Die Bundesregierung verteidigt die deutsche Praxis der Ausübung von Zwang in psychiatrischen Einrichtungen bei befürchteter erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. Sie weist auch die dort angeführte Kritik des UN-Fachausschusses für die Rechte von Behinderten zurück. Dieser habe sich nach einer Überprüfung in 2015 „besorgt über die Anwendung von Zwang und unfreiwilliger Behandlung gegenüber Menschen mit psychosozialen Behinderungen sowie den Mangel an verfügbaren Daten“ in Deutschland geäußert.
Die Regierung antwortet darauf, Gesetzgeber und Anwender des Rechts hätten dafür Sorge zu tragen, „dass das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen so weit wie möglich geachtet wird und Zwangsmaßnahmen weitestgehend vermieden werden“. Unter Verweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichs vom 26. Juli 2016 weist sie aber darauf hin, dass „ein uneingeschränktes Verbot derartiger Zwangsmaßnahmen in Fällen, in denen die betreffende Person im Zustand fehlender Einsichtsfähigkeit sich in erheblicher Weise selbst gefährdet, mit der Schutzpflicht des Staates aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG nicht vereinbar“ wäre.
Die Bundesregierung widerspricht der Auffassung des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dass jede Form der Zwangsbehandlung bei Menschen mit Behinderungen unvereinbar mit Artikel 14 der UN-Behindertenrechtskonvention sei. Bei der Auslegung der Behindertenrechtskonvention sei die Meinung des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen „mit zu berücksichtigen“, doch sei sie, „wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss festgestellt hat, völkerrechtlich nicht verbindlich“.
Die Behindertenrechtskonvention schließt nach Auffassung der Bundesregierung „nicht aus, dass im Einzelfall zum Wohl des Betroffenen auch eine Entscheidung gegen dessen natürlichen Willen getroffen und durchgesetzt werden darf, wenn der Betroffene nicht (mehr) handlungs- und entscheidungsfähig ist und dies zur Abwendung einer erheblichen Selbstgefährdung erforderlich ist“. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass diese Menschen nach „Text und Geist der Behindertenrechtskonvention“ nicht ihrem Schicksal überlassen werden sollten. Da es in der Bundesrepublik Deutschland bisher keine systematische Datenerhebung zu der Frage gebe, wie oft auf die verschiedenen Formen von Zwangsmaßnahmen zurückgegriffen wird, warum und unter welchen Umständen und auf welcher Rechtsgrundlage sie erfolgen, habe das Bundesministerium für Gesundheit zwei Forschungsprojekte vergeben.
Mit diesen solle „diese Lücke geschlossen und neue Erkenntnisse zu Möglichkeiten der Vermeidung von Zwang durch alternative Versorgungsansätze gewonnen werden“. Ergebnisse seien Mitte 2019 zu erwarten.
Quelle: Heute im Bundestag