Münster. Bedarf muss endlich von Bedürfnissen getrennt werden, die Ressource Hausärztin bzw. Hausarzt muss geschont werden und das deutsche Gesundheitssystem braucht Steuerung – diese drei Forderungen an die Politik sind für den Deutschen Hausärzteverband zentral, erklärte Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, bei der Frühjahrstagung seines Verbandes am Freitag (21.4.) in Münster.
Gerade die Ressourcenschonung sei ein wichtiger Punkt. Schließlich, so Beier, seien Hausarztpraxen nicht erst nach der Versorgung der Patienten in der Pandemie an ihren Belastungsgrenzen und teils deutlich darüber hinaus angekommen. Bei gleichzeitigem Personalmangel fresse die zunehmende Bürokratie wertvolle Zeit des gesamten Praxisteams.
Insgesamt stelle sich die Lage so dar, dass Praxen gleichzeitig steigender Belastung und finanziellem Druck ausgesetzt seien. Die Aufwendungen, kritisierte Beier, stiegen stärker als die Einnahmen.
Parallelstrukturen verschlechtern Versorgung
„Wir sind auch kleine Wirtschaftsunternehmen“, so Beier, „Teams müssen sich wirtschaftlich tragen. Hier erleben wir in den letzten Jahren ein Missverhältnis.“
Statt in die bestehenden, funktionierenden Strukturen zu investieren, arbeite die Politik daran, Parallelstrukturen aufzubauen, fügte Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende, hinzu.
Dazu gehörten zum Beispiel Apotheker, die impfen, oder Gesundheitskioske, die Patienten beraten sollen. Das aber entlaste Hausarztpraxen keineswegs. Vielmehr führe dies oft zu Mehrarbeit in den Hausarztpraxen, die dann mit Patienten etwa über unsinnige Ratschläge Dritter diskutieren müssten. Das entlaste Hausarztpraxen keineswegs – es sei viel wichtiger, die immer knapper werdende Ressource Hausärztin/Hausarzt zu schonen und deren Arbeitszeit sinnvoll einzusetzen.
Teampraxis als Versorgungskonzept der Zukunft
Zur Entlastung der Praxen habe der Hausärzteverband Lösungen entwickelt. Statt Zersplitterung der Versorgung mit dem Aufbau zusätzlicher Schnittstellen und finanzieller Verschwendung plädiert der Deutsche Hausärzteverband für das Konzept Teampraxis. Hausärztinnen und Hausärzte nehmen hier eine zentrale, koordinierende Funktion ein.
Das Team der Hausarztpraxis, das aus qualifizierten Gesundheitsberufen besteht, kann mehr Versorgung in Absprache mit den Ärztinnen und Ärzten übernehmen. Hausärztinnen und Hausärzte seien bereit, mit nichtärztlichen Gesundheitsfachberufen zusammenzuarbeiten, betonte Buhlinger-Göpfarth. Schließlich habe der Deutsche Hausärzteverband bereits vor 15 Jahren das erfolgreiche Konzept der Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis (VERAH) etabliert. Das entlaste und Hausärztinnen und Hausärzte hätten endlich wieder Zeit für Patienten.
„Ja zu mehr Team, Nein zur Zersplitterung der Versorgung“, resümierte Buhlinger-Göpfarth unter Beifall der Delegierten. Nun müsse das Konzept Teampraxis weitergedreht werden.
Verlässliche und faire Finanzierung dringend nötig
Allerdings brauche es auch eine verlässliche und faire Finanzierung, höher qualifiziertes Personal koste nun mal mehr Geld. Bis sich hier etwas in der Regelversorgung bewege, würden Jahre vergehen, fürchtet Buhlinger-Göpfarth.
In der HZV könne dies schneller und besser umgesetzt werden – in Baden-Württemberg habe man mit der AOK bereits erreichen können, dass Hausarztpraxen einen Teampraxiszuschlag vereinbaren konnten.
Ein weiterer Kritikpunkt in Münster: Obwohl der Notdienst im ambulanten Bereich zum Großteil von Hausarztpraxen erbracht werde, sei der hausärztliche Sachverstand bei der Reform der Notfallversorgung von der Politik nicht abgerufen. Auch hier plane die Politik mit 24/7-Notdienstpraxen den Aufbau von riesigen Parallelstrukturen.
Entbudgetierung reicht längst nicht
„Statt Probleme auf den letzten Metern am Krankenhaustresen lösen zu wollen“, so Buhlinger-Göpfarth, sei es doch viel besser, wenn Menschen dort erst gar nicht aufschlagen würden. Am besten könne diese mit der kontinuierlichen Betreuung durch die Hausärztin bzw. den Hausarzt funktionieren.
Mit Blick auf den EBM begrüßte Beier die Pläne der Entbudgetierung für Kinder- und Jugendärzte. Nun werde es Zeit, dass der Gesetzgeber sein öffentliches Versprechen einlöse und die Aufhebung der Budgetierung auch im hausärztlichen Bereich folge.
Allerdings sei der EBM für den hausärztlichen Bereich chronisch unterfinanziert. Außerdem würden die Abrechnungsregeln dafür sorgen, dass die Ressource Arzt verschwendet würde. Als Beispiel nannte Beier die 4,3,2,1-Chronikerregel, nach der mindestens acht Patientenkontakte in einem Jahr nötig seien. Bei der Entbudgetierung dürfte es nicht bleiben, meinte Beier. Nächster Schritt sei, eine Strukturpauschale für die hausärztlichen Praxen im EBM zu erreichen.
Scheitern des Masterplans in die Öffentlichkeit tragen
Dass der Masterplan Medizinstudium 2020 schon wieder in einer Schleife zwischen Bund und Ländern festhängt, nannte Beier ein „grandioses Politikversagen“. Hausärztinnen und Hausärzte sollten bei jeder Gelegenheit an erster Stelle sagen, dass die Landespolitik nicht in der Lage sei, die neue Approbationsordnung auf den Weg zu bringen.
Grundsätzlich meinte Beier aber: Die HZV bleibe das Erfolgsmodell der Hausärzteschaft. Es sei höchste Zeit, mehr Patientinnen und Patienten für die HZV zu gewinnen.
Zielmarke sei im nächsten Jahr, die Zehn-Millionen-Marke zu knacken. Damit das klappt, plädierte Beier dafür, dass Patienten von Krankenkassen einen Bonus erhalten sollen, wenn sie sich in die HZV einschreiben. Patienten könnten so auch finanziell profitieren, wenn sie sich für die „bessere und nachhaltigere Versorgung“ entscheiden. Noch in diesem Jahr wolle man das Thema Bonifizierung angehen.