vielen Praxen nicht üblich, dass die MFA selbstständig die VKA-Dosierung ausarbeitet – gerade mit dem Prinzip der Wochendosis. Dass dies in der Praxis aber gut funktioniert, bestätigten einige MFA bei der practica in Bad Orb, die diese Aufgabe selbstständig übernehmen.
Wozu die TTR?
Immer wieder taucht bei der Antikoagulation die Frage auf: Was ist die TTR und wie wird sie angewendet? Geht ein Praxisteam nach den Checklisten (Tab 1 und 2) vor, leistet es schon optimale Arbeit. Wer zudem wissenschaftlich arbeiten will, kann bei den VKA die Time in Therapeutic Range (TTR) bestimmen.
Die Therapie mit VKA wird mit der Prothombinzeit (als INR) überwacht. Die Messung der INR bei NOAK ist hingegen nicht verwertbar als Therapiekontrolle oder für das Maß der Blutungsgefährdung. Die TTR gibt die Güte der INR-Einstellung an [2]. Den Begriff hat Rosendaal in den 90er Jahren geprägt. Der Wert sagt aus, in wieviel Prozent der Behandlungszeit der INR-Wert im Zielbereich liegt. Rosendaal hat für die Berechnung des TTR-Werts zwei Methoden vorgeschlagen:
- Die einfache Methode berechnet den Prozentanteil der INR-Werte, die im Zielbereich liegen. Das kann eine Excel-Tabelle leisten. Sie ist praktisch, wenn man die Therapiepläne per EDV erstellen will, dort aber kein Formular dafür vorliegt. Diese Methode entspricht auch der Auswertung bei dem neuen Patienten-CoaguChek-Gerät der Firma Roche und nennt sich dort „INRange“.
- Bei der zweiten Methode werden für alle Tage zwischen den einzelnen Messungen INR-Werte durch lineare Interpolation berechnet und dann der Durchschnitt und der prozentuale Anteil der Messungen, der im Zielbereich liegt, gebildet [3]. Diese Variante liegt dem TTR-Rechner (s. Abb) zugrunde. Er kann auch bestimmte Zeitabschnitte von der Berechnung ausschließen, etwa Bridging-Zeiten. Außerdem werden die Berechnungen als Text ausgegeben.
Fazit
- Erhalten Patienten eine Antikoagulation mit VKA oder NOAK müssen sie regelmäßig ärztlich überwacht werden.
- Checklisten unterstützen das Praxisteam dabei, keine wichtigen Maßnahmen zu übersehen.
- INR-Werte und Dosierungen sollten nicht nur im Patienten-Ausweis, sondern auch in der Patientenakte der Praxis dokumentiert werden. Die Methode der Wochendosis kann dabei Arbeit und Zeit sparen. Auch MFA können bei entsprechender vorheriger Schulung und Erfahrung die Dosierung selbstständig festlegen.
- Wer es sehr genau wissen will und womöglich sogar wissenschaftlich arbeitet, ermittelt zusätzlich die TTR.
Service
Literatur, die Wochendosis-Tabelle mit Möglichkeit zur eigenen Anpassung, die TTR-Rechner nach beiden Methoden und eine Checkliste zur Fehlersuche können Sie bei den Autoren anfordern.
- Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, dass keine bestehen.*
Literatur
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- Conolly et al. Benefit of Oral Anticoagulant Over Antiplatelet Therapy in Atrial Fibrillation Depends on the Quality of International Normalized Ratio Control Achieved by Centers and Countries as Measured by Time in Therapeutic Range. Circulation. 2008;118:2029-2037.
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- Rosendaal. A Method to Determine the Optimal Intensity of Oral Anticoagulant Therapy. Thrombosis and Haemostasis © F. K. Schattauer Verlagsgesellschaft mbH (Stuttgart) 69 (3) 236239 (1993)