Nimmt man die „Strukturverträge“ genauer unter die Lupe, muss man feststellen, dass es bei ihnen letztlich nur darum geht, die Hausärztinnen und Hausärzte zu noch detaillierterem Kodieren zu bewegen. Ziel der Kassen ist es, so ihren Anteil aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) in die Höhe zu treiben. Im Mittelpunkt steht also mitnichten die Qualität der Behandlung der Patienten, sondern lediglich die Kodierleistung des Arztes.
Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, bezeichnete diese Verträge in seinem Bericht zur Lage auf der Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes in Freiburg als „eigentlich unwürdig“. Selbstverständlich, auch das betonte er, sei es wichtig, die Krankheiten der behandelten Patienten vernünftig zu dokumentieren und zu kodieren, eine reine Krankheitsorientierung sei der Hausarztmedizin jedoch eigentlich fremd und führe weder zu einer verbesserten Qualität der Behandlung noch zu einer Stärkung der Position der Hausärzte. Hausärzte müssen ein ordentliches Honorar für ihre tagtäglichen, auch zu Unzeiten erbrachten Leistungen erhalten und nicht auf Prämien für die Kodierung von Krankheiten zur Besserstellung der Krankenkasse beim Risikostrukturausgleich angewiesen sein, so Weigeldt. Der Qualitätsaspekt steht hingegen bei der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) im Mittelpunkt.
Dennoch lohnt ein Blick auch auf die Vergütung. Dr. Ralph Krolewski, Vorstandsmitglied des Hausärzteverbandes Nordrhein, hat dafür beispielhaft den HZV-Vertrag mit der AOK Rheinland/Hamburg dem Strukturvertrag der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein mit dieser Kasse gegenübergestellt, für den Anfang April einige Änderungen in Kraft traten.
Die AOK Rheinland/Hamburg zahlt jetzt im Strukturvertrag für die hausärztliche Betreuung multimorbider Patienten Zuschläge für erhöhten Betreuungsaufwand, auch für Hausbesuche, Überleitungsmanagement oder Arzneimittelcheck und ähnliches. Weitere Vorteile bietet der Strukturvertrag weder dem Patienten noch der Praxis, anders als in der HZV.
Musterrechnung für einen AOK-Patienten
(Basis der Berechnung sind die aktuell vorliegenden Abrechnungsergebnisse aus dem HZV-Vertrag. Den AOK-Strukturvertrag betreffend können nur Grundlagen aus den vergangenen Quartalen als Basis dienen, da die neuesten Änderungen erst zum 1. April 2016 in Kraft traten)
Fallwert HZV AOK-Rheinland/ Hamburg 2015(Hausärzteverband): im Schnitt 85 Euro
Hausärztlicher KV-Fallwert – mit dem Leistungsumfang des RLV – beträgt aktuell: 39,01 Euro gemäß Veröffentlichung der KV Nordrhein
Zusätzliche Leistungen über die KV für Leistungen aus dem HZV-Ziffernkranz (inkl. in der KV noch weiter außerbudgetär abzurechnenden hausärztlichen Versorgungsleistungen (ohne Notdienst, Akupunktur o.ä.) für eine hausärztliche Einzelpraxis: ca. 17,50 Euro je Fall
Gesamtfallwert Strukturvertrag AOK Rheinland/ Hamburg: 39,01 Euro + 8,50 Euro* + 17,50 = 65,01 Euro.
(*maximal zu erzielender durchschnittlicher add-on-Fallwert für die Leistungen des Strukturvertra-ges; Voraussetzung: hohe Rentner- und Chronikerzahlen, 2x Arzneimittelcheck pro Woche, 1x Über-leitungsmanagement pro Woche bei 500 AOK-Versicherten. Zugrunde liegen die durchschnittlichen Diagnose- und Hausbesuchshäufigkeiten, wie von der KVNO veröffentlicht)
Damit beträgt der Unterschied zwischen HZV-Vertrag und Strukturvertrag ca. 19,99 Euro. Dieser Fallwert muss einem um die „HZV-Kosten“ (2,50 Euro pro Patient für Labor, Software, Fortbildung) bereinigten HZV-Fallwert gegenübergestellt werden. Die Differenz zugunsten des HZV-Fallwertes als betriebswirtschaftlich relevante Kennziffer beträgt somit: 17,49 Euro (19,99 Euro-2,50 Euro). Der HZV-Mehrwert beträgt mindestens 27 Prozent