Hausärzten, die Regressforderungen für Verbände zur Wundversorgung zugestellt bekommen haben, empfiehlt der Hausärzteverband Nordrhein mit der Zahlung zu warten. Vielmehr sollte versucht werden, gemeinsam mit der Kasse eine Klärung herbeizuführen – ein Weg, den auch der Landesverband selbst anstrebt. "Wir arbeiten aktuell an einer Lösung für Ärzte und Patienten", erklärt Vize-Vorsitzender Dr. Oliver Funken. "Wir sind nicht auf Konfrontation aus, sondern wollen die angeheizte Situation vielmehr lösen anstatt weiter zu befeuern."
Die Kassen in Nordrhein hatten angekündigt, Verordnungen von Sprechstundenbedarf verstärkt auf Unzulässigkeit zu prüfen. Die Verordnung moderner Wundversorgung ist im Sprechstundenbedarf (SSB) in der Region nur sehr eingeschränkt möglich: Neben dem klassischen Verbandmaterial darf nur Hydrocolloid-Verbandmaterial bezogen werden. Andere Materialien der modernen Wundversorgung wie zum Beispiel Alginate, Schaumverbände oder Hydrogele sind hingegen nicht zulässig.
Ein großer Teil der Ende vergangenen Jahres verschickten Prüfanträge für das vierte Quartal 2016 – laut KV Nordrhein knapp 1.300 Anträge – beziehen sich nach KV-Angaben auf die Verordnung eben dieser Wundversorgungsmaterialien über den SSB. Im Einzelfall belaufen sich die Summen auf bis zu 20.500 Euro, heißt es bei der KV.
Der Hausärzteverband rät, mit der Zahlung zunächst zu warten und die Klärung mit den Kassen herbeizuführen. Im Fall einer "exorbitanten Forderung" müsse der Einzelfall geprüft werden, erklärt Funken. Der Verband gehe jedoch nicht davon aus, dass systematische Bereicherungen etwa durch Lageraufbau stattgefunden haben. "Hausärzte kennen ihren Bedarf und bestellen Verbandmaterialien gezielt für die Versorgung in ihrer Praxis, und das kann im Normalfall auch belegt werden." Dies entspreche auch den Empfehlungen, die der Hausärzteverband regelmäßig in Kursen zur Wundversorgung gebe. "Etwa sollten sich Ärzte nicht mit zu viel Material eindecken."
Auch die KV Nordrhein kritisiert die Aktion der Krankenkassen und hat diese aufgefordert, die Prüfanträge zurückzuziehen. Den Kassen sei durch die Abgabe der Materialien kein materieller Schaden entstanden. "Der einzige Fehler, den die Praxen gemacht haben, ist es, bestimmte Verbände über den SSB zu beziehen statt diese auf einem Rezept auf den Namen des Patienten zu verordnen", erklärt KV-Vorstandsvorsitzender Dr. Frank Bergmann.
Die Kassen hingegen verteidigen ihr Prozedere. "Die Prüfanträge folgen dem gesetzlich zwingenden Auftrag an die nord-rheinischen Krankenkassen, unter anderem auch die Verordnungen von Ärzten zum Sprechstundenbedarf dahingehend zu überprüfen, ob diese unwirtschaftlich oder/und unzulässig sind", erklärt eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg auf Anfrage von "Der Hausarzt". So umfassten die Prüfanträge "unterschiedlichste Sachverhalte" zur unwirtschaftlichen und unzulässigen Verordnungsweise.
Weder KV noch Hausärzteverband ist die Problematik aus anderen Regionen bekannt. Für Funken ist das ein Zeichen, dass das Problem an einzelnen Kassen hänge. In der gemeinsamen Patientenversorgung, betont er, wünsche er sich mehr Partnerschaftlichkeit statt solcher "Schikane".