Nach langem Streit insbesondere um bessere Löhne in der Pflege hat die Bundesregierung eine Pflegereform beschlossen – eingebettet in das Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG).
Mitte Juni hat der Bundestag das Gesetz mit den Stimmen der Koalition verabschiedet. Neben der Pflegereform enthält es als sogenanntes Omnibusgesetz eine Reihe kleinteiliger Regelungen, die aber im Schnelldurchlauf beschlossen wurden.
Das sieht die Pflegereform vor
- Tariflohn: Ab 1. September 2022 sind nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen, die ihre Kräfte nach Tarif oder kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen bezahlen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge sollen rund 500.000 Pflegekräfte profitieren, die bisher nicht nach Tarif bezahlt werden. Damit erhöhe sich der Druck am Arbeitsmarkt für medizinische Fachkräfte inklusive MFA, erklärt Sebastian John, Junior-Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes: “Nachdem mit dem Pflegestärkungsgesetz bereits die Kosten für die Pflege im Krankenhaus aus dem Kostendruck des DRG-Systems ausgegliedert wurde, sollen nun auch Pflegefachkräfte höher vergütet werden. Die Personalsuche in den Arztpraxen wird damit nicht leichter.”
- Finanzierung: Ab 2022 will der Bund jährlich eine Milliarde Euro an die Pflegeversicherung zahlen. Zudem sollen kinderlose Erwerbstätige ab 23 Jahren 3,4 statt wie bisher 3,3 Prozent ihres Bruttolohns in die Pflegeversicherung einzahlen. Ob diese Finanzmittel ausreichen werden, um eine solide Finanzierung sicherzustellen, wird von vielen bezweifelt.
- Pflegeheimbewohner: Gleichzeitig will die Bundesregierung Bewohner von Pflegeheimen schrittweise finanziell entlasten. Im ersten Heimjahr zahlt die Pflegekasse fünf Prozent des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten 45 und ab dem vierten Jahr 70 Prozent. In der ambulanten Pflege hingegen steigen die Leistungsbeiträge für Sachleistungsbeiträge und Kurzzeitpflege um fünf Prozent.
- Modellprojekte zur Pflege: Die ohnehin bereits bestehende Möglichkeit zur Durchführung von Modellprojekten, in denen qualifizierte Pflegekräfte ärztliche Aufgaben – etwa die Verordnung von Hilfsmitteln – eigenständig übernehmen können, wird verschärft: Künftig müssen solche Modellprojekte in den Regionen durchgeführt werden. Dafür wird ein neuer Paragraf 64d im Fünften Sozialgesetzbuch verankert. Die konkrete Ausgestaltung der Modellprojekte obliegt aber der regionalen Ebene und ist damit weiterhin mit vielen Unsicherheiten verbunden.
- Kurzzeitpflege: Nach einer Krankenhausbehandlung wird oft eine stärkere Versorgung durch Pflegekräfte benötigt, daher wird die Kurzzeitpflege ausgebaut. Unter anderem der Leistungsbeitrag der Pflegeversicherung soll dafür um zehn Prozent angehoben werden. Neu eingeführt wird ein Anspruch auf eine bis zu zehntägige Übergangspflege, wenn die Pflege im eigenen Haushalt oder in einer Kurzzeitpflege nicht sichergestellt werden kann. Das aus der hausärztlichen Versorgung oft bekannte Schnittstellenproblem bei der Anschlusspflege nach einer Krankenhausbehandlung soll damit bestenfalls gelöst werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hofft mit dem Gesetz die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen. Die Opposition, Gewerkschafter, Pflegebetreiber und Verbände kritisierten die Pläne jedoch.
Für den Deutschen Hausärzteverband etwa handelt es sich um eine deutlich “abgespeckte” Version im Vergleich zu einer notwendigen größeren Reform (s. Kommentar unten). Darüber hinaus wird insbesondere die Finanzierung der Pflegereform kritisch bewertet, stellt der steigende Anteil der Steuerfinanzierung der Pflegeversicherung doch deren langfristige solidarische Finanzierung in Frage.
Der GKV-Spitzenverband rechnet mit erhöhten Beiträgen schon 2022 aufgrund der sich “weiter zuspitzenden Finanzlage”, da das Pflegepaket nicht ausreichend gegenfinanziert sei.
Zahlreiche weitere Regelungen
Neben den Schritten der Pflegereform enthält das Gesetz zahlreiche andere kleinere oder größere Projekte. Dazu zählt die Erhöhung des Bundeszuschusses aus Steuergeldern für die gesetzlichen Krankenkassen von fünf Milliarden auf sieben Milliarden.
Für Ärztinnen und Ärzte sieht das Gesetz eine verpflichtende Haftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von drei Millionen Euro je Fall vor. Das Gesetz verschärft zudem die Mindestmengenregelung.