Impfplan der BundesregierungWo kommen Impf-Ärzte her?

Der Aufbau der Impfzentren läuft auf Hochtouren. Dabei zeigt sich schon heute ein Nadelöhr: die Gewinnung von Personal. Was Hausärzte jetzt wissen müssen – von möglichen neuen Attest-Anfragen bis zur Vergütung von Impf-Diensten. Plus: So weit sind die einzelnen Länder.

Pieks - und dann "Der Nächste, bitte!": In den Covid-Impfzentren sollen bis zu 96 Menschen pro Tag geimpft werden.

Berlin. Während die Bundesregierung den Aufbau der Corona-Impfzentren vorantreibt und sich die Länder flächendeckend mit Materialbestellungen auf den Impfstart vorbereiten (siehe Tabelle unten), bleibt eine wichtige Frage bislang in weiten Teilen unbeantwortet: die der Personalgewinnung. Denn um die flächendeckend geplanten Impfzentren zu betreiben, ist ein breites Personaltableau vorgesehen: von Verwaltungspersonal und Sprachmittlern über Sicherheitspersonal zur Zutrittskontrolle bis hin zum notwendigen ärztlichen Personal. Das geht aus den 24 Seiten langen „Empfehlungen für die Organisation und Durchführung von Impfungen gegen SARS-CoV-2“ der Bundesregierung hervor.

Das Papier sieht für die Impfzentren eine Art „Fließbandarbeit“ vor: fünf Minuten Dokumentation, fünf Minuten ärztliche Aufklärung, Pieks. Bis zu 96 Impfungen am Tag sind pro ärztlicher Acht-Stunden-Schicht vorgesehen. Zeit gespart werden könne eventuell durch die Aufklärung ganzer Gruppen, die zum Beispiel nach den Impfstoffen geclustert werden könnten, heißt es.

Ein Nadelöhr scheint der Bundesregierung dabei schon heute bewusst zu sein: „Insbesondere beim medizinischen Personal kann es zu personellen Engpässen kommen“, heißt es in den offiziellen Empfehlungen. Immerhin müssen auch mobile Teams, die nichtmobile und vulnerable Patienten beispielsweise in Pflegeheimen aufsuchen sollen, personell mitbedacht werden. Bereits Mitte Dezember, also in gerade einmal vier Wochen, sollen die Strukturen in weiten Teilen Deutschlands stehen.

Insgesamt dürfte es Hausärztinnen und Hausärzten entgegen kommen, dass die Impfungen zunächst in Zentren organisiert werden. Denn die Lagerung der Impfstoffe erfordert eine Kühlung bei mindestens minus 60 Grad, das können Praxen kaum gewährleisten. Damit Praxen aber nicht mit Patientenanfragen und Attestwünschen überflutet werden, braucht es eine klare Kommunikation, wer überhaupt für eine Impfung infrage kommt, wie die Termine vergeben werden etc. Gerade hier sind jedoch noch bedeutende Fragen offen (siehe unten).

Engagement Niedergelassener gefragt

Die im Papier angestrebte „schnelle und flexible Personalgewinnung“ ist damit in besonderem Maße auf die Bereitschaft auch niedergelassener Ärztinnen und Ärzte gebaut. Neben ihnen könnten auch Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD), Kliniken, Bundeswehr, Hilfsorganisationen sowie Medizinstudierende tätig werden, heißt es zwar. Jedoch dürfte bereits heute klar sein, dass maßgeblich Hausärztinnen und Hausärzte diese neue Aufgabe mit stemmen werden. Bereits in den Corona-Ambulanzen zu Beginn der Pandemie waren zahlreiche neben dem eigenen Praxisbetrieb eingebunden, unter anderem Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe, mit ihrem gesamten Praxisteam oder Dr. Barbara Römer, Hausärzteverbandschefin in Rheinland-Pfalz.

Prof. Rüdiger von Kries, Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO), gab im “ARD extra” jüngst bereits zu bedenken, dass “der ÖGD so weit ausgedünnt ist, dass der das sicherlich nicht stemmen kann”. Man werde daher versuchen, andere Ärzte zu gewinnen – etwa Ärzte im Ruhestand. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht das ähnlich: Große Teile der Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit zu impfen, sei nur mit den Vertragsärzten möglich, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister am Mittwoch (18.11.). Impfen sei Arztsache, insbesondere bei einem neuen Impfstoff und der Menge an Impfungen, die benötigt würden, unterstrich Hofmeister.

In ersten Regionen, unter anderem Bayern und Thüringen, rekrutieren die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) bereits proaktiv Freiwillige. In Bayern haben sich KV-Angaben zufolge 1.850 Ärzte gemeldet; fraglich bleibt, ob auch in dünner besiedelten Regionen flächendeckend Personal gestellt werden kann. Da die Versorgung in den Praxen dabei weiterlaufen muss, ist essenziell, dass dies freiwillig bleibt.

Absage für impfende Zahnärzte

Eine klare Absage kassiert unterdessen der Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen, über eine Änderung der Approbationsordnung auch Zahnärzten das Impfen zu ermöglichen. Der Vorschlag sei “nicht nachvollziehbar”, erklärte der Vorsitzende des Hausärzteverbands Nordrhein, Dr. Oliver Funken. Auch die Hessische Landesärztekammer machte der Idee am Mittwoch (18.11.) eine klare Absage. Deren Chef Dr. Edgar Pinkowski mahnte zudem, die mit der geplanten Impfung verbundenen erheblichen Haftungsrisiken für Ärztinnen und Ärzte staatlicherseits umfassend abzusichern.

Die Impfstrategie der Bundesregierung sieht die Impfung in den Praxen aber erst in einer dritten Phase vor. In den ersten beiden Phasen, wenn der Impfstoff noch begrenzt ist und sich wahrscheinlich hohe Anforderungen an die Lagerung wie etwa eine Kühlung bei minus 60 Grad stellen, sollen allein die Impfzentren die Arbeit übernehmen – unter Einbezug der Hilfe der Niedergelassenen.

Dabei stellen sich auch für die ersten beiden Phasen für Hausärztinnen und Hausärzte noch erhebliche Fragen.

Wer rekrutiert das Personal?

Für die „Mobilisierung, Koordinierung und vertragliche Regelungen“ des Personals sind laut den Empfehlungen des Bundes die Kommunen zuständig. Die KVen unterstützen, wie vielerorts bereits durch Aufrufe an die Ärztinnen und Ärzte geschehen.

Auch das Bundesgesundheitsministerium verweist auf Anfrage von “Der Hausarzt” an die Länder, die demnach auch zuständig seien, wenn sich beispielsweise in dünner besiedelten Regionen nicht ausreichend (medizinisches) Personal finden würde. Hausärztinnen und Hausärzte aus der Praxis mahnen, dass hier kein Zwang angesetzt werden dürfe.

Wie werden Impfdienste vergütet?

In den offiziellen Empfehlungen werden zur Vergütung fünf Punkte genannt. Die „spezifische Rekrutierung und Vergütung auf Zeit“, wozu Tagessätze analog zu jenen für Dienste in den Corona-Ambulanzen zählen dürften, ist dabei genannt neben Abordnung, Amtshilfe, Freistellung und Ehrenamt.

Eine Standardregelung hinsichtlich der Vergütung und Versicherung von Kräften in mobilen Impfteams gebe es nicht. „Sollten diese nicht subsidiär seitens ihrer Arbeitgeber bzw. Organisationen tätig sein, sind eigene vertragliche Regelungen erforderlich“, heißt es.

Wer übernimmt die Patientenaufklärung?

Die Patientenaufklärung ist nur eines von vielen Beispielen, das verdeutlicht, wie Bund, Länder, Kommunen und Ärzte zusammenarbeiten werden müssen.

Der Bund ist laut eigenem Papier zuständig für die allgemeine „Kommunikation an die Bevölkerung zu den Aspekten der COVID-19 Impfung“. Dafür werde nun ein Steuerungskreis Kommunikation eingerichtet, welcher unter anderem Ministerium, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Paul-Ehrlich-Institut (PEI), RKI und “beteiligte Agenturen” umfasse, erklärt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums gegenüber “Der Hausarzt”.

Die “Ansprache bzw. Impfaufforderung zu priorisierender Impfgruppen” ist Ländersache. Genannt ist im Papier aber auch explizit die „Möglichkeit einer „Vorabinformation“ z.B. durch Hausarzt oder mittels Videobotschaft. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass sich Patientinnen und Patienten – wie in vielen anderen gesundheitlichen Fragen – im Vorfeld an ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt wenden.

Die tatsächliche medizinische Aufklärung zur Impfung muss dann im Impfzentrum vor Ort stattfinden. Sie kann “ausschließlich durch ärztliches Personal erfolgen – im Gegensatz etwa zur Impfung an sich, die an geschultes medizinisches Assistenzpersonal delegiert werden kann“, heißt es im Papier.

Wer prüft, ob eine Person impfberechtigt ist?

Die “Prüfung der tatsächlichen Impfberechtigung” ist erst vor Ort im Impfzentrum möglich. Die Frage, ob die vorstellige Person “Teil der zu Impfenden Zielgruppe” ist, könne demnach auf verschiedenen Wegen passieren: etwa durch Überprüfung des Alters per Ausweis, eine Bescheinigung des Arbeitgebers – oder unter Umständen mittels “ärztlichem Überweisungsschein / Impfberechtigungsbescheinigung bei Vorerkrankungen”.

Sprich: Hausärztinnen und Hausärzte könnten durch diesen Passus doch in die Situation gebracht werden, nicht nur einen weiteren bürokratischen Akt auferlegt zu bekommen, sondern doch auch in die Priorisierung von Patientinnen und Patienten eingebunden zu werden. Hier betonen zahlreiche Stimmen aus der Praxis, dass dies nicht geschehen dürfe, auch um gute bestehende Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnisse nicht zu beschädigen.

Wer vergibt Termine zur Impfung?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KVen sollen die Länder beim Aufbau und der Ausstattung der Impfzentren sowie bei der Durchführung der Impfungen unterstützen – etwa durch Terminmanagement über die Terminservicestellen. So könne eine Terminvereinbarung entweder telefonisch über die 116 117 oder digital über eine entsprechende App erfolgen. Doch: Phasenweise war die 116 117 bereits in den Hochphasen der Corona-Pandemie überlastet. Bei großem Andrang bezüglich der Impfung könnte dies möglicherweise wieder geschehen.

Gemeinsam erarbeite man aktuell “ein standardisiertes Modul zur Terminvereinbarung für alle Impfzentren einschließlich mobiler Impfteams”, teilt das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mit. “Dieses Modul soll ein Angebot an die Länder werden, das auf den Strukturen der 116 117 aufbauen wird – inklusive der digitalen Anwendungen. Die Länder werden aufgrund ihrer Zuständigkeit entscheiden, ob sie ein Callcenter eigenständig oder in Kooperation mit der KV betreiben.” Es bleibe jedoch den Ländern überlassen, ob sie dieses Angebot nutzen oder eigenständig Strukturen aufbauen.

Fest steht bereits, dass gleich beide Termine – sowohl für die Erst- als auch für die Folgeimpfung – vergeben werden sollen, um Impfdosen besser zu disponieren. Zur Impfung im Impfzentrum können dabei sowohl einzelne Personen als auch Gruppen (z.B. Arbeitnehmer aus einer Organisationseinheit einer spezifischen Berufsgruppe) erscheinen.

Wie weit sind die einzelnen Länder im Aufbau der Zentren?

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